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Neue Anforderungen für die Gestaltung von Arbeitsverträgen – Teil 1: Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen

04.05.2022  — Axel Bertram.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt wird die EU-Richtlinie 2019/1152 des europäischen Parlaments über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union aller Voraussicht nach fristgerecht zum 1. August 2022 in deutsches Recht umgesetzt.

Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf sieht u.a. eine Änderung des Nachweisgesetzes und damit der Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsverträgen vor. Dieser Beitrag stellt die Auswirkungen des Gesetzes auf Arbeitsverträge vor. In einem folgenden Newsletter werden wir dann über die mit dem Gesetz verbundenen Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes berichten.

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I. Neue Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsverträgen

Das Nachweisgesetz in seiner bisherigen Fassung sieht vor, dass der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer schriftlich über die wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichten muss. Zu unterrichten ist zum Beispiel über Name und Anschrift der Vertragsparteien, die Tätigkeit, den Arbeitsort, die Arbeitszeit und die Kündigungsfristen. Arbeitgeber, die einen den üblichen Standards entsprechenden Mustervertrag verwenden, haben mit den dort enthaltenen Angaben bisher regelmäßig auch gleich die Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz erfüllt. So hat das Nachweisgesetz bislang keine nennenswerte Bedeutung erfahren. Künftig sollen die sich aus dem Nachweisgesetz ergebenden Verpflichtungen für Arbeitgeber deutlich erweitert werden:

1. Erweiterung des Inhalts notwendiger Nachweise

  1. Entgeltklausel
    Neben der schriftlichen Festlegung der Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen sieht § 2 Nachweisgesetz nunmehr vor, dass die Entgeltregelung „die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts, einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung“ enthalten muss.
    Neu für viele Arbeitgeber dürfte insbesondere die getrennte Angabe der Bestandteile der Vergütung einschließlich deren Fälligkeit und Details zur Auszahlung sein.
  2. Arbeitszeit
    Künftig werden Angaben zur Arbeitszeit, zu vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten, sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen gefordert.
  3. Kündigungsregelung
    Besonders interessant ist die Neufassung von § 2 Nummer 14 (bisher Nummer 9) Nachweisgesetz. Danach muss der Nachweis Angaben enthalten über: „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage anzuwenden.“
    Aufgrund des letzten Halbsatzes bleibt es dabei, dass ein Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage erheben muss, selbst wenn der Hinweis auf die Frist zur Klageerhebung entgegen dem Gesetz nicht erfolgt ist. Allerdings greifen die neuen Bußgeldvorschriften (siehe unten). Zweifelhaft ist, inwieweit diese Regelung den Vorgaben der Richtlinie entspricht (siehe unten IV).

2. Verweise

Eine Angabe der obigen Details kann jedoch durch einen Hinweis auf anwendbare Tarifverträge sowie Betriebs- oder Dienstvereinbarungen ersetzt werden. Ist zum Beispiel für Kündigungen die gesetzliche Regelung maßgeblich kann auch darauf verwiesen werden. Dennoch wird sich in vielen Fällen ein Anpassungsbedarf ergeben, da Arbeitsverträge (Nachweise) heute oftmals keine derartigen Verweisungen enthalten.

3. Fristen

Eine komplizierte Regelung gilt künftig für den Zeitpunkt bis zu dem der Arbeitgeber den Nachweis erbringen muss. Bisher gibt das Gesetz eine Frist von einem Monat für den Nachweis vor. Nach der geplanten Neuregelung gelten je nach inhaltlicher Regelung Fristen, die vom ersten Arbeitstag über sieben Kalendertage nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn bis hin zu einen Monat nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn reichen. In der Praxis wird ein jeweils gesonderter Nachweis nicht sinnvoll sein, sodass in aller Regel mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Nachweis insgesamt zu erfolgen hat.

4. Bußgelder

Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz bleibt aktuell weitgehend folgenlos, insbesondere führt er nicht zu Bußgeldern oder sonstigen Strafen. Allenfalls drohen dem Arbeitgeber Beweiserschwernisse in einem eventuellen Rechtsstreit mit dem Mitarbeiter. Der neue Gesetzentwurf sieht dagegen für Verstöße die Verhängung eines Bußgeldes von bis zu 2.000,- Euro vor. Daher sind Unternehmen gut beraten, die Einhaltung sämtlicher Vorschriften des Nachweisgesetzes umzusetzen und zu überwachen, da ansonsten Bußgelder für das Unternehmen und die Unternehmensführung drohen.

