10.01.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst und Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Der Druck zu mehr Nachhaltigkeit trifft jedes Unternehmen, und er kommt aus mehreren Richtungen: Unsere Umwelt verändert sich und erzwingt Anpassungen. Die Märkte reagieren darauf. Und schließlich ertönt auch aus der Gesellschaft immer lauter der Ruf nach anderen Prioritäten. Eine Folge davon sind strengere Regulierungen.
Das Kürzel ESG fasst zusammen, welche Aspekte stärker in den Fokus rücken: Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Mit steigender Bedeutung rücken auch die damit verbundenen Risiken ins Zentrum – und erfordern eine tiefgreifende Neuorientierung.
Nachhaltigkeitsrisiken sind keine Randaspekte, die Unternehmen nebenbei mitbehandeln können, sondern die zentralen Risiken unserer Zeit. Als solche sollten sie unbedingt in der Breite wie auch im Detail in den Blick genommen werden.
Nachhaltigkeitsrisiken sind keine Randaspekte, die Unternehmen nebenbei mitbehandeln können, sondern die zentralen Risiken unserer Zeit. Jedes Unternehmen sollte zunächst identifizieren, von welchen ESG-Risiken es besonders betroffen ist – und dann einen angemessenen Umgang mit ihnen finden. Es geht um die Fragen: Warum sind ESG-Risiken so wichtig? Mit welchem Ansatz sollten sie gemanagt werden? Und welche konkreten Schritte sind nötig?
Die Begriffe „ESG“, „Nachhaltigkeit“ und „Corporate Responsibility“ werden oft synonym verwendet. Viele wichtige Bereiche fallen unter ESG und die damit verbundenen Risiken – hier eine Auswahl:
Nicht alle Risiken sind für die Unternehmen neu und teilweise sind sie bereits im Risikomanagement erfasst. Einige der ESG-Risiken sind über die Branchen hinweg identisch, andere branchenspezifisch. Für ein Chemieunternehmen mit Standorten in Deutschland sind beispielsweise andere Risiken wesentlich als für einen Textilhersteller, der in Asien produzieren lässt. Wen etwa das meist zuvorderst genannte Thema des Klimawandels und seiner Folgen weniger betrifft, der sollte sich nicht in Sicherheit wähnen. Im Zuge einer Materialitätsanalyse können sich andere Risiken als hochrelevant herausstellen.
Die Risikomanagement-Abteilung muss ESG-Risiken in ihre Leitlinien und Methoden integrieren. Unternehmen, die dabei proaktiv vorangehen, können langfristige – eben nachhaltige – Ergebnisse erzielen, die für alle Beteiligten wertsteigernd sind.
Wer aber mit der Adaption zu lange zögert, der schneidet sich nicht nur den Weg zu Investmentquellen und Geschäftsmöglichkeiten ab, sondern wird auch den Ruf seines Unternehmens beschädigen und Anleger, Kunden und andere Stakeholder-Gruppen verärgern.
Die Regulierungsdichte nimmt zu. Ob die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, die Berichte des Weltklimarats, der EU Green Deal oder die Ergebnisse der COP26 in Glasgow – eine Folge solcher Weichenstellungen sind steigende Anforderungen an Unternehmen. Derzeit treibt in der EU unter anderem die Regulatorik rund um die nichtfinanzielle Berichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), die auch Aussagen zum Management von ESG-Risiken umfasst, die Diskussion.
Zurzeit rennen einige Unternehmen den Veränderungen vor allem hinterher – sie behandeln die angesprochenen Themen auf einer Ad-hoc-Basis und versuchen etwa, gestiegene Anforderungen an die Berichterstattung so zu erfüllen, wie sie sich ergeben. Doch das ist zu kurz gesprungen.
Ohne klare Maßgaben und Strukturen fällt es schwer, entsprechende Informationen konsistent, vergleichbar und nachprüfbar zu sammeln – von strategischen Entscheidungen ganz zu schweigen. Wer immer nur reagiert, kommt kaum dazu, neue Wege einzuschlagen.
Statt Veränderungen primär durch die Reporting-Brille zu betrachten, sollten Unternehmen sich grundlegende Fragen stellen:
Da die Herausforderungen global und branchenübergreifend jeden betreffen, muss auch der Ansatz ein ganzheitlicher sein. ESG-Risiken betreffen die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens und alle seine Stakeholder. Entlang der Lieferkette können etwa solche Bereiche relevant sein:
Die Mitarbeiter sind zugleich eine wesentliche Stakeholder-Gruppe. Auch ihre Prioritäten ändern sich. Wer Nachhaltigkeit überzeugend vertritt und kommuniziert, hat einen Wettbewerbsvorteil, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften geht.
