03.12.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: DZ BANK AG.
Auf die USA blicken die Experten vor allem kurzfristig deutlich positiver – für 2025 rechnen sie mit einer BIP-Zunahme von 2,2 Prozent. Allerdings dürfte die Inflationsrate ab Mitte nächsten Jahres sprunghaft ansteigen, auch weil Einfuhren für die Amerikaner infolge der Zölle teurer werden. Die US-Notenbank bleibt deshalb bei einem restriktiven Kurs, was die Anleiherenditen anziehen lässt. Der Aktienmarkt ist angesichts dieses Umfelds für positive Überraschungen gut. Die Analysten prognostizieren für den DAX 21.500 und den S&P 500 6.900 Punkte – das sind erneut Wachstumsraten von über zehn Prozent. Die Zuwächse dürften aber erneut durch einige wenige positive Branchen und Unternehmen getrieben werden.
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Für die USA läuft es weiterhin deutlich besser als für den Euro-Raum. Die USA verzeichnen seit dem Ende der Corona-Pandemie Wachstumsraten von über zwei Prozent – und damit eine deutlich kräftigere Steigerung als die meisten Länder diesseits des Atlantiks. Allein Im dritten Quartal legte das US-BIP gegenüber dem Vorquartal um 2,8 Prozent zu.
Unter der neuen Regierung dürften die USA in der ersten Jahreshälfte 2025 weiter stark wachsen. Erste Wahlgeschenke kurz nach Amtsantritt, etwa Steuersenkungen auf Trinkgelder, dürften den Konsum ankurbeln. Zudem machen die Aussicht auf eine weitere Senkung der Unternehmenssteuer, Maßnahmen zur Deregulierung sowie absehbare Zollerhöhungen Investitionen in der größten Volkswirtschaft der Welt attraktiv. „Das Wachstum könnte aber schnell zum Strohfeuer werden. Zölle haben meistens Gegenzölle zur Folge. Das treibt die Inflation und verunsichert Verbraucher“, sagt Chefvolkswirt Michael Holstein. Das DZ BANK Research rechnet deshalb mit einem sprunghaften Anstieg der Inflation ab Mitte nächsten Jahres. Für die Teuerungsrate prognostizieren die Analysten 2,8 und für das BIP-Wachstum 2,2 Prozent, jeweils für das gesamte Jahr.
Die Inflation, die auch durch die expansive Fiskalpolitik in die Höhe getrieben wird, ruft die US-Notenbank auf den Plan. Nach den beiden Zinssenkungen im September und November erwarten die Analysten zwar noch weitere Schritte um 100 Basispunkte nach unten – bei einem Leitzins in Höhe von 3,75 Prozent wird mit Blick auf das nächste Jahr aber Schluss sein. Der geldpolitische Kurs bleibt somit restriktiv.
Der Euro-Raum tut sich beim Wachstum schwer – die Ein-Prozent-Schwelle wurde zum letzten Mal 2022 durchbrochen. Nach einer voraussichtlichen BIP-Zunahme von 0,6 Prozent in diesem Jahr erwarten die DZ BANK Volkswirte für 2025 ein Plus von 0,9 Prozent. Vor allem die vom weltweiten Export abhängigen Staaten leiden. Neben Deutschland ist das auch Italien, das knapp elf Prozent seiner Ausfuhren in die USA liefert. Spanien, das in diesem Jahr schon mit einer Wachstumsrate von fast drei Prozent glänzt und stärker vom europäischen als vom transatlantischen Handel abhängig ist, dürfte dagegen um 1,8 Prozent wachsen. Die Inflation sehen die Analysten mit 2,2 Prozent im Währungsraum nah am EZB-Ziel.
„Unser Standort hat bereits seit mehreren Jahren strukturelle Probleme. Bald kommen neue Zölle von unserem wichtigsten Handelspartner hinzu und Deutschland hat keine handlungsfähige Regierung. Wegen dieser Mischung erwarten wir nur ein Wachstum von 0,3 Prozent“, erklärt Michael Holstein. Immerhin: Wegen Vorzieheffekten erwarten die Analysten in den beiden ersten Quartalen noch ein leichtes Wachstum. „Ab der zweiten Jahreshälfte, wenn der Zollschock kommt, gibt es einen Einbruch der Wirtschaftsleistung“, so Holstein. Da Deutschland eine monatelange Phase politischen Stillstands droht, erwarten die Analysten weniger Investitionen und eine Verzögerung bei der Belebung des privaten Konsums. „Wenn eine neue Regierung im Sommer steht, dürfte diese aber Schlimmeres verhindern. Investitionsmittel können dann freigegeben werden“, sagt der Chefvolkswirt. Laut Holstein sollte eine neue Regierung die Unternehmen zügig von steuerlichen und bürokratischen Auflagen entlasten. Für einen wirtschaftlichen Neustart brauche es zudem eine Anpassung des Sozialstaats.
