13.07.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Universität Hohenheim.
Smartphones machen nicht einsam. Im Gegenteil: Wer aktiv über soziale Netzwerke kommuniziert, führt in der Folge mehr direkte, persönliche Gespräche und zeigt sich auch insgesamt mit seinem Leben etwas zufriedener. Zu diesem überraschenden Ergebnis kamen Medienpsychologen der Universität Hohenheim in einer aktuellen Studie.
Ob in der Bahn, im Hörsaal oder im Restaurant: Überall trifft man heute Menschen an, die konzentriert über ihr Smartphone gebeugt sind. Sie sprechen nicht mehr miteinander, vereinsamen gar, und die Lebensqualität sinkt – so die gängige Überzeugung.
Diese These hat der Medienpsychologe Dr. Tobias Dienlin überprüft. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Privatheit im Wandel“ führte die Forschungsgruppe rund um Prof. Dr. Sabine Trepte an der Universität Hohenheim eine bundesweite Umfrage durch, bei der die Kommunikationsgewohnheiten der Menschen an zwei Zeitpunkten erfasst wurden.
„Das Ergebnis hat auch uns überrascht“, erklärt Dr. Dienlin. „Aber unsere Daten geben keinerlei Hinweise auf negative Effekte der digitalen Kommunikation. Sie zeigen vielmehr, dass die Kommunikation über soziale Netzwerke und Instant Messenger auch direkte Gespräche zwischen den Menschen verstärkt. Und darüber hinaus geht die Nutzung sozialer Netzwerke auch mit einer leicht erhöhten Lebenszufriedenheit einher.“
Bei der Befragung einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung erhielten die Forscher 2.448 Antworten. 460 davon gingen in die Auswertungen ein, da diese Personen soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram und Instant Messenger wie WhatsApp nutzen.
Zweimal mit einem halben Jahr Abstand fragten die Wissenschaftler, wie häufig man mit engen Freunden, Bekannten und Familie – außer Partner und Arbeitskollegen – aktiv kommuniziert. Die Befragten gaben dabei jeweils eine Selbsteinschätzung zu ihrem Kommunikationsverhalten über soziale Netzwerke, Instant Messenger und im direkten Gespräch ab. Die Betrachtung der Forscher beschränkte sich bei den digitalen Medien auf die aktive Nutzung; passives Lesen von Nachrichten oder Ansehen von Videoclips blieben außen vor.
„Bei einigen der Befragten veränderte sich in den sechs Monaten das Nutzungsverhalten“, berichtet Dr. Dienlin. „Deutlich sind zwei Trends: Wer viel über soziale Netzwerke kommuniziert, nutzt später nicht nur mehr Instant Messenger, sondern führt auch mehr direkte Gespräche. Und die meisten, die bei der ersten Befragung viel über Instant Messenger kommunizieren, nutzen später mehr soziale Netzwerke.“
Digitale Kommunikationskanäle regen also offenbar die Kommunikation an. „Sie können als Kommunikationsinitiator fungieren“, so der Experte.
Wie sich das auf die Lebensqualität auswirkt, war ebenfalls Thema der Untersuchung. Die Forscher fragten die Testpersonen auch danach, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind und wie einsam sie sich fühlen.
„Bei keinem der drei Kommunikationswege konnten wir einen negativen Einfluss ausmachen“, betont Dr. Dienlin. „Aber wir haben durch die Nutzung sozialer Netzwerke einen leichten positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit festgestellt – ein Effekt, der nicht mal beim persönlichen Gespräch zu erkennen ist.“
Da die Studie im Längsschnitt angelegt wurde, also über zwei Messzeitpunkte verfügt, können die Forscher sogar Aussagen über die Kausalität zu treffen: „Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Kommunikation die Lebenszufriedenheit erhöht – denn den gegenteiligen Effekt, dass zufriedene Menschen später auch mehr kommunizieren, konnten wir nicht finden.“
Doch ob man sich einsam fühlt oder nicht, scheint gar nicht vom Kommunikationsverhalten abzuhängen: „Hier konnten wir weder durch die digitale Kommunikation noch durch direkte Gespräche einen Einfluss ermitteln.“
Dienlin, T., Masur, P. K., & Trepte, S. (2017). Displacement or reinforcement? The reciprocity of FtF, IM, and SNS communication and their effects on loneliness and life satisfaction. Journal of Computer-Mediated Communication, 22, 71–87.
https://doi.org/10.1111/jcc4.12183
Die Studie ist im Rahmen des Projektes „Privatheit im Wandel“ von Prof. Dr. Sabine Trepte entstanden. Dieses Vorhaben läuft seit November 2013 und endet im Oktober 2017. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt.
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