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Arbeitgeber kann bei Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers den erlangten Erlös herausverlangen

13.04.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In einer aktuellen Entscheidung hatte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen mit Fragen zur verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit einer Arbeitnehmerin zu befassen.

Dabei stritten die Parteien vor allem darüber, ob der Wert der von der Arbeitnehmerin für die Konkurrenz­tätigkeit aufgewendeten Arbeitszeit den Umfang des von ihr geschuldeten Erlösherausgabeanspruchs mindert.

I. Einleitung

§§ 60, 61 HGB statuieren ein vertragsbegleitendes Wettbewerbsverbot, das entgegen ihrem Wortlaut nicht nur auf die bezeichneten Handlungsgehilfen, sondern auf alle Arbeitnehmer Anwendung findet. Aus der Norm folgt im Wesentlichen, dass es dem Arbeitnehmer während seines laufenden Arbeitsverhältnisses untersagt ist, Umsatzgeschäfte im Handelszweig des Arbeitgebers abzuschließen oder Dienste und Leistungen gegen­über Dritten in dessen Marktbereich anzubieten (BAG vom 17.10.2012 – 10 AZR 809/11). Ein Verstoß gegen dieses vertragsbegleitende Konkurrenzverbot zieht für den Arbeitnehmer nachteilige Folgen nach sich. Die Verletzung stellt nicht nur einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB dar, sondern eröffnet darüber hinaus das Rechtsfolgenregime des § 61 Abs. 1 HGB. Ausdrücklich normiert sind darin die Rechte des Arbeitgebers auf Schadensersatz (Hs. 1) und Erlösherausgabe (Hs. 2). Der Arbeitgeber kann damit nach seiner Wahl entweder alle ihm konkret durch die Konkurrenztätigkeit entstandenen Schäden ersetzt verlangen oder die wirtschaftlichen Folgen der verbotswidrig geschlossenen Geschäfte für seine eigene Unternehmung in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitnehmer muss diese dann – bei Geltendmachung des Erlösherausgaberechts – als auf Rechnung seines Arbeitgebers eingegangen gelten lassen.

II. Sachverhalt

Die Klägerin war in einer Steuerberatungskanzlei als Steuerfachangestellte beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem die Lohn- und Finanzbuchhaltung. Die Mutter der Klägerin unterhielt in einiger Entfernung vom Arbeitsort der Klägerin ein Buchhaltungsbüro, das zum Teil identische Leistungen erbrachte wie der Beklagte, allerdings nicht unmittelbar mit dieser um Kunden konkurrierte. Nachdem die Mutter der Klägerin gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, den Arbeitsaufwand allein zu bewältigen, half die Klägerin ihr bei den anfallenden Tätigkeiten. Hierzu meldete sie ein Gewerbe mit der Tätigkeit „Lohn- und Finanz­buchhaltung und Büroservice“ an. In den Jahren 2009 bis 2013 wandte sie für diese Nebentätigkeit insgesamt 1869 Arbeitsstunden auf.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufgrund unzulässiger Konkurrenztätigkeit außerordentlich. Das AG Braunschweig wies die Kündigungsschutzklage der Klägerin ab und verurteilte sie im Wege der Widerklage dazu, dem Beklagten Auskunft darüber zu erteilen, welche Mandate des Rechnungs­wesens, der Lohn- und Finanzbuchhaltung sie geschlossen und welche Vergütung sie hierfür erhalten hat. Die Klägerin gab daraufhin an, dass sie aus diesen Tätigkeiten einen Erlös von EUR 46.433,60 erzielt habe. Diesen Betrag verlangte der Beklagte sodann von der Klägerin durch Geltendmachung des Eintrittsrechts nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 HGB vollständig heraus. Das AG Braunschweig sprach dem Beklagten hiervon EUR 39.320,73 zu und wies die Widerklage im Übrigen ab.

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Steuerberatungs­kanzlei, bei der sie beschäftigt war, nur regional tätig sei und die Kunden der Klägerin daher nicht in den Einzugsbereich des Beklagten fielen. Aus diesem Grund sei die Betreuung dieser Kunden auch nicht als Konkurrenztätigkeit anzusehen, weshalb der Anspruch auf Erlösherausgabe von vornherein nicht gegeben sei. Hilfsweise müsse jedenfalls ihr Arbeitsaufwand als Aufwendung anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Der Anspruch auf Erlösherausgabe solle dem Beklagten allenfalls ermöglichen, die durch die Wettbewerbstätigkeit beim Arbeitnehmer angefallenen Vorteile abzuschöpfen. Der Beklagte solle hierdurch jedoch nicht mehr erhalten, als sie erhalten hätte, wenn die Klägerin die Geschäfte von vornherein auf Rechnung des Beklagten durchgeführt hätte. In diesem Falle hätte der Beklagte den Arbeitsaufwand der Klägerin schließlich auch mit dem zwischen ihnen vereinbarten Lohn von EUR 16,53 pro Stunde vergüten müssen.

