11.06.2018 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: PricewaterhouseCoopers AG.
Damit entwickelt sich für knapp 60 Prozent der deutschen Familienunternehmen und Mittelständler der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zum größten Wachstumsrisiko. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt liegt dieser Wert nur bei 43 Prozent. Entsprechend bewerten knapp 70 Prozent der deutschen Unternehmen die Suche nach neuen Mitarbeitern als „schwer“ oder „eher schwer“. Das ist Ergebnis des „European Private Business Survey“, einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, für die rund 2.450 Verantwortliche aus Familienunternehmen und mittelständischen Gesellschaften in 31 europäischen Ländern (EU plus Norwegen, Schweiz und Türkei) befragt wurden. Aus Deutschland haben 371 Unternehmen an der Befragung teilgenommen.
Der Fachkräftemangel trifft die deutschen Familienunternehmen und Mittelständler auch deshalb hart, weil die Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte für 37 Prozent der befragten Unternehmen eine zentrale Wachstumsstrategie ist, rund 70 Prozent der Befragten sich bei der Suche nach ihnen aber schwertun. Eine Ursache sehen die Unternehmen im deutschen Bildungswesen: Es bringt offenbar nicht die Arbeitskräfte hervor, die sich Arbeitgeber wünschen. So sind 35 Prozent unzufrieden mit dem deutschen Bildungssystem – weit mehr als Befragte aus der Schweiz (1 Prozent), Dänemark (17 Prozent) oder Österreich (21 Prozent).
„Der Mangel an Top-Talenten ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für den Mittelstand. Er braucht sie dringend, um seine Innovationskraft zu stärken und die Digitalisierung voranzutreiben. Hier sehe ich das Schul- und Hochschulsystem und damit die Politik in der Pflicht: Neue Technologien sollten schleunigst Teil der Lehrpläne werden. Sonst läuft Deutschland Gefahr, den Anschluss zu verlieren.“ – Dr. Peter Bartels, Vorstand für Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC Europe
Auf dem zweiten Platz der größten Wachstumsrisiken für die Unternehmensentwicklung landen die bürokratischen Belastungen – und zwar sowohl innerhalb Deutschlands, als auch auf EU-Ebene. 46 und 45 Prozent erleben diese als erdrückend. „Gerade für mittelständische Unternehmen ist die zunehmende Regelungsdichte ein zentrales Problem. Im Gegensatz zu börsennotierten Konzernen kann sich der Mittelstand große Abteilungen und Stäbe nicht leisten, um betriebliche Strukturen an neue Gesetze anzupassen“, erklärt Peter Bartels. „Umsetzungen wie die der Datenschutzgrundverordnung sind für den Mittelstand ein Kraftakt. Dazu kommt, dass er sich schwerer damit tut, seine Interessen auf politischer Ebene zu artikulieren.“
Bemerkenswert ist, dass die deutschen Werte erheblich vom EU-Durchschnitt abweichen. Hier gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen der Kritik an inländischer Regulierung (rund 39 Prozent) und den EU-Vorschriften mit knapp 29 Prozent. Offensichtlich teilen viele Unternehmer die Kritik der populistischen und EU-kritischen Parteien an der überbordenden EU-Bürokratie aus Brüssel nicht. Selbst im Brexit-Land Großbritannien und in Italien wird die nationale Regulierung mit 35 und 49 Prozent für ein deutlich höheres Risiko gehalten als die europäische (25 bzw. 20 Prozent). Ganz besonders leiden unter ihrer nationalen Bürokratie übrigens Rumänien und Griechenland, wo 80 und 71 Prozent der Befragten die inländische Regulierung für eine Wachstumsbremse halten.
Risikopotenzial birgt zudem die hohe Unzufriedenheit mit dem stockenden Breitbandausbau in Deutschland, den 44 Prozent bemängeln und der auf Platz 1 der Kritikpunkte im Hinblick auf die Infrastruktur landet. Zum Vergleich: Bei den EU 31 liegt die Unzufriedenheit mit der digitalen Infrastruktur nur bei knapp 26 Prozent. „Leistungsfähige Breitbandnetze für schnelles Internet sind in anderen europäischen Ländern längst Standard. Ich halte es für geradezu fahrlässig, wenn die Regierung einer starken Industrienation wie Deutschland nicht endlich nachzieht und flächendeckend schnelles Internet schafft – ebenso wie eine ausreichende Zahl an Fachkräften ist das eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum, Denn das wird ganz wesentlich von der Digitalisierung getrieben“, fordert Uwe Rittmann, der bei PwC Deutschland den Bereich Familienunternehmen und Mittelstand leitet.
Das haben die Studienteilnehmer allerdings noch nicht durchgehend erkannt. Die Digitalisierung landet als zentrale Wachstumsstrategie mit 38 Prozent Zustimmung nur auf dem dritten Platz – nach der Erweiterung des Produkt- und Leistungsportfolios (43 Prozent) und dem inländischen Umsatzwachstum (40 Prozent). „Unternehmen schöpfen das Potenzial der Digitalen Transformation nur dann richtig aus, wenn sie ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen und grundlegend neue Geschäftsfelder entwickeln“, warnt Uwe Rittmann. „Sie müssen die Digitalisierung ganzheitlich betrachten. Es reicht nicht, bestehende Produkte zu optimieren