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Ausschlussfristen: Wer auf Beschäftigung klagt, klagt nicht auch auf Vergütung

22.04.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In einer aktuellen Entscheidung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19. November 2014 zeigt das BAG auf, dass mit einer im Anschluss an eine längere Erkrankung erhobenen Klage auf Beschäftigung nicht zwangsläufig auch die Geltendmachung damit zusammenhängender Vergütungsansprüche verbunden ist. Vielmehr können insoweit Ausschlussfristen greifen, so dass diese Ansprüche verfallen.

I. Einleitung

Ausschlussfristen finden sich In der Praxis zum einen in der Form sogenannter einstufiger Ausschlussfristen. Sie verlangen allein eine schriftliche oder eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb einer bestimmten Frist, um deren Verfall zu verhindern. Bei zweistufigen Ausschlussfristen ist der Anspruch zunächst schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend zu machen (1. Stufe). Reagiert der Vertragspartner innerhalb einer festgelegten Frist nicht oder lehnt er den Anspruch ab, so ist der Anspruch innerhalb einer weiteren Frist gerichtlich geltend zu machen (2. Stufe).

Ausschlussfristen begegnen den betrieblichen Akteuren an unterschiedlichen Stellen: Als Klausel im Arbeitsvertrag, als Regelung in einer Betriebsvereinbarung zu allgemeinen Arbeitsbedingungen oder als Regelung im Rahmen eines Tarifvertrages. Mit Einführung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge zum 01. Januar 2002, die für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge bekanntermaßen nicht gilt, bestehen jeweils unterschiedliche Überprüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Anforderungen an die Wirksamkeit solcher Regelungen. Daher ist stets im jeweiligen Einzelfall zu prüfen ist, welcher Überprüfungsmaßstab Anwendung findet. Bestanden für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge somit zunächst vergleichsweise weite Gestaltungsspielräume, sind diese im weiteren zeitlichen Verlauf durch das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes weiter beschränkt worden. Wie die folgende Entscheidung jedoch zeigt, gibt es weiterhin Sachverhaltsgestaltungen, in denen eine fortwährende Vergütungsklage geboten ist, um einen Verfall der Ansprüche durch eine Ausschlussfrist zu vermeiden.

II. Sachverhalt

Auf das Anstellungsverhältnis des Klägers fand der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung.

Dieser beinhaltet eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur monatlichen Lohnabrechnung. Darüber hinaus findet sich dort eine zweistufige Ausschlussfrist. Ausweislich der ersten Stufe müssen zunächst beiderseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden, um nicht zu verfallen. Kommt es zu einer Ablehnung des Anspruchs oder erklärt sich die andere Vertragspartei innerhalb von zwei Wochen dazu nicht, so verfällt der Anspruch ebenfalls, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Ausgenommen sind ausweislich des Tarifvertrags allerdings Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und die vom Ausgang dieses Prozesses abhängen.

Der Kläger war zunächst längerfristig arbeitsunfähig krank und fiel damit aus der Lohnfortzahlung. Sodann bot er zu Anfang Mai 2009 seine Arbeitsleistung schriftlich an. Die Beklagte lehnte diese ab und bestand zunächst auf ein amtsärztliches Gutachten, ausweislich dessen der Kläger weiter – entsprechend seiner bisherigen Tätigkeit – alle im Straßenbau anfallenden Arbeiten ausführen könne. Im Anschluss daran erhob der Kläger im Juni 2009 Klage beim Arbeitsgericht, mit dem Antrag, ihn wegen Annahmeverzugs Vergütung für den Monat Mai 2009 zu zahlen und ihn zu unveränderten vertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, schlossen die Parteien im Berufungsverfahren im November 2011 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers und zur Zahlung einer Vergütung für Mai 2009 verpflichtet. Im Anschluss an diesen Vergleich klagte der Kläger Verzugsvergütung für die ausstehenden Monate zwischen Klagerhebung und Vergleichsschluss ein. Die Beklagte berief sich auf die tarifliche Ausschlussfrist. Nach Auffassung des Klägers war die Berufung hierauf jedoch unzulässig, da diese dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zuwider laufe. Zudem habe die Ausschlussfrist nicht zu laufen begonnen, weil er keine Lohnabrechnung erhalten habe.