Die Palette der betroffenen Interessengruppen, die jedes Unternehmen einbinden sollte, wird größer. Der Druck, den sie machen können, auch. Zu den Stakeholdern zählen auch die folgenden Personengruppen:
Behält man alle Akteure im Blick und bedenkt die jeweiligen ESG-Risiken stets von Anfang an mit, können diese von einer Belastung zum Katalysator werden. Ziel ist es, Nachhaltigkeit gesamthaft zu denken – auf den Ebenen von Strategie, Geschäftsmodell, Aufbauorganisation, Abläufen und so weiter. Wer immer nur reagiert, kann keine neuen Wege einschlagen. Nötig ist ein koordinierter, strategischer Ansatz beim Umgang mit ESG-Risiken. Das geht nur mit Vernetzung statt Silodenken. Um wieder „vor den Ball zu kommen“, brauchen Unternehmen einen koordinierten, strategischen Ansatz beim Umgang mit ESG-Risiken.
Es geht nicht darum, für ESG-Themen ein paralleles Risikomanagement aufzubauen. Sie müssen in die bestehenden Strukturen integriert werden. Das kann anhand von drei Schritten erfolgen:
Die oben erwähnten Stakeholder-Gruppen etwa sind nicht erst dann relevant, wenn Probleme akut werden. Unternehmen sollten Akteure und ihre Erwartungshaltungen konsistent im Blick haben und mit einer Stakeholder-Matrix strukturiert auswerten:
Schon die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen wird oft dadurch erschwert, dass die nötigen Informationen über verschiedenste Standorte und Datenformate verstreut sind.
Beispiel: Gefragt ist ein Bericht über die Diversity der Workforce nach Ländern, Spezialisierungen oder Geschlecht. Wer als dezentralisiertes Unternehmen nun anfangen muss, diese Informationen aus zerstreuten Excel-Tabellen zusammenzusuchen, hat ein Problem.
Für ein integriertes Management und die Berichterstattung von ESG-Risiken ist Folgendes umso wichtiger:
Für all das müssen Prozesse, Kontrollen und Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Dabei kann auf Erfahrungen und Strukturen bestehender interner Kontrollsysteme zurückgegriffen werden.
Neben langfristigem Denken und erweiterten Datenquellen wird im Rahmen dieser erweiterten Herangehensweise auch die Integration von ESG-Risiken in den allgemeinen Risikomanagementprozess wichtig. Ein Unternehmen, das ESG-Risiken strukturiert erfasst und sich Gedanken darüber macht, wie es darauf reagieren könnte, kann weniger von Problemen überrascht und erschüttert werden.
Dazu gehört es auch, im Rahmen der Risikoanalyse eine Vielzahl möglicher Parameter zusammenzubringen – salopp gesagt: alles, was einem Unternehmen auf die Füße fallen könnte. Vom Wasserpegel wichtiger Transportwege bis hin zur Menschenrechtslage an verschiedenen Standorten gibt es viel zu bedenken.
Entscheidend ist es auch hier, nicht erst zu reagieren, wenn Probleme nicht mehr zu übersehen sind, sondern ESG-Risiken planmäßig, rechtzeitig und regelmäßig zu analysieren und entsprechende Kontrollen zu etablieren.
Damit diese Umstellungen funktionieren, sollten intern Kapazitäten und Kompetenzen aufgebaut werden. Die Zeiten, als Unternehmen damit durchkommen konnten, Nachhaltigkeit vor allem Public Relations zu überlassen, sind vorbei.
Im ganzheitlichen Ansatz haben zahlreiche Abteilungen Berührungspunkte: Ob Compliance, Risikomanagement oder Human Resources – die Verzahnung zum Bereich Nachhaltigkeit muss aktiv gesucht, das Zusammenarbeiten definiert und die Integration in bestehende Risikomanagementstrukturen vorangetrieben werden.
Ein gut strukturiertes ESG-Risk-Management erleichtert den unumkehrbaren Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Das schöpft neue Werte für alle Beteiligten, führt langfristig zu einer besseren Performance und steigert den Wert von Unternehmen – für die Anleger, für Gesellschaften und die Welt als Ganzes.
Bild: Alena Kaval (Pexels, Pexels Lizenz)