Sowohl die EZB als auch die Federal Reserve haben die Zinsen jüngst wieder gesenkt. Von nun an dürfte die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks allerdings deutlich auseinanderlaufen: „Die angekündigten Zollerhöhungen sind keine günstigen Rahmenbedingungen für eine langfristige Lockerung der US-Geldpolitik. Im Euroraum ist die Inflationsentwicklung auch wegen des mauen Wachstums dagegen etwas weniger stark ausgeprägt, was der EZB bei der Lockerung der Zinszügel mehr Spielraum lässt“, erklärt Christoph Kutt, Leiter Fixed Income Research. Auf Jahressicht prognostizieren die Analysten in Europa einen Einlagensatz von 1,75 Prozent. „Die EZB begibt sich damit wieder in den expansiven Bereich“, so Kutt. Das stärkere Wachstum in den USA und die gezwungenermaßen restriktive Geldpolitik der Fed dürften den US-Dollar beflügeln und den Euro alt aussehen lassen. Bereits zur Mitte des nächsten Jahres rechnen die Experten mit einer Euro-Dollar-Parität.
Die Zeit der inversen Zinskurve endet 2025. Im Laufe des Jahres werfen langlaufende Staatsanleihen dann wieder mehr Rendite als kurzfristige Bonds ab. Für zehnjährige US-Staatsanleihen erwartet das DZ BANK Research Ende 2025 fünf Prozent Rendite. Der Drei-Monats-Referenzzinssatz in den USA dürfte dann nur noch knapp über vier Prozent betragen. Aufgrund der schwachen konjunkturellen Dynamik Deutschlands und der expansiveren EZB-Politik erwarten die Analysten für den gleichen Zeitpunkt für zehnjährige Bundrenditen 2,75 Prozent. Allgemein könnten Bundeswertpapiere bei den Investoren an Attraktivität verlieren: „Durch das Ende der Reinvestitionen im Rahmen des PEPP-Programms sind die Anleihen nicht mehr knapp. Aufgrund der großen Herausforderungen – von der teils erodierenden Infrastruktur bis zur Verteidigung – haben viele Marktteilnehmer sogar Sorge vor einer Flut von Staatsanleihen“, betont Christoph Kutt.
Wie die weltweite Konjunktur hängt auch die Entwicklung von Unternehmensanleihen 2025 stark von der US-Politik ab. „Unternehmen, die in den USA verankert oder aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen von Zöllen ausgeschlossen sind, dürften sicherer sein als Firmen mit ausgeprägtem China-Bezug. Man muss sehr genau hinschauen“, so Kutt. Investment-Grade-Papiere erzielen laut dem Experten im nächsten Jahr im Durchschnitt bis zu drei Prozent Rendite.
Mal abgesehen vom Bitcoin hat unter den etablierten Anlageklassen in diesem Jahr nur Gold eine bessere Performance als Aktien hingelegt. Der S&P 500 stieg seit Januar um mehr als 20 Prozent – der Dax hat rund 15 Prozent an Wert gewonnen. Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden, rechnet für viele Indizes auch im nächsten Jahr mit zweistelligen Wachstumsraten. „Die Gewinnerwartungen der Großunternehmen sind trotz durchwachsener Konjunkturaussichten ordentlich. Der bis 2026 erwartete Gewinnanstieg je Aktie liegt im S&P 500 oberhalb von zehn Prozent pro Jahr“, sagt Hettler.
Der sogenannte „Trump Trade“ spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieser basiert auf der Annahme, dass der Wiedereinzug des Republikaners ins Weiße Haus mit Deregulierung beim Umweltschutz und in der Finanzindustrie einhergehen wird. Auch niedrigere Steuern und Importzölle spielen eine zentrale Rolle. „Aktienunternehmen können von der neuen Stoßrichtung im Weißen Haus profitieren. Dies gilt 2025 auch für traditionelle Energie- und Finanztitel sowie den Rüstungssektor“, erläutert Sören Hettler. Probleme könnten dagegen Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien bekommen. Auch für US-Firmen, die sehr stark auf importierte Vorprodukte angewiesen sind, verdüstern sich die Aussichten.
Das Big Tech von Donald Trump an die Kette gelegt wird oder es sogar zu einer Zerschlagung kommt, glaubt der Finanzmarktexperte nicht: „Die Bedeutung dieser Firmen ist zu groß.“ Vielmehr dürfte der Megatrend Künstliche Intelligenz weiteres Aufwärtspotenzial versprechen. „Produkte und Dienstleistungen von US-amerikanischen Tech-Giganten sind weltweit gefragt und kaum mehr aus dem Alltag der Verbraucher wegzudenken. KI sorgt für noch mehr Effizienz und geringere Kosten“, so Hettler.
Trotz neuer Zollschranken ziehen auch europäische Titel 2025 an. „Zum einen machen DAX-Konzerne rund 30 Prozent ihrer Umsätze in den USA. Sie könnten von niedrigeren Steuern profitieren. Darüber hinaus könnten europäische Unternehmen Nutznießer sein, wenn sich chinesische Produkte noch deutlich stärker verteuern und dadurch Marktanteile an Konkurrenten aus der Europäischen Union übergehen. Ganz in Eigenproduktion werden die USA ihre Importe kaum ersetzen können,“ erklärt der Analyst. Potenzial sieht er bei europäischen Banken wegen der steileren Zinskurven und weil das Sicherungsgeschäft wegen der volatilen Wirtschaft wachsen sollte. Zudem haben sich die großen Versicherer als sehr robust gezeigt. Auch Industriefirmen, die direkt oder indirekt an der Rüstungsbranche hängen, dürften sich einer zunehmenden Nachfrage nach ihren Produkten gegenübersehen.
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