14.01.2025 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Kearney GmbH.
Besonders betroffen wären Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes sowie deren Zulieferer, die stark vom Export in die USA abhängig sind. Kearney untersucht bei der Berechnung zwei Szenarien: die vollständige Weitergabe der Zölle an Konsumenten oder eine Abwälzung der Mehrkosten auf die Zulieferer. Die Ergebnisse verdeutlichen: ohne Gegenmaßnahmen drohen tiefgreifende finanzielle und strukturelle Einschnitte für die bereits ohnehin gebeutelte europäische Automobilindustrie.
Die von Donald Trump nach seiner Amtseinführung am 20. Januar 2025 geplanten US-Zölle auf importierte Autos könnten zu erheblichen Verwerfungen in der europäischen Automobil- und Zulieferindustrie führen. Im Fokus der aktuellen Analyse der Unternehmensberatung Kearney stehen dabei die großen europäischen Hersteller - Volkswagen, BMW, Mercedes und Stellantis - sowie ihre Zulieferer. "Rund 640.000 Fahrzeuge werden jährlich aus Europa in die USA exportiert - Abhängig vom Szenario könnten die Zölle zu Umsatzverlusten zwischen 3,2 und 9,8 Milliarden US-Dollar auf Herstellerebene führen, was sich wiederum auf die europäischen Zulieferer auswirken würde", erklärt Nils Kuhlwein, Partner bei Kearney. Er untersucht in seiner aktuellen Berechnung zwei Hypothesen: In einem Szenario werden die Zölle vollständig auf die Konsumenten in den USA umgelegt, was die Nachfrage empfindlich reduzieren würde. Im anderen Szenario tragen die Hersteller die Kosten zunächst selbst und geben sie später teilweise an die Zulieferer weiter.
Beide Varianten zeigen dramatische Auswirkungen: bis zu 25.000 Arbeitsplätze könnten gefährdet sein. Zusätzlich könnte der Margendruck bei den Zulieferern zu massiven Ergebniseinbußen führen.
Kuhlwein
Im Rahmen der Analyse konzentriert sich Kearney auf die vier größten europäischen Autohersteller: die Volkswagen Gruppe - einschließlich Porsche und Audi - BMW, Mercedes und Stellantis mit Marken wie Fiat, Opel, Alfa, Chrysler und Peugeot. "Andere Hersteller wie Renault oder Volvo spielen auf dem US-Markt nur eine untergeordnete Rolle und wurden deshalb nicht berücksichtigt", so Kuhlwein. Für jedes Modell dieser Hersteller - beispielsweise die komplette BMW-Modellreihe von der 1er- bis zur X7-Serie - wurden die Produktionsstandorte Europa, USA, Mexiko/Kanada oder Großbritannien ermittelt und die Prognosen für die Produktionsvolumina einbezogen. "Die Marktmodelle zeigen eine hohe Transparenz: wir wissen ziemlich genau, wo Modelle eines bestimmten Fahrzeugtyps unterteilt nach den Antriebsarten produziert werden und wieviele davon voraussichtlich in die USA importiert werden", erklärt Kuhlwein. Dazu analysierte er zudem die Finanzkennzahlen der 1.000 größten europäischen Zulieferer sowie die durchschnittlichen Händlerpreise für in den USA verkaufte Fahrzeuge. Insgesamt werden von den vier großen Herstellern etwa 2,8 Millionen Fahrzeuge in den USA verkauft, davon rund 640.000 aus Europa importiert. Der Rest wird in den USA, Mexiko, Kanada oder UK produziert.