II. Vorsicht bei Änderungsverträgen und Vorgehen bei Altverträgen

§ 3 Satz 1 Nachweisgesetz sieht künftig vor, dass bei Änderungen des Arbeitsvertrages, und hierzu dürfte auch jede Anpassung der Vergütung oder Arbeitszeit zählen, der Nachweis spätestens an dem Tag, an dem die Änderung wirksam wird, zu erbringen ist. Dies bedeutet auch für Altverträge eine regelmäßige Prüfung des Anpassungsbedarfs.

Für Altverträge, die in vielen Fällen naturgemäß die neuen Anforderungen nicht erfüllen, sieht § 5 Satz 1 Nachweisgesetz vor, dass nur auf Verlangen des Arbeitnehmers die Niederschrift auszuhändigen ist. Dies hat dann allerdings spätestens am siebten Tag nach der Aufforderung zu geschehen. Für einige Punkte gilt zwar eine längere Frist von einem Monat, praktikabel ist dies allerdings in aller Regel nicht.

III. Diskrepanzen zur EU-Richtlinie

Der deutsche Gesetzgeber bleibt in einigen Punkten merklich hinter den Anforderungen der Richtlinie zurück. Die Auswirkungen, sollte dies nicht noch im Gesetzgebungsprozess korrigiert werden, sind noch unklar.

Wichtig sind vor allem zwei Aspekte:

  • Die Richtlinie sieht in Art. 15 vor, dass der Arbeitnehmer im Fall der Verletzung der Nachweispflicht entweder in den Genuss günstiger Vermutungen kommt oder bei einer zuständigen Stelle Beschwerde einreichen kann, um zeitnah und wirksam angemessene Abhilfe zu erlangen. Der deutsche Gesetzentwurf enthält hingegen wie dargestellt nur Bußgeldvorschriften. Vor diesem Hintergrund könnte es dazu kommen, dass die Rechtsprechung wie in vergleichbaren Fällen im Streitfall Beweiserleichterungen bis hin zu einer Beweislastumkehr entwickelt.
  • Weiter bestimmt Art. 18 der Richtlinie, dass Arbeitnehmer, die der Ansicht sind, dass ihnen aufgrund der Inanspruchnahme von Rechten aus diesem Gesetz gekündigt wurde oder sie Maßnahmen mit gleicher Wirkung ausgesetzt sind, vom Arbeitgeber eine genaue Begründung für die Kündigung oder die Maßnahme in schriftlicher Form verlangen können. Hierzu enthält der deutsche Gesetzentwurf gar keine Regelung.

IV. Fazit

Das Gesetz soll fristgerecht am 1. August 2022 in Kraft treten. Arbeitgebern ist zu empfehlen, die Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz auch in Zukunft gleich mit Abschluss der Arbeitsverträge zu erfüllen und nicht noch zusätzlich einen Nachweis nach dem Nachweisgesetz zu produzieren. Um dieses Ziel zu erreichen wird man sich in der Gestaltung künftiger Arbeitsverträge einschließlich künftiger Änderungsvereinbarungen auf die neuen Anforderungen einzustellen haben. Die gängigen Musterverträge werden um eine Reihe von Angaben zu ergänzen sein. Dabei wird insbesondere zu prüfen sein, inwieweit von der Verweismöglichkeit auf Gesetz und Tarifverträge Gebrauch gemacht werden kann. Hinsichtlich bestehender Arbeitsverträge kann abgewartet werden, inwieweit Arbeitnehmer einen Nachweis verlangen.

Besonders sorgfältig beobachtet werden sollte auch, wie sich die Diskrepanzen zwischen Richtlinie und Gesetz, sollten diese bestehen bleiben, in der Praxis auswirken.

In einem in Kürze nachfolgenden Beitrag werden wir über die geplanten Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes berichten.

Der Autor:

Axel Bertram

Axel Bertram hat nach mehreren Jahren der Tätigkeit in Großkanzleien die Kanzlei EMPLAWYERS mitbegründet. Er berät in allen Bereichen des Arbeitsrechts. Neben der Dauerberatung vor allem zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen liegt sein Fokus auf der Prozessführung. Seine Mandanten sind schwerpunktmäßig in den Bereichen Logistik, Handel sowie Unternehmensberatung tätig. Zudem ist Herr Bertram für den Verlag Dashöfer als Referent tätig.

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Bild: Helloquence (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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