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Die „Nahles-Rente“ – betriebliche Altersversorgung für alle Arbeitnehmer?

21.05.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Gesetzgebungsvorhaben aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Grundlage des Vorhabens ist ein Diskussionsvorschlag des BMAS in Form eines Schreibens vom 26. Januar 2015. Zwar gibt es noch keinen förmlichen Gesetzesentwurf; es ist jedoch damit zu rechnen, dass Ministerin Nahles das Vorhaben zügig vorantreiben wird.

I. Hintergrund

Andrea Nahles hat mit der umstrittenen Einführung des Mindestlohns und der – nicht weniger umstrittenen – Rente mit 63 bereits wiederholt ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt, Gesetze auch gegen Widerstand durchzusetzen. Mit dem Diskussionsvorschlag des BMAS vom 26. Januar 2015 geht es ihr darum, die betrieb­liche Altersversorgung möglichst auch für viele Mitarbeiter mittelständischer und kleiner Unternehmen einzuführen. Vor dem Hintergrund sinkender gesetzlicher Renten und nur eingeschränkter Möglichkeiten zu privater Altersversorge sieht die Ministerin Anlass zum Handeln. Sie wird darin bestätigt durch jüngste Statistiken, die belegen, dass nur etwa 60 % aller Beschäftigten irgendeine Form der betrieblichen Alters­versorgung erhalten.

II. Die Tarifparteien sollen‘s richten

Eine gesetzliche Regelung, die alle Arbeitgeber verpflichtet, ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren, gibt es bislang nicht. Das soll sich auch nicht ändern. Stattdessen setzt die Ministerin mit ihrem Diskussionsvorschlag auf Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die das Thema bislang eher stiefmütterlich behandelt haben. Wie soll das gehen? Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sollen Tarifverträge verhandeln, in denen die Arbeitnehmer das Recht auf betriebliche Altersversorgung erhalten. Diese Tarifverträge kann das BMAS dann für allgemeinverbindlich erklären. Die Umsetzung soll in zwei Schritten erfolgen, wobei der erste – weitgehend unbemerkt – bereits im letzten Jahr gemacht worden ist.

1. Schritt: Der im Jahr 2014 neu eingeführte § 5 Abs. 1a des Tarifvertragsgesetzes sieht vor, dass Tarif­verträge für allgemeinverbindlich erklärt werden können, wenn sie die betriebliche Altersversorgung zum Gegenstand haben. Auf diese Weise wurden die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung entsprechender Tarifverträge erheblich verringert. Der Zweck der Allgemeinverbindlicherklärung liegt darin, einen zwischen den Tarifparteien ausgehandelten Tarifvertrag auch für solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich zu machen, die keinem Arbeitgeberverband/keiner Gewerkschaft angehören.

2. Schritt: Der Diskussionsvorschlag des BMAS vom 26. Januar 2015 sieht eine Ergänzung des Betriebs­renten­gesetzes (BetrAVG) durch den neuen § 17b BetrAVG vor. Demnach sollen die Tarifvertragsparteien gemein­same Einrichtungen als Pensionskassen oder Pensionsfonds organisieren, welche die Rentenbeiträge zunächst einnehmen und die Renten später auszahlen. Gemeinsame Einrichtungen zeichnen sich dadurch aus, dass die Tarifvertragsparteien paritätisch an ihnen beteiligt sind, ohne dass Dritte – etwa Versicherungs­unternehmen – daran beteiligt sein können. Mit folgenden Anreizen soll die gesetzliche Neuregelung Gewerkschaften und Arbeitgeber von der betrieblichen Altersversorgung überzeugen.

  1. Zugunsten der Arbeitgeber wird ein lange für unverzichtbar gehaltenes Prinzip aufgegeben – die sogenannte Ausfallhaftung. Dieses Prinzip besagt, dass der Arbeitgeber stets haftbar bleibt, was auch dann gilt, wenn der externe Versorgungsträger (Unterstützungskasse, Versicherungsunternehmen, Pensionskasse oder Pensionsfonds) insolvent wird. Erst im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers soll bislang der Pensionssicherungsverein eintreten. Der Diskussionsvorschlag des BMAS sieht nunmehr vor, dass der Pensionssicherungsverein schon dann eintreten muss, wenn die gemeinsame Einrichtung – also Pensionskasse oder Pensionsfonds – insolvent wird. Den Arbeitgeber trifft also keine Haftung mehr, sobald die Beiträge eingezahlt sind (sog. "pay and forget").
  2. Zugunsten der Arbeitnehmerseite wird die betriebliche Altersversorgung nach diesem Konzept dadurch besonders interessant, dass sie sofort unverfallbar wird. Das BetrAVG sieht dagegen bislang noch fünf Jahre vor. Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer muss nicht erst fünf Jahre im Unternehmen bleiben, um seine Anwartschaft nach § 17b BetrAVG zu behalten.

III. Herausforderungen und weitere Diskussion

Sowohl Vertreter der Gewerkschaften als auch solche der Arbeitgeberverbände befürworten den Diskussionsentwurf des BMAS als wichtigen Schritt für die notwendige Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung. Gleichwohl sind an einigen Stellen noch Änderungen der Vorlage zu erwarten. Fragen stellen sich insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzierung der gemeinsamen Einrichtungen. Zur Errichtung eines Pensionsfonds sind etwa Mittel von rund EUR 10 Millionen erforderlich. Wer soll diese Mittel aufbringen? Auch die Errichtung einer Pensionskasse ist nicht billig. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht doch Unternehmen der Versicherungswirtschaft an den gemeinsamen Einrichtungen beteiligt sein sollten. Aus der Versicherungswirtschaft wird zudem die Frage gestellt, warum die Beitragszusagen nicht auch im Wege einer Direktversicherung gegeben werden können, sondern nur beim Einsatz von Pensionskassen und Pensionsfonds.

Für die nichttarifgebundenen Arbeitgeber werden zudem Lösungen für den – nicht seltenen – Fall gefunden werden müssen, dass ein Unternehmen schon eigene Systeme der betrieblichen Altersversorgung etabliert hat. Um eine Benachteiligung solcher Unternehmen zu vermeiden, müssten die Tarifvertragsparteien die Anrechnung der selbst zugesagten Leistungen auf die tariflichen Leistungen vorsehen. In welcher Form dies geschehen kann, ist abzuwarten.

IV. Aussicht und Empfehlung

Es wird damit gerechnet, dass der Diskussionsvorschlag des BMAS noch in dieser Legislaturperiode – also bis 2017 – als Gesetz verabschiedet wird. Zu erwarten ist ferner, dass entsprechende Tarifverträge danach zeitnah für allgemeinverbindlich erklärt werden. Das Vorhaben des BMAS wird als letztes Angebot der Politik an die Tarifvertragsparteien verstanden, sich um das Thema betriebliche Altersversorgung zu kümmern. Sollte dies nicht fruchten, könnte eine verpflichtende gesetzliche Regelung die Konsequenz sein.

Arbeitgebern, die derzeit die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung planen, ist zu raten, ihre Pläne noch ein wenig aufzuschieben, um die Umsetzung des Diskussionsvorschlags des BMAS abzuwarten. Auf diese Weise werden etwaige Kollisionen zwischen einem möglichen Tarifvertrag und den eigenen Versorgungsordnungen vermieden.


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