Werden die geplanten US-Zölle komplett auf die Verbraucher abgewälzt ist die Berücksichtigung der Preiselastizität der Nachfrage zentral - also, wie stark die Nachfrage auf Preisänderungen reagiert. Laut der Kearney-Analyse liegt diese bei Verbrennern zwischen Faktor 0,5 und 1,0, bei Hybriden zwischen 1,5 und 2,0 und bei Elektrofahrzeugen zwischen 2,5 und 3,0. "Das bedeutet, dass eine Preiserhöhung von zehn Prozent die Nachfrage nach Verbrennern um fünf bis zehn Prozent, nach Elektrofahrzeugen jedoch um bis zu 30 Prozent senken könnte", gibt Kuhlwein zu bedenken. Diese Zahlen sehe er als realistisch, da sie ähnlich zum Rückgang der Elektro-Nachfrage in Deutschland nach dem Ende der staatlichen Förderprogramme seien. Die Modellrechnung von Kearney zeigt, dass bei Zöllen von zehn Prozent, 15 Prozent oder 20 Prozent, die vollständig auf die Konsumenten umgelegt werden, die Nachfrage nach importierten Fahrzeugen um 60.000 bis 185.000 Einheiten sinken könnte. Im Extremfall, bei einer vollständigen Weitergabe und hohen Elastizitätswerten, könnte die Nachfrage um bis zu 29 Prozent einbrechen. Dies würde Umsatzverluste für die Hersteller bezogen auf durchschnittliche Händlerpreise in Höhe von 4,5 bis 13,7 Milliarden US-Dollar bedeuten.
Um die Auswirkungen auf die europäischen Zulieferer zu berechnen, konzentriert sich die Analyse auf die Werksabgabepreise, die um 40 Prozent unter den Händlerpreisen angesetzt sind. Der berechnete Umsatzverlust der Hersteller liegt hier bei 3,2 bis 9,8 Milliarden US-Dollar. Mit einer durchschnittlichen Wertschöpfungstiefe - also wieviel Prozent eines Autos wird vom Hersteller selbst produziert und wieviel wird von Dritten zugekauft - von 25 bis 40 Prozent ergibt sich ein Umsatzverlust für die Zulieferer in Höhe von 1,9 bis 7,3 Milliarden US-Dollar.
Da etwa 40 Prozent der Kosten der Zulieferer fix und 60 Prozent variabel sind, haben wir einen Gewinnrückgang von 733 Millionen bis drei Milliarden Euro berechnet. Das entspricht einer Verschlechterung der Profitabilität um drei bis 13 Prozent und gefährdet zwischen 6.000 und 23.000 Arbeitsplätze in Europa.
Kuhlwein
Seine zweite Hypothese geht davon aus, dass die Zölle zunächst von den Herstellern getragen werden, die diese Verluste jedoch in weiterer Folge auf die Zulieferer abwälzen. "Das ist absolut übliche Praxis in der Automobilindustrie, auch umgekehrt haben die Zulieferer die Preissteigerungen der letzten Jahre zumindest teilweise an die Hersteller weitergegeben", sagt Kuhlwein. Kearney-Experten schätzen, dass 50, 75 oder sogar 100 Prozent der Mehrkosten weitergegeben werden könnten - für die aktuelle Berechnung wurden 60 Prozent angenommen. Das führt das zu einem Ergebniseffekt bei Zulieferern zwischen 1,1 und 3,1 Milliarden Euro, was fünf bis 14 Prozent des Profits aller europäischen Zulieferer entspricht und bis zu 25.000 Arbeitsplätze gefährden könnte. "Die Zulieferer müssen nun individuell analysieren, wie hoch die Auswirkungen für sie sein könnten und sich auf die Verhandlungen mit Herstellern vorbereiten, also die bestehenden Verträge prüfen und die jeweiligen Argumente für die Preisgestaltung aufbereiten", rät Kuhlwein. Zudem sollten sie strategisch planen, wie sich die eigenen Kosten weiter flexibilisieren lassen und eng verfolgen, welche Zölle auf Importe auf welche Herkunftsländer durch die neue US-Administration erhoben werden. Denn dies könnte mittelfristig zu einer weiteren Produktionsverlagerung der Hersteller führen und dann in der Folge auch erfordern, dass die Zulieferer mitziehen.
Bild: Grégory Costa (Pexels, Pexels Lizenz)
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