III. Die Entscheidung

Das LAG Niedersachsen folgte der Argumentation der Klägerin nicht und wies ihre Berufung zurück. Zur Begründung führte es aus, dass entgegen der Auffassung der Klägerin von einer Konkurrenztätigkeit auch dann auszugehen sei, wenn diese nicht im unmittelbaren Einzugsgebiet des Beklagten tätig geworden sei. Die Klägerin habe im Marktbereich des Beklagten Dienste und Leistungen angeboten, die zum Geschäftszweig des Beklagten gehören. Da der Schutz des Arbeitgebers umfassend sei, dürfe der Arbeitnehmer auch dann keine Konkurrenztätigkeit ausüben, wenn sicher sei, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen würden. Insofern könne sich die Klägerin nicht erfolgreich darauf berufen, dass die von ihr betreuten Kunden aufgrund der Entfernung bzw. der langjährigen Bindung zum Buchhaltungsbüro der Mutter ohnehin keine Geschäftsbeziehungen zu dem Beklagten aufgenommen hätten. Das Gericht bewegt sich damit auf einer Linie mit der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht, das den Umfang des Verbotes in den vergangenen Jahren zunehmend weit ausgelegt hat (vgl. BAG vom 16.01.2013 – 10 AZR 560/11).

Darüber hinaus erteilte das LAG auch der weiteren Argumentation der Klägerin eine Absage und stellte fest, dass die im Rahmen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit eingesetzte Arbeitskraft den Anspruch auf Erlösherausgabe nicht mindern könne. Die Klägerin sei stattdessen dazu verpflichtet, im Wege der Erlösherausgabe nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 HGB den dadurch erzielten Erlös vollständig herauszugeben. Der Arbeitgeber müsse bei Inanspruchnahme seines Arbeitnehmers lediglich die Auslagen und Aufwendungen erstatten, die bei dessen Geschäftsausführung angefallen seien. Zu diesen Aufwendungen seien jedoch nur Vermögensopfer zu zählen, die der Arbeitnehmer im Interesse eines anderen mache. Dies sei jedoch bei der Zeit und Arbeitsleistung, die Arbeitnehmer in die Konkurrenztätigkeit investiere, nicht der Fall. Zur weiteren Begründung führt das LAG schließlich aus, dass die Vorschrift des § 61 Abs. 1 Hs. 2 HGB ansonsten bei wettbewerbswidrigen Geschäften, die sich in einer reinen Dienstleitung erschöpfen, weitgehend leerlaufen würde, wenn der Arbeitnehmer die für die Dienstleitung erbrachte Zeit gegenrechnen könnte.

IV. Praxishinweis

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen stellt klar, dass der Schutz des Arbeitgebers aus § 61 HGB bei unerlaubter Konkurrenztätigkeit durch eigene Arbeitnehmer umfassend ist und das häufig unbekannte Wahlrecht zwischen Schadensersatz und Erlösherausgabe ein scharfes Schwert zur Rechtssicherung darstellt. Die von § 61 Abs. 1 HGB eingeräumte Alternative ist für den Arbeitgeber außerordentlich günstig. Sie erlaubt es ihm, die Vorteile der verbotswidrig geschlossenen Geschäfte stets bestmöglich an sich zu ziehen. Gelingt dem Arbeitgeber der Nachweis, er hätte mit den Konkurrenzgeschäften anstelle des Arbeitnehmers einen höheren Gewinn erzielt, wird er diesen im Wege des Schadensersatzverlangens nach § 61 Abs. 1 Hs. 1 HGB iVm. §§ 249 ff. BGB liquidieren. Hat der Arbeitnehmer hingegen einen Überschuss erzielt, der in der Person des Arbeitgebers nicht realisier- oder nachweisbar ist, wird der Arbeitgeber vernünftigerweise das Recht auf Erlösherausgabe wählen. Da der Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht den Wert seiner Arbeitszeit gegenrechnen darf, kann der Arbeitgeber nahezu den vollständigen Erlös der vom Arbeitnehmer geschlossenen Geschäfte herausverlangen. Bei verbotswidriger Konkurrenztätigkeit sollten aus Arbeitgebersicht (neben der in Rede stehenden Kündigungsmöglichkeit) gerade bei Schwierigkeiten, einen durch die Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers eingetretenen Schaden zu beweisen, immer ein Auge auf die pauschale Erlösherausgabemöglichkeit gerichtet werden.

Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen, Urteil vom 12.11.2015 (Az.: 7 Sa 1690/14)


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