18.03.2016 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Bei der Prüfung der 10-Prozent-Grenze, ob zur Anwendung der sog. Zinsschranke eine "schädliche" Gesellschafter-Fremdfinanzierung i.S. des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 vorliegt (Rückausnahme zum sog. Eigenkapital- und Konzernvergleich des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung), sind Vergütungen für Fremdkapital der einzelnen qualifiziert beteiligten Gesellschafter nicht zusammenzurechnen (gegen BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008, BStBl I 2008, 718, Rz 82 Satz 2).
Die im Jahre 2011 errichtete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist als übernehmender Rechtsträger nach Maßgabe eines Verschmelzungsvertrags vom ... 2012 mit der B GmbH verschmolzen worden. An der B GmbH waren im Streitjahr beteiligt:
F | 125.000 € |
G | 62.500 € |
H | 2.500 € |
I L.P. | 465.700 € (37,26 %) |
I GmbH & Co. KG | 414.200 € (33,14 %) |
I Coinvest GmbH & Co. KG | 120.000 € |
ab 3. Juli 2008 zusätzlich: | |
J GmbH & Co. KG | 42.900 € |
K | 44.150 € |
L | 37.950 € |
Summe | 125.000 € |
ab 3. Dezember 2008 zusätzlich: | |
M | 12.500 € |
Summe insgesamt | 1.387.500 € |
Damit waren an der B GmbH während des gesamten Streitjahrs zu über 25 % beteiligt die I L.P. (37,26 % bis 33,56 %) und die I GmbH & Co. KG (33,14 % bis 29,85 %).
Im Jahr 2007 schloss die B GmbH als Organträgerin einen Ergebnisabführungsvertrag mit ihrer Tochtergesellschaft N GmbH als Organgesellschaft mit Wirkung ab 1.1.2008 ab. Die N GmbH verschmolz als übernehmender Rechtsträger in 2008 mit der Tochtergesellschaft der B GmbH, der O AG. Die B GmbH war im Streitjahr darüber hinaus an drei ausländischen Gesellschaften zu je 100 % beteiligt.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr erklärte die B GmbH unter Ansatz von Vergütungen für Fremdkapital in Höhe von 3.745.795 € einen Jahresfehlbetrag von 140.737 €; Zinsen für Gesellschafter-Darlehen beliefen sich auf 1.084.383 €, wovon 398.008 € auf I L.P. und 353.918 € auf I GmbH & Co. KG entfielen.
Aus einem zum 31.12.2007 erstellten Teilkonzernabschluss der B GmbH einschließlich der N GmbH (Organkreis) ergab sich bei einer Bilanzsumme von 61.356.645 € ein Eigenkapital von 6.447.273 € und damit eine Eigenkapitalquote von 10,5 %. Der Konzernabschluss zum 31.12.2007 wies bei einer Bilanzsumme von 59.448.516 € ein Eigenkapital von 4.475.096 € und damit eine Eigenkapitalquote von 7,53 % aus. Daraus folgerte die B GmbH, die sog. Zinsschranke sei wegen § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.F. nicht anzuwenden. Die Rückausnahme des § 8a Abs. 3 KStG 2002 n.F. sei nicht erfüllt: Der Gesamtzinssaldo i.S. des § 4h EStG 2002 n.F. der Organschaft belaufe sich auf 4.043.860 €, im Einzelnen:
Zinsaufwand Organträger | 3.745.795 € |
Zinsertrag Organträger | 0 € |
Zinsaufwand Organgesellschaft | 336.965 € |
Zinsertrag Organgesellschaft | - 38.900 € |
4.043.860 € |
und die Grenze von 10 % i.S. des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. werde bezogen auf den (höchsten) Zinsanteil aller wesentlich Beteiligten (hier: die Fondsgesellschaft I L.P. - 398.008 €) nicht überschritten; eine Zusammenrechnung der Zinsaufwendungen an mehrere Beteiligte sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die B GmbH begehrte nach dem Inhalt der Körperschaftsteuererklärung die Festsetzung einer Körperschaftsteuer für 2008 von 0 € und die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2008 von 3.055.955 €.
Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags hingegen nicht abziehbare Zinsen von 2.697.826 €, im Einzelnen:
Summe der Zinsaufwendungen | 4.082.760 € |
Jahresergebnis | - 140.737 € |
zzgl. Gewerbesteuer | 165.000 € |
zzgl. Abschreibungen | 548.324 € |
zzgl. Zinsaufwand | 4.082.760 € |
abzgl. Zinsertrag | - 38.900 € |
Summe | 4.616.447 € |
davon 30 % abziehbar | 1.384.934 € |
Differenz = nicht abziehbar | 2.697.826 € |
Die dagegen erhobene Klage blieb weitgehend erfolglos; das FG setzte in seinem Urteil vom 11. Juli 2013 6 K 226/11 (EFG 2013, 1790) die Körperschaftsteuer herab (Verminderung der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen um 38.900 €) und stellte den Verlustvortrag entsprechend fest.
Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der Klage wird stattgegeben (BFH Urteil vom 11.11.2015, I R 57/13). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der sog. Zinsschranke gemäß § 4h Abs. 1 und 2 EStG 2002 n.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a Abs. 1 KStG 2002 n.F. vorliegen. Denn die Klägerin kann sich auf die tatbestandliche Ausnahme des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.F. berufen: Auf an ihr qualifiziert (über 25 %) beteiligte Gläubiger der Fremdkapitalvergütungen entfallen nicht mehr als 10 % ihrer die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen, sodass die Rückausnahme des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. nicht erfüllt ist.
Die Rechtsfolge der sog. Zinsschranke tritt allerdings nicht ein, da sich die Klägerin auf § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.F. berufen kann. Die Voraussetzungen des sog. Eigenkapital- und Konzernvergleichs sind im Streitfall erfüllt. Die Anwendung ist auch nicht nach § 8a Abs. 3 KStG 2002 n.F. ausgeschlossen. Die Vergütungen für Fremdkapital an die im gesamten Streitjahr wesentlich beteiligten I L.P. und I GmbH & Co. KG stellen zwar Gesellschafterfremdfinanzierungen i.S. des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. dar. Die Zinsaufwendungen im Rahmen dieser Gesellschafterfremdfinanzierungen überstiegen mit jeweils 398.008 € bzw. 353.918 € aber nicht die Grenze von 10 % des negativen Zinssaldos (404.386 €). Nach § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. ist § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.F. nur anzuwenden, "wenn die Vergütungen für Fremdkapital der Körperschaft ... an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Kapital beteiligten Gesellschafter einer konzernzugehörigen Gesellschaft, eine diesem nahe stehende Person ... oder einen Dritten, der auf den ... Gesellschafter oder eine diesem nahe stehende Person zurückgreifen kann, nicht mehr als 10 Prozent der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen ... betragen und die Körperschaft dies nachweist", und wenn es sich bei einer Gesellschafterfremdfinanzierung um in der Konzernbilanz ausgewiesene Verbindlichkeiten handelt. Die Entlastung durch § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.F. steht daher nur für jene Kapitalgesellschaften offen, die nachweisen, dass ihre Fremdkapitalvergütungen zu mindestens 90 % des negativen Zinssaldos an nicht qualifiziert beteiligte Gesellschafter fließen. Insoweit unterstellt der Gesetzgeber den qualifiziert beteiligten Gesellschaftern aufgrund des Umfangs der kapitalmäßigen Beteiligung an der Körperschaft einen maßgebenden Einfluss auf die Finanzierungsverhältnisse des Unternehmens.
Aus dem Regelungswortlaut des Satzes 1 ("... an einen ... Gesellschafter ...") wird teilweise abgeleitet, dass jeder qualifiziert Beteiligte (ggf. unter zusammenfassender Betrachtung mit diesem nahestehenden Personen und auf diesen rückgriffsberechtigten Dritten) im Sinne der Vorschrift isoliert betrachtet werden muss, d.h. die Zinssaldo-Grenze auf jeden Gesellschafter getrennt angewendet wird, was im Ergebnis den Anwendungsbereich der belastenden Rückausnahme des § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. einschränkt.
Der erkennende Senat folgt angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts dieser Auslegung. Der Regelungswortlaut ist im Sinne einer auf den einzelnen Gesellschafter bezogenen Sicht eindeutig ("an einen Gesellschafter"). Der Gesetzgeber hat den Gesichtspunkt einer Gesamtbetrachtung mehrerer Gesellschafter im Wortlaut nicht angelegt. Dazu hätte aber Anlass bestanden, was z.B. mit Blick auf die Beteiligungsquote die Vorgängerregelung des § 8a Abs. 3 Satz 2, 3 KStG 2002 i.d.F. vor dem Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 belegt. Auch in anderen Sachzusammenhängen werden vom Gesetzgeber Regelungen, die eine Gesamtbetrachtung für betriebsbezogene Merkmale anweisen, eindeutig formuliert.
Das FG hat demnach unzutreffend den Eigenkapital- und Konzernvergleich in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG 2002 n.F. aufgrund der Rückausnahme nach § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. unangewendet gelassen und bei der Einkommensermittlung nicht abziehbaren Zinsaufwand berücksichtigt.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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