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Deutsche Unternehmen im "War for Female Talent"

08.09.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: hkp group AG .

Ergebnisse einer aktuellen Befragung zur Umsetzung und zu den Auswirkungen des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen.

Laut dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst müssen Unternehmen in Deutschland bis zum 1. Januar 2016 konkrete Angaben zu Mindestquoten für den Aufsichtsrat in börsennotierten und gleichzeitig paritätisch mitbestimmungspflichtigen Unternehmen (ca. 100 Unternehmen in Deutschland) machen. Zusätzlich müssen börsennotierte und/oder drittelmitbestimmte Unternehmen (ca. 3.500 Unternehmen in Deutschland) bis 30. September 2015 selbstgesetzte Quotenziele (sogenannte Flexi-Quoten) für den Aufsichtsrat, Vorstand und darunter liegende Hierarchiestufen benennen. Vor diesem Hintergrund hat die Unternehmensberatung hkp/// group eine Umfrage zu den Herausforderungen und zum Stand der Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung durchgeführt.

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Die jetzt vorliegende Studie bestätigt – in Überein­stim­mung mit vielen anderen Studien –, dass Frauen in Führungspositionen auf Vorstandsebene sowie auf den beiden darunter liegenden Hierarchiestufen in Unternehmen in Deutschland aktuell deutlich unterrepräsentiert sind. Die hkp/// Studie geht aber weiter und beleuchtet die aktuelle Umsetzung des neuen Gesetzes im Detail:

So hat nicht einmal jedes vierte Unternehmen im Sommer 2015 wenige Wochen vor dem 30. September 2015 – dem Stichtag, zu dem die Zielquoten und Fristen per Gesetz feststehen müssen – diese tatsächlich definiert. Weiterhin befürchtet jedes fünfte Unternehmen, die formalen Vorgaben des Gesetzgebers nicht fristgemäß einhalten zu können oder dem operativen Aufwand nicht gewachsen zu sein.

„Das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen geht an der heute praktizierten Unternehmensrealität, einer gezielten Nachfolgeplanung sowie Förderung von Diversity, vorbei. So gut gemeint und richtig die Intention des Gesetzes ist, so sehr basiert es jedoch auf einer fraglichen Annahme: Es setzt voraus, dass ausreichend Frauen in den Unternehmen zur Verfügung stehen und nur mit Nachdruck in die richtigen Positionen gebracht werden müssten“, erklärt hkp/// group Managing Partner Michael H. Kramarsch, dem dieses Argument zu eindimensional ist. Er sieht die Unternehmen in Deutschland durch das Gesetz in einen „war for female talent“ gezwungen.

Dr. Harriet Sebald, Senior Partner und Leiterin des Bereichs Talent Management bei hkp/// ergänzt: „Viele Unternehmen haben längst Schritte zur Förderung von Diversity und insbesondere von mehr Frauen in Führungsfunktionen unternommen – wie beispielsweise durch gezielte Nachfolgeplanung und in den Besetzungsprozessen – doch das Problem, das in einigen Branchen schlicht nicht ausreichend Frauen im Unternehmen bzw. Studienabgängerinnen zur Verfügung stehen, wird hiermit ausgeblendet. In der Realität besteht das Problem der „Pipeline“ nicht so sehr bei den wenigen Aufsichtsrätinnen sondern für die Menge der Führungsfunktionen.“

