23.08.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin.
Das im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld hat soziale Normen verändert. Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, gehen viele Mütter ein Jahr in Elternzeit. Während Frauen mit geringen Einkommen früher als zu Zeiten des Erziehungsgeldes, das vom Elterngeld abgelöst wurde, an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, pausieren Frauen mit mittleren und hohen Einkommen durch das Elterngeld länger vom Job, nachdem ihr Kind geboren wurde. Katharina Wrohlich aus der Forschungsgruppe Gender Studies des DIW Berlin hat gemeinsam mit ihren Kolleginnen Clara Welteke und Ulrike Unterhofer zudem herausgefunden, dass sich die Mütter dabei auch vom Verhalten ihrer Arbeitskolleginnen leiten lassen. Mit Blick auf die Väter scheint es inzwischen gesellschaftlich akzeptiert zu sein, dass sie in Elternzeit gehen, meist jedoch nur für die minimale Dauer von zwei Monaten.
Darüber hinaus wirkt das Elterngeld sogar auf Personen, die gar kein Elterngeld beziehen: So haben viele Großeltern, deren Söhne nach Einführung des Elterngeldes Vater geworden sind, ihre Vorstellungen von der Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau verändert. „Die Einführung des Elterngeldes hatte auch gleichstellungspolitische Zielsetzungen“, so Wrohlich. „Es war von der Politik gewünscht, dass sich Einstellungen und soziale Normen verändern. Das ist gelungen, denn das Rollenverständnis von Männern und Frauen ist zumindest ein Stück weit egalitärer geworden, sogar bei den Großeltern.“
Im Rahmen der Studie haben die Autorinnen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu mehr als 5 000 Betrieben ausgewertet. Dabei wollten sie herausfinden, inwieweit sich Mütter bei ihrer Entscheidung, wie lange sie vom Beruf pausieren, von Kolleginnen beziehungsweise deren Entscheidungen leiten lassen. Die Autorinnen bildeten zwei Gruppen aus Müttern mit mittleren und hohen Einkommen, die nach der Elterngeldeinführung ein Kind bekamen. Die Mütter der ersten Gruppe hatten Kolleginnen, die ihr Kind zu Zeiten des Erziehungsgeldes zur Welt brachten und dieses aufgrund ihres vergleichsweise hohen Einkommens nicht in Anspruch nehmen konnten. Die Mütter der zweiten Gruppe hatten Kolleginnen, die bereits vom Elterngeld profitieren konnten. Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, mindestens zehn Monate nach der Geburt des Kindes vom Beruf zu pausieren, steigt deutlich (um sechs Prozentpunkte auf 81 Prozent), wenn die Kollegin ebenfalls Elterngeld in Anspruch nehmen konnte. „Soziale Interaktionseffekte haben die durch das Elterngeld gesetzten Anreize also noch verstärkt“, fasst Clara Welteke, Doktorandin in der Abteilung Staat des DIW Berlin und Mitautorin der Studie, zusammen.
Ob Großeltern durch das Elterngeld ihre Vorstellungen von Geschlechterrollen verändern, untersuchten die Studienautorinnen anhand eines über 12 000 Personen umfassenden Datensatzes des Beziehungs- und Familienpanels pairfam. In den Jahren 2012 und 2013 wurden dabei nicht nur Väter, sondern jeweils auch deren Eltern zu familiären Werten und Geschlechterrollen befragt. So ließen sich Großeltern, deren Sohn vor der Elterngeldeinführung Vater wurde, mit Großeltern vergleichen, deren Sohn nach der Elterngeldeinführung Vater wurde. Die Analysen zeigen, dass insbesondere Großmütter die Aussage, Frauen hätten sich in erster Linie um die Familie zu kümmern, deutlich häufiger ablehnen, wenn ihr Sohn Elternzeit in Anspruch nimmt. Ihr Anteil liegt bei 35 Prozent im Vergleich zu 21 Prozent unter den Großmüttern, deren Sohn kein Elterngeld beziehen konnte. Ähnlich war die Entwicklung bei den befragten Großvätern.
Erweiterungen des Elterngeldes könnten eine gleichmäßigere Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit zwischen Vätern und Müttern noch forcieren. Dazu zählt das vom DIW Berlin untersuchte Modell einer Familienarbeitszeit. Dieses sieht vor, dass Eltern ein- bis dreijähriger Kinder finanzielle Leistungen erhalten, wenn sowohl der Vater als auch die Mutter ihre Arbeitszeit auf 75 bis 80 Prozent einer Vollzeitstelle reduzieren. Damit könnten soziale Normen weiter verändert werden, etwa in die Richtung, dass sich Väter noch stärker an der Kinderbetreuung beteiligen.
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