10.04.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der am 10.6.2016 verstorbenen Frau X, die in einem bis zum 31.7.2005 gepachteten Gebäude ein Bordell betrieben und dazu Räume an Prostituierte überlassen hat. Nachdem die Klägerin ausschließlich Umsätze aus Zimmervermietung erklärte, gelangte das FA zu der Rechtsauffassung, die Klägerin habe sämtliche Dienstleistungen erbracht und schätzte weitere Umsätze hinzu, sodass sich insgesamt (einschließlich der als Vermietungsleistung erklärter Umsätze) ein täglicher Umsatz in den Streitjahren 2004 und 2005 von 90 EUR pro Prostituierter ergab.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Maßgeblich sei, ob die Klägerin lediglich Zimmer an die Prostituierten vermietete oder ob sie aus der Sicht der Kunden als diejenige aufgetreten sei, die über die Zimmervermietung hinaus das Bordell organisiert habe. Nach Würdigung der Gesamtumstände gelangte das FG zu dem Ergebnis, dass dies der Fall sei.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet (BFH-Beschluss vom 7.2.2017, V B 48/16). Nach der Rechtsprechung des EuGH sowie des BFH liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vor, wenn dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre es dessen Eigentümer.
Die entgeltliche Überlassung von Räumen ist aber dann keine Vermietungsleistung mehr, wenn die Überlassung der Zimmer wegen darüber hinausgehender weiterer Leistungen ein anderes Gepräge erhält. Dies ist der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Vermietung eines Grundstücks oder von Grundstücksteilen durch andere wesentliche Leistungen überlagert wird und die Zimmervermietung nur vorgeschoben ist. Denn maßgebend bei einem Leistungsaustausch ist der objektive Inhalt des Vorgangs und nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihm geben.
So kann trotz Bezeichnung der Beteiligten als Vermietungsverhältnis nach dem objektiven Inhalt eine sonstige Leistung des Bordellinhabers anzunehmen sein, wenn dieser nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und Unterbringung das Bordell betreibt. Hierbei ist es unerheblich, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen oder als Subunternehmerinnen anzusehen sind. Von diesen Grundsätzen ist auch das FG im Rahmen einer tatsächlichen Würdigung ausgegangen.
Weiteren Klärungsbedarf hat die Klägerin nicht dargetan, wenn sie ausführt, dass von der bisherigen Rechtsprechung die Regelungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 --ProstG-- (BGBl I 2001, 3983) nicht berücksichtigt worden sei. Hieraus ergibt sich keine weitere klärungsbedürftige Rechtsfrage. Während in der älteren Rechtsprechung die Steuerbarkeit der Umsätze trotz der vormals angenommenen Sittenwidrigkeit unter Berufung auf die Regelung des § 40 AO angenommen wurde, führt die Regelung des § 1 ProstG, wonach die Vereinbarung bei einem Rechtsgeschäft über sexuelle Handlungen nach neuerer Rechtslage rechtswirksam ist, nicht zu einem anderen Ergebnis.
Zur vorliegend streitigen Frage, ob die streitbefangenen Umsätze dem Bordellbetreiber oder den Prostituierten zuzurechnen sind, enthält das ProstG keinerlei Regelungen. Geklärt ist auch, dass eine Zimmervermietung in einem Bordell nicht mit der Raumvermietung in einem Einkaufszentrum gleichgestellt werden kann, in dem die Umsätze der einzelnen Geschäfte nicht dem Eigentümer zugerechnet werden können. Denn die Vermietung an Geschäfte verschiedener Branchen in einem Einkaufszentrum erfolgt ausschließlich langfristig und nicht - wie im Streitfall bei einer Kündigungsfrist von drei Tagen - kurzfristig.
Zudem erbringt der Vermieter von Geschäftslokalen innerhalb eines Einkaufszentrums keinerlei weitere wesentliche Organisationsleistungen, die ihn nach der Verkehrsauffassung als Erbringer der Umsätze der völlig unabhängig geführten Einzelhandelsgeschäfte erscheinen lassen, während in einem Bordell gleichartige Leistungen (im Streitfall in 18 Zimmern) erbracht werden. Es stellt auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) dar, wenn demjenigen, dem als Bordellbetreiber wegen seiner Organisationsleistung Umsätze zuzurechnen sind, diese auch zu versteuern hat.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsauffassung der Klägerin die Umsatzzurechnung zum Bordellbetreiber bei Annahme einer Subunternehmerstellung der Prostituierten zu einer Doppelbesteuerung führe. Abgesehen davon, dass eine Doppelbesteuerung nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes in aller Regel wegen des fehlenden Erklärungsverhaltens der Prostituierten und ihres häufigen Wohnortwechsels rein faktisch nicht erfolgt, ist bereits entschieden, dass dem Bordellinhaber im Falle der Beschäftigung von Subunternehmern der Vorsteuerabzug aus Leistungen der Damen zusteht, sofern Rechnungen vorliegen und diese die hierzu erforderlichen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllen.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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