Was wird gemessen? – Verwirrung durch unklare Vorgaben im Gesetz

Mit Blick auf die Festlegung von Zielgrößen im Rahmen der Flexi-Quote bzw. der Erreichung der fixen Mindest­quote definiert das Gesetz nicht genau, auf Basis welcher Bezugsgröße der Frauenanteil zu ermitteln ist. Die Unternehmen selbst sind gezwungen, eine grundsätzliche Entscheidung dazu zu treffen: Rechtsmeinungen legen nahe, dass im Gesetz lediglich der geringstmögliche Kreis umfasst wird: also die nationale Mutter­gesellschaft nach Berichtsebenen. Nicht verwunderlich ist es daher, dass sich laut Studie die meisten Unter­nehmen (33 %) entscheiden, den Frauenanteil auf Basis der deutschen Muttergesellschaft ohne Tochter­gesell­schaften zu ermitteln, jeweils 19 % wählen den deutschen Mutterkonzern zuzüglich ausgewählter Tochter­gesellschaften bzw. den internationalen Gesamtkonzern inklusive aller Tochtergesell­schaften weltweit als Basis. Darüber hinaus berichten nur knapp 40 % der Studienteilnehmer separat über den Frauenanteil ihrer Tochtergesellschaften.

Mit diesen Vorgaben stellt das Gesetz sogar einen Rückschritt hinter die heutige Praxis bei den großen deutschen Unternehmen dar. Aus Sicht der Studienautoren ist es für Großunternehmen weiterhin sinnvoll, den internationalen Frauenanteil auf Gesamtkonzernebene zu berichten und den Frauenanteil für die Tochter­gesellschaften zumindest zu erheben, um die interne Steuerung zu vereinfachen.

Eine weitere notwendige Entscheidung zur Ermittlung des Frauenanteils stellt die Definition der oberen beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands dar. Aktuell setzen 47 % der Unternehmen auf die Festlegung anhand von Berichtslinien. Nur 17 % der Unternehmen wollen Managementlevel bzw. Funktionswertigkeiten verwenden. Hier scheint die Verunsicherung durch das Gesetz bereits zu greifen, da nach Auswertungen der hkp/// group deutlich mehr als 50 % der großen Unternehmen solche Managementlevels über Funktions­bewertungen definiert haben.

„Börsennotierte Unternehmen dürfen sich nun mit ihren eigenen Wertigkeitsebenen, den Führungskreis-Definitionen nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex für Vergütungszwecke und nun mit Berichts­ebenen zur Frauenquote herumschlagen. Das hätte man handwerklich auch besser und abgestimmter machen können!“ meint Michael H. Kramarsch.

„Der Blick in die Auslegungen des Gesetzes verschafft nicht mehr Klarheit, sondern offenbart die Unklarheiten. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass gerade dieser Spielraum Verwirrung und ein Mehr an Aufwand stiftet und somit nicht in die intendierte Richtung wirkt. Dies wird dazu führen, dass die veröffentlichten Ist- und Soll-Quoten der Unternehmen nur schwierig miteinander vergleichbar sein werden“, erklärt hkp/// group Senior Partner und leitende Studienautorin Dr. Harriet Sebald.

Der aktuelle Anteil an Frauen in Führungspositionen

Die Studienergebnisse zeigen, dass der Frauenanteil im Aufsichtsrat börsennotierter und paritätisch mitbestimmungspflichtiger Unternehmen im Durschnitt bei 29 % liegt. Jedoch streut der Frauenanteil mit einem Minimum von 8 % und einem Maximum von 44 % über die Unternehmen hinweg. In großen Unternehmen ist der Frauenanteil sogar etwas höher als in kleinen.

Im Unterschied zum Frauenanteil im Aufsichtsrat börsennotierter und paritätisch mitbestimmungspflichtiger Unternehmen ist der Frauenanteil im Aufsichtsrat von Unternehmen, die börsennotiert und/oder drittel­mitbestimmt und somit von der Flexi-Quote betroffen sind, deutlich niedriger. Hier liegt der Mittelwert bei 20 % mit einem Minimum von 0 % und einem Maximum von 40 %.

Mit Blick auf den aktuellen Frauenanteil im Vorstand offenbart sich ein klarer Handlungsbedarf bezüglich der geschlechtergerechten Präsenz in Führungspositionen: Bei einem Mittelwert von 6 %, einem Minimum von 0% und einem Maximum von 28 % hat die Hälfte der Unternehmen keine einzige Frau im Vorstand.

