18.11.2014 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Warth Klein Grant Thornton.
In mittelständischen Unternehmen und Familienunternehmen sind Auslandsaufenthalte der Gesellschafter bzw. der Mitglieder der Unternehmerfamilie heute eine Selbstverständlichkeit. Der Junior studiert in den USA und sammelt dort langfristige Erfahrungen, ein Gesellschafter kümmert sich über mehrere Jahre hinweg um den Aufbau der neuen Dependance in China, ein anderer Gesellschafter betreut längerfristig von Prag aus den Vertrieb in Osteuropa. Wenn der Nachwuchs bzw. die Gesellschafter auch nur mit einem Prozent am Betrieb beteiligt sind, sind nunmehr bei bestimmten Umstrukturierungen stille Reserven aufzudecken, was zu erheblichen Nachforderungen des Finanzamts führen kann. Dies ist die Konsequenz der Verschärfung von § 50i Einkommensteuergesetz (EStG) durch das so genannte Kroatien-Anpassungsgesetz vom 23. Juli 2014. Demnach sind fast alle Umstrukturierungen nach dem neuen § 50i Absatz 2 EStG steuerlich zwangsweise gewinnrealisierend soweit eine Personengesellschaft im Sinne dieser Norm gegeben und von der Umstrukturierung betroffen ist und soweit im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Ausland ansässige Personen an der betroffenen Personengesellschaft beteiligt sind. Die Vorschrift ist von unmittelbarer Relevanz insbesondere für Familienunternehmen in Deutschland. Wir informieren Sie über Einzelheiten.
Fälle, in denen Unternehmer ihren Wohnsitz dauerhaft von Deutschland ins Ausland verlegt haben, gab es schon immer. Diese Konstellationen wurden bis 2013 von der so genannten Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 Außensteuergesetz erfasst. Demnach gilt: Verlegt ein Steuerzahler, der insgesamt mindestens zehn Jahre in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hat, seinen Wohnsitz ins Ausland, werden die stillen Reserven in sämtlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften, an denen der Steuerpflichtige in den vergangenen fünf Jahren zu mindestens einem Prozent beteiligt war bzw. ist, besteuert, soweit er im Zeitpunkt des Wegzuges noch Anteile hält. Die Steuer kann auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen in fünf Jahresraten bezahlt werden. In der Praxis wurde darauf oft mit folgender Gestaltung reagiert: Die Firmenanteile wurden vor Wegzug eines Gesellschafters in eine Personengesellschaft eingebracht. Diese Personengesellschaften waren in der Regel nicht aktiv unternehmerisch tätig, sondern lediglich gewerblich "geprägt" oder "infiziert". Bei einer Anteilsveräußerung waren Veräußerungsgewinne bis 2013 in Deutschland somit steuerverhaftet. Auch erfolgte keine Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Absatz 1 Satz 3, 4 EStG, da Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht zustand. Folglich wurden also die stillen Reserven nicht aufgedeckt. Im Ergebnis kam es so zu einer Stundung der Steuer auf die stillen Reserven, gleichwohl behielt Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht eben an diesen stillen Reserven, sodass eine künftige Besteuerung sichergestellt war.
In den Jahren 2010 und 2011 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) Gelegenheit, seine Sicht der Dinge darzulegen. Das höchste deutsche Finanzgericht gab Steuerzahlern Recht, die forderten, einen Veräußerungsgewinn trotz gewerblicher Prägung einer deutschen Holdinggesellschaft von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Sie waren der Auffassung, dass die einschlägigen DBA eine gewerbliche Prägung nicht vorsehen und der Veräußerungsgewinn somit als sonstiger Gewinn nach DBA im Sitzstaat des Gesellschafters zu versteuern sei. Der BFH folgte dieser Sichtweise und forderte eine originäre gewerbliche Tätigkeit der Holding-Personengesellschaft (beispielsweise Urteil vom 28. April 2010, Aktenzeichen I R 81/09), damit das deutsche Besteuerungsrecht an den Kapitalgesellschaftsanteilen aufrechterhalten werden könnte Anderenfalls verliere, so der BFH, Deutschland bei einem Wegzug des Gesellschafters das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile.
Auf diese Rechtsprechung reagierte der Gesetzgeber am 29. Juni 2013 mit Einführung des § 50i EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. Mit dieser Neuregelung sollte das deutsche Besteuerungsrecht in Wegzugsfällen und in anderen Konstellationen sichergestellt werden, in denen eine Entstrickung ursprünglich über als gewerblich fingierte Personengesellschaften vermieden wurde. Im Zuge des neueingefügten § 50i EStG sind spätere Veräußerungs- oder Entnahmegewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 17 EStG oder anderen Wirtschaftsgütern, die steuerneutral in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft nach § 15 Absatz 3 EStG (gewerblich geprägte oder infizierte Personengesellschaft) übertragen oder überführt worden sind, ungeachtet eines DBA in Deutschland zu besteuern.
Die Neuregelung ließ in Altfällen jedoch die Möglichkeit von steuerfreien Entstrickungen zu. Hierüber wurde beispielsweise in der FAZ vom 19. März 2014 unter dem Stichwort "Porsche-Modell" berichtet. Hierauf hat nun der deutsche Gesetzgeber durch eine Verschärfung des § 50i EStG durch das Kroatien-Anpassungsgesetz reagiert. Die Neuregelung soll Umgehungen des § 50i EStG nach vollzogenem Wegzug ins Ausland verhindern und ist umfassend angelegt. Danach sollen sämtliche Übertragungen der Anteile des im Ausland lebenden Gesellschafters zu einer Versteuerung in Deutschland führen können. So sind beispielsweise diesbezügliche Umwandlungen und Einbringungen gemäß § 1 Umwandlungsteuergesetz sowie Transaktionen gemäß § 6 Absatz 3 und 5 EStG (Mitunternehmeranteil einschließlich Sonderbetriebsvermögen), auch Strukturumwandungen und Betriebsaufspaltungen bezogen auf die vermögensverwaltende Personengesellschaft nur noch zum gemeinen Wert möglich. Selbst ein Strukturwandel der deutschen Holding von einer gewerblich tätigen Personengesellschaft in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft kann künftig eine Besteuerung der nicht realisierten Gewinne in den Anteilen des Auslandsgesellschafters auslösen. Es müssen also sämtliche stille Reserven anlässlich der Umstrukturierung aufgedeckt und ertragsversteuert werden. Anwendung findet diese Neuregelung für Umwandlungen, Einbringungen, Übertragungen oder Überführungen sowie für einen Strukturwandel nach dem 31. Dezember 2013.
Mit dem Blick auf einen Einzelfall hat der Gesetzgeber zum Rundumschlag ausgeholt und ein erhebliches Risiko für mittelständische Unternehmen und Familienunternehmen geschaffen, über dessen Tragweite sich viele Betroffene gar nicht im Klaren sein dürften. Bei einem Wegzug ins Ausland droht dem Steuerpflichtigen nunmehr eine hohe und ungeplante Schlussbesteuerung von stillen Reserven durch Entstrickung. Es ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung diese Fälle in Betriebsprüfungen aufgreifen wird. Betroffene Unternehmen sollten jetzt unbedingt prüfen, ob es Altfälle gibt, die von der Ausweitung des § 50i erfasst werden. Für die Zukunft stehen insbesondere Familienunternehmen vor der Herausforderung, dass an Gestaltungen zur Vermeidung einer Entstrickungsbesteuerung in Wegzugsfällen sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Warth & Klein Grant Thornton steht Ihnen als Ansprechpartner zu allen Fragen rund um § 50i EStG gerne zur Verfügung.
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