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Besonderheiten der Abmahnung von Betriebsratsmitgliedern

16.12.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat „hakt“ es zuweilen. Für den Arbeitgeber stellt sich dann die Frage, welche Reaktionsmöglichkeiten es gibt, wenn Betriebsratsmitglieder ihre Pflichten als Betriebsratsmitglied und/oder als Arbeitnehmer verletzen.

I. Einleitung

Das BAG hat sich in dem Beschluss vom 09.09.2015 – 7 ABR 69/13 mit einer dieser Reaktionsmöglichkeiten befasst: der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gegenüber einem Betriebsratsmitglied.

Bei Betriebsratsmitgliedern besteht die Besonderheit, dass es zwei verschiedene Arten von Abmahnungen gibt, die individualrechtliche und die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung.

Wenn ein Betriebsratsmitglied durch ein bestimmtes Verhalten nur seine Pflichten als Arbeitnehmer oder gleichzeitig seine Pflichten als Arbeitnehmer und seine Pflichten als Betriebsratsmitglied verletzt, z. B. in Fällen unterlassener Abmeldung für Betriebsratstätigkeiten, kommt eine individualrechtliche Abmahnung wegen Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten in Betracht.

Bei Verstößen eines Betriebsratsmitglieds gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, die nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, kommt nach ständiger Rechtsprechung des BAG jedoch keine individualrechtliche Abmahnung, d. h. keine Kündigungsandrohung für den Wiederholungs­fall, sondern nur – bei einem groben Verstoß – ein Antrag auf Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG oder als betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung die Ankündigung eines solchen Antrags für den Wiederholungsfall in Betracht (BAG, Urt. v. 26.01.1994 – 7 AZR 640/92).

II. Sachverhalt

Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 09.09.2015 – 7 ABR 69/13 war eine Abmahnung gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden, die zu dessen Personalakte genommen wurde. In dieser Abmahnung wurde gerügt, dass der Betriebsratsvorsitzende gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen habe, indem er die Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern bei dem Arbeitgeber mit einer E-Mail an alle Mitarbeiter des Konzerns versandt habe. In der Abmahnung wurde dazu ausgeführt, dass der Betriebsratsvorsitzende aufgrund seiner Position lediglich berechtigt sei, sich an die Mitarbeiter des Unternehmens zu wenden. Er sei jedoch nicht berechtigt, mit dem Arbeitgeber geschlossene Betriebs­vereinbarungen an Mitarbeiter außerhalb des Unternehmens zu versenden. Hierbei handele es sich um externe Dritte, selbst wenn sie dem Konzern angehören würden. In der Abmahnung heißt es am Ende wörtlich:

„Sollten Sie erneut gegen das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen und sich in entsprechender Art und Weise pflichtwidrig verhalten, müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihren Ausschluss als Betriebsratsmitglied beim Arbeitsgericht beantragen werden (§ 23 BetrVG). Gegebenenfalls könnte sogar eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen.“

III. Entscheidung des BAG

Der letzte Satz der Abmahnung war zu viel. Das BAG hat entschieden, dass der Betriebsratsvorsitzende einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte habe. Der Anspruch folge – ebenso wie im Fall unberechtigter individualrechtlicher Abmahnungen – aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalak-te besteht.

Das BAG hat offen gelassen, ob der Betriebsratsvorsitzende durch das Versenden der E-Mail an alle Mitarbeiter des Konzerns gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstoßen hat. Die Abmahnung war nach der Entscheidung des BAG bereits deswegen aus der Personalakte des Betriebsratsvorsitzenden zu entfernen, weil der Arbeitgeber den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses sanktioniert hatte. Vor dem Hintergrund, dass mit der Abmahnung keine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht gerügt worden sei, liege in der Kündigungsandrohung eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens des Betriebsratsvorsitzenden.

Verletze ein Betriebsratsmitglied ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten, seien nach ständiger Rechtsprechung des BAG vertragsrechtliche Sanktionen wie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder einer individualrechtlichen Abmahnung, mit der kündigungsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, ausgeschlossen.

Das BAG hat in der vorliegenden Entscheidung schließlich bestätigt, dass der Betriebsrat keinen Anspruch darauf hat, dass eine unberechtigte Abmahnung aus der Personalakte eines seiner Mitglieder entfernt wird. Dabei handelt es sich vielmehr um ein höchstpersönliches Recht, das nur dem betroffenen Betriebsratsmitglied zusteht.

IV. Praxishinweis

Wenn einem Betriebsratsmitglied wegen der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten die „gelbe Karte“ in Form einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gezeigt werden soll, ist darauf zu achten, dass die Pflichtverletzung in der Abmahnung nach Inhalt, ggf. beteiligten Personen, Ort und Zeit genau beschrieben wird. Die Abmahnung darf sich nicht auf die vom Arbeitgeber getroffenen rechtlichen Wertungen des Verhaltens eines Betriebsratsmitglieds beschränken. Wenn die Pflichtverletzung in der Äußerung oder Veröffentlichung wahrheitswidriger, diffamierender Behauptungen über den Arbeitgeber liegt, kommt es auf den O-Ton der Äußerungen und ggf. den Gesprächsverlauf an. Für das betroffene Betriebsratsmitglied – und im Streitfall für das Gericht – muss ersichtlich sein, auf welche Tatsachen und welchen Sachverhalt der Arbeitgeber die Abmahnung genau stützt.

Die Abmahnung muss außerdem verhältnismäßig sein und darf schließlich nur mit der Androhung verbunden werden, dass das Betriebsratsmitglied im Wiederholungsfall mit einem Antrag des Arbeitgebers auf Ausschluss seiner Person aus dem Betriebsrat rechnen muss.

Eine Kopie der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung sollte entweder zur Personalakte des Betriebsrats­mitglieds oder zu den Akten genommen werden, die für die Zusammenarbeit und Korrespondenz mit dem Betriebsrat geführt werden.


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