Im Unterschied zu Aufsichtsrat und Vorstand umfassen die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands deutlich mehr Personen. Somit müssen signifikant mehr Frauen befördert werden, um den Frauen­anteil auf diesen Ebenen zu vergrößern. Voraussetzung hierfür ist, dass zum einen ausreichend Frauen auf den Ebenen darunter zur Verfügung stehen und es zum anderen gelingt, überhaupt Frauen auf den unterschiedlichsten Ebenen auf dem externen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Und nicht zuletzt die Frauen, die bereits solche Positionen innehaben, auch im Unternehmen zu halten. Die Daten der aktuellen Umfrage zeigen, dass der Frauenanteil auf der ersten Ebene unterhalb des Vorstands (Mittelwert: 13 %) niedriger ist als der Frauen­anteil auf der zweiten Ebene (Mittelwert: 18 %).

Festgelegte Zielquoten: Gesetzliche Vorgaben nur in geringem Umfang erfüllt

Jeder fünfte Studienteilnehmer bezeichnet die Festlegung von Zielquoten als problematisch. Entsprechend alarmierend ist der aktuelle Stand der Planung zur Umsetzung der Geschlechterquote. Im Durchschnitt hat nicht einmal jedes vierte aller betroffenen Unternehmen zum aktuellen Zeitpunkt Zielquoten festgelegt – auch wenn der Stichtag hierfür bereits der 30. September 2015 ist.

Auffällig ist, dass sich eine Vielzahl von Unternehmen, die bereits Festlegungen getroffen haben, entschieden hat, den aktuellen Frauenanteil als erste Zielquote festzulegen (Soll = Ist). Dieses Vorgehen verfehlt zwar kurzfristig das Gesetzesziel, den Frauenanteil zu steigern, allerdings stellt auch die Sicherstellung des aktuellen Frauenanteils – also die Bindung von Frauen auf den relevanten Ebenen sowie im Aufsichtsrat und Vorstand – eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. „Es zeigt aber auch die Reaktion auf solche gesetzlichen Eingriffe. Die Energie geht von einem sinnvollen Unternehmensziel auf eine gesetzliche Mindest­erfüllung“, meint hkp/// Managing Partner Michael H. Kramarsch.

Dieses Vorgehen ist aber gesetzeskonform, nur festgelegte Zielquoten unter 30 % dürfen nicht hinter dem tatsächlichen Status Quo zurückbleiben. Und dennoch zeigen die Ergebnisse der aktuellen Umfrage, dass einige Unternehmen per heute Zielquoten festgelegt haben, die unterhalb des aktuellen Frauenanteils liegen und somit nicht gesetzeskonform sind.

Bezüglich der Zielquote für den Aufsichtsrat haben Unternehmen entschieden, die Zielquote bis zu 13 Prozent­punkte oberhalb des aktuellen Frauenanteils festzulegen. Beim Vorstand liegen die Zielquoten zwischen 8 und 20 Prozentpunkte über dem aktuellen Frauenanteil. Da es sich bei Vorstand und Aufsichtsrat um eine kleinere Gruppe handelt und somit durch geringere personelle Veränderungen eine stärkere Anhebung des Frauen­anteils erzielt werden kann, sind die Unternehmen bei der Festlegung der Zielquoten „mutiger“ als bei den Zielquoten für die oberen beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands. Hier entscheiden sich Unter­neh­men für eine Zielquote, die zwischen 1 bis maximal 8 Prozentpunkte oberhalb des aktuellen Frauenanteils liegt.

Abwarten und große Heterogenität bei der Festlegung der gesetzlich geforderten Fristen

Laut Gesetz sind die Unternehmen gefordert, Fristen zur Erreichung der Zielgrößen bis zum 30. September 2015 zu definieren. Auf Basis der wenigen Unternehmen, die bereits Fristen definiert haben, zeigt sich, dass über alle Zielgruppen – Aufsichtsrat, Vorstand sowie die oberen beiden Führungsebenen – hinweg, keine klare Tendenz besteht.

