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Deutschland muss seine Digitalstrategie überdenken

25.06.2018  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin).

Funklöcher und langsame Internetanschlüsse sind gerade in den ländlichen Regionen Deutschlands weit verbreitet, denn der Ausbau von Breitband- und Glasfaseranschlüssen verläuft nur schleppend. Die staatliche Förderung kann für die deutsche Digitalstrategie aber nicht der einzige Weg sein, folgert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung aus der Ergebnissen einer aktuellen Studie.

Beim Breitbandausbau hinkt Deutschland seinen selbstgesteckten Zielen, bis Ende des Jahres eine flächendeckende Verfügbarkeit von 50 Megabit-Bandbreiten zu erreichen, weit hinterher. Der Anteil liegt derzeit bei nur 75 Prozent der Haushalte. Eine flächendeckende Versorgung mit gigabitfähiger Technologie ist noch fernere Zukunftsmusik. Staatliche Förderung hilft zwar, wird aber künftig so teuer, dass Alternativen überlegt werden müssen, die mehr Investitionsanreize für Privatunternehmen setzen. Dazu sollte der Regulierungsrahmen angepasst werden. Auch eine Abkehr von der Netzneutralität könnte die Investitionsanreize der Netzbetreiber erhöhen und den Privathaushalten zugutekommen. Das sind die wesentlichen Ergebnisse dreier Studien zum Thema „Digitale Infrastruktur“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Der Europäische Rechnungshof hatte jüngst angemahnt, Deutschland setze noch zu sehr auf Kupferkabel statt Koaxialanschlüsse und Glasfaser und werde daher das EU-weite Ziel einer flächendeckenden Versorgung mit einem Gigabit pro Sekunde nicht erreichen. Aus Angaben der Bundesregierung geht zudem hervor, dass bis Mai 2018 von den Förderzusagen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro bisher nicht einmal ein Prozent abgerufen wurde.

Die DIW-Studien belegen, dass nicht allein breitgestreute staatliche Förderung nach dem Gießkannenprinzip die besten Ergebnisse bringt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass angesichts der mangelnden Nachfrage nach hohen Bandbreiten und endlicher Ressourcen die Politik ihre Digitalstrategie künftig gründlicher abwägen, regelmäßig evaluieren und auch alternative Instrumente wie Anpassungen der regulatorischen Rahmenbedingungen in Betracht ziehen sollte, um einen sinnvollen und effizienten Digitalausbau voranzutreiben.

Nachfrage bei Glasfaseranschlüssen gering

„Unbestritten ist eine leistungsfähige Infrastruktur eine notwendige Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung. Ob die Verfügbarkeit wirklich flächendeckend sein soll, damit Deutschland als Standort attraktiv und die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt, ist allerdings fraglich“, sagt DIW-Wettbewerbsexperte Tomaso Duso.

Eine Versorgung sollte nicht nur durch teure staatliche Subventionen angestrebt werden. „Wir plädieren eher dafür, den Regulierungsrahmen anzupassen und eine Abkehr von der Netzneutralität im überschaubaren Rahmen zuzulassen, um Investitionsanreize für private Unternehmen zu setzen.“

Die Bestandsaufnahme hat vor allem gezeigt, dass gerade bei Glasfaseranschlüssen die Nachfrage weitaus geringer als das Angebot ist: Nur etwa zwei Prozent der Breitbandanschlüsse sind „echte“ Glasfaseranschlüsse, wobei mehr als sieben Prozent verfügbar wären. Im internationalen Vergleich sind im Schnitt 21 Prozent der vermarkteten Breitbandanschlüsse aus reinen Glasfasern. „Fehlende Zahlungsbereitschaft drosselt die Nachfrage, die hohen Ausbaukosten bremsen die Angebotsseite“, erläutert Studienautor Yann Girard. „Eine ausgewogene Balance zwischen Regulierung und Förderung ist also erforderlich, um Deutschland gigabitfähig zu machen.“

Gigabitförderung wird mehr als 3000 Euro pro Kopf kosten

Welche Effekte die Förderung des Breitbandausbaus insbesondere auf die Entwicklung der Infrastruktur und den Wettbewerb hat, haben die Autoren Tomaso Duso, Mattia Nardotto und Jo Seldeslachts am Beispiel von konkreten Förderprojekten in Bayern und Niedersachsen evaluiert. Zwar waren die Förderungen wirksam: Sie führten zu einer Zunahme der Breitbandabdeckung bei allen Geschwindigkeiten, ohne den Wettbewerb negativ zu beeinträchtigen, und die durchschnittlichen Kosten für jede potenziell verbundene Einzelperson werden auf noch vertretbare 290 Euro geschätzt. Die Förderung der Netze der neuen Generation wird aber voraussichtlich mehr als zehn Mal so viel kosten wie die früheren Subventionen für die Grundversorgung – eine teure Investition. „Dementsprechend sollte auch über alternative regulatorische Eingriffe diskutiert werden, die den Ausbau der Netze durch private Investoren möglicherweise kosteneffektiver vorantreiben können“, schließt Duso aus den Ergebnissen. Zudem sollte die Förderung technologieneutral erfolgen. „Durchsetzen sollte sich die für die Zukunft bestgeeignete Technologie durch Marktmechanismen und nicht durch eine Festlegung der Politik.“

Abkehr von Netzneutralität ökonomisch sinnvoll

Der flächendeckende Netzausbau ist eine gewaltige Herausforderung für die Netzbetreiber, die im Zuge dessen gerne darauf verweisen, dass von dem Ausbau vor allem auch die Dienste- bzw. Contentanbieter profitieren, ohne sich an den Investitionskosten zu beteiligen. Pio Baake und Slobodan Sudaric haben analysiert, welchen Effekt die Abkehr von der Netzneutralität hätte, insbesondere die Möglichkeit, den Content Providern verschiedene Übertragungsqualitäten anzubieten. Allen Vorbehalten der Netzneutralität-Befürworter zum Trotz, die fürchten, dass damit das Netz weniger frei und offen für jedermann würde, zeigen die Autoren in ihrer Analyse, dass die Möglichkeit zur Priorisierung von Datenpaketen ökonomisch durchaus sinnvoll sein kann – sofern sie allen gleichermaßen offen steht. „Eine Abkehr von der Netzneutralität würde dann zu einer effizienteren Nutzung der bestehenden Kapazitäten beitragen, den Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern intensivieren und könnte deren Investitionsanreize erhöhen“, fasst DIW-Ökonom Pio Baake zusammen. Davon würden letztlich vor allem die privaten Haushalte profitieren.

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