III. Entscheidung

Das BAG hat – anders als das Landesarbeitsgericht – der Klage nicht stattgegeben, sondern sie aufgrund der Ausschlussfrist abgewiesen.

Es hat insoweit zunächst ausgeführt, dass sich der Kläger nicht auf die Ausnahmeregelung des Rahmen­tarifvertrags (Fristwahrung durch Kündigungsschutzklage) berufen könne. Denn die Parteien hätten keinen Kündigungsschutzprozess geführt. Hiermit sei die Geltendmachung eines Beschäftigungsanspruchs nicht vergleichbar. Dabei kann es aus Sicht des BAG dahinstehen, ob in der Geltendmachung des Beschäftigungs­anspruchs durch den Kläger zumindest auch die schriftliche Geltendmachung der Vergütungsansprüche zu sehen sei und damit die erste Stufe gewahrt sein könnte. Denn hinsichtlich der zweiten Stufe sei eine dahingehende Auslegung des Tarifvertrags in keinem Fall möglich.

Insbesondere sei dies auch nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des Tarifvertrages geboten. Denn anders als bei einer Kündigungsschutzklage könne sich der Kläger aus Sicht des BAG trotz des insoweit erhöhten Kostenrisikos nicht auf das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz berufen. Denn der Kläger habe hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs – anders als bei einer Kündigungsschutzklage oder einer Entfristungsklage – keine gesetzliche Ausschlussfrist zu beachten. Es sei daher seine freie Entscheidung gewesen, anstelle einer Klage auf Vergütung eine Klage auf tatsächliche Beschäftigung zu erheben. Aus diesem Grunde würden dem Kläger bei bloßer Erhebung der Vergütungsklage auch keine zusätzlichen Kosten auferlegt.

Schließlich stellt das BAG fest, dass durch die nicht erfolgte Erteilung einer Lohnabrechnung der Beginn der Ausschlussfrist nicht nach hinten verschoben worden sei. Denn die Erteilung einer Lohnabrechnung habe nur dann Einfluss auf den Beginn einer Ausschlussfrist, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche nicht ohne Abrechnung der Gegenseite erkennen könne. Dies sei vorliegend auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei der Berechnung der Vergütungsansprüche bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall nicht der Fall.

IV. Praxishinweis

Das BAG zeigt mit der vorliegenden Entscheidung seine grundsätzliche Tendenz auf, originäre tarifliche Ausschlussfristen nicht mehr als nötig zu beschränken. Dies zeigt auch die vom BAG nicht weiter thematisierte Länge der Fristen, die als einzelvertragliche Regelung an der AGB- Kontrolle scheitern würde, denn hierbei müssten die Ausschlussfristen auf beiden Stufen jeweils mindestens 3 Monate betragen.

Überraschend ist die Entscheidung allerdings vor dem Hintergrund, dass für die gerichtliche Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs auf der 2. Stufe die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ausreichend ist, um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes hinreichend Rechnung zu tragen und dem Arbeitnehmer kein über­steigertes Kostenrisiko aufzuerlegen (BAG, Urt. v. 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 – Rechtsprechungs­änderung nach der Entscheidung des BVerfG vom 1. Dezember 2010, 1 BvR 1682/07). Der Arbeitgeber könne in einem solchen Fall nicht an der Ernstlichkeit der Geltendmachung der hiervon abhängigen Vergütungs­ansprüche zweifeln und sich schon mit Erhebung der Klage auf die vom Ausgang dieser Streitigkeit abhängigen Forderungen einstellen. Diese Argumentation wäre auf die Wahrung der 2. Stufe einer Ausschlussfrist durch eine Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung übertragbar. Das BAG ist diesen Schritt jedoch nicht gegangen und hat darauf abgestellt, dass bei der Beschäftigungsklage keine gesetzliche Ausschlussfrist gewahrt werden müsse.

Berücksichtigt man, dass auch der allgemeine Beschäftigungsanspruch nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG unmittelbar aus den Grundrechten abgeleitet wird und dass sich das Kostenrisiko des Arbeitnehmers ebenfalls erhöht, wenn er Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung und auf Vergütung wegen Annahmeverzugs erhebt, so bleibt offen, ob mit dieser Entscheidung verfassungsrechtlich das letzte Wort gesprochen ist.

Bundesarbeitsgerichts (BAG), Urteil vom 19. November 2014 (5 AZR 121/13)


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