Um gesetzeskonform zu agieren, dürfen Fristen zur Erfüllung der Frauenquoten, mit Ausnahme der ersten Frist von zwei Jahren, nicht länger als fünf Jahre ausfallen. Einige Unternehmen haben sich dazu entschieden, eine sehr kurze erste Frist festzulegen (z. B. 31.12.2015), andere wählen dagegen lange Fristen (z. B. 31.05.2017). Die Festlegung kurzer wie langer Fristen ist durchaus gesetzeskonform: Die erstmals festzulegende Frist endet am 30. Juni 2017. Nur die folgenden Fristen dürfen jeweils maximal fünf Jahre dauern.

„Einige Unternehmen haben sich eine sehr kurze erste Frist gesetzt, um möglicherweise zunächst die Veröffentlichungen anderer Unternehmen abzuwarten. Dieses Vorgehen ist vor dem Hintergrund der Intention des Gesetzgebers sicher nicht ideal, aber zulässig. Es bleibt zu hoffen, dass sich Unternehmen trotz des „Taktierens mit Fristen“ weiterhin mit einer systematischen Frauenförderung als Teil eines umfassenden Diversity Ansatzes befassen,“ erklärt hkp/// group Expertin Dr. Harriet Sebald.

Langfristige Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils notwendig

Angesichts der Tatsache, dass jedes zweite Unternehmen Sorge hat, die festgelegten Zielgrößen nicht zu erreichen, sind die Verantwortlichen in den Unternehmen gefragt, Maßnahmen zur Steigerung des Frauen­anteils einzusetzen. Im Vordergrund stehen zunächst kurz- und mittelfristige Maßnahmen.

Erfolgskritisch sind aus Sicht der Studienautoren jedoch langfristig wirkende Maßnahmen, beispielsweise die Integration von Diversity in die Unternehmenskultur. 44 % der Studienteilnehmer haben dies bereits als Maßnahme zur Steigerung des Frauenanteils identifiziert. Andere langfristig wirkende Ansätze sind laut Studie das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle (64 %) und die gezielte Berücksichtigung von weiblichen Kandidaten in der Nachfolgeplanung (53 %). Darüber hinaus setzen 53 % der Unternehmen auf ein konsequentes Monitoring des Frauenanteils.

Fazit

Nach Auffassung der Studienautoren geht das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen zum Teil an der schon heute praktizierten Unternehmensrealität vorbei. Hinzu kommt: Das Gesetz lädt Unternehmen zusätzlich administrative Aufgaben auf und lässt sie mit teils unklaren Vorgaben allein.

„Wenngleich die Unternehmen heute in Sachen Steigerung des Frauenanteils mitunter schon weiter sind, als die Auswirkungen des Gesetzes diese zu fördern vermag, sind die Unternehmen gefordert, die Anforderungen des Gesetzes zu erfüllen, sodass die Mehrheit der Unternehmen spätestens jetzt handeln muss, um nicht schon an der ersten Hürde des erlassenen Gesetzes zu scheitern“, bilanziert hkp/// Managing Partner Michael H. Kramarsch.

Hintergrundinformationen zur Studie:
An der web-basierten hkp/// group Befragung zur Umsetzung des Gesetzes zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen haben sich im Zeitraum Juli bis August 2015 insgesamt 78 Teilnehmer aus Unternehmen der Privatwirtschaft mit mehrheitlich zwischen 1.000 und 25.000 Mitarbeitern weltweit aus den Branchen Banken, Finanzdienstleistungen sowie Industriegüter und Dienstleistungen beteiligt. Vor dem Hintergrund dieser Stichprobe sind die Ergebnisse der Umfrage nicht repräsentativ, jedoch ein guter Indikator für den aktuellen Status Quo. Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse ist über die hkp/// group Website hkp.com zu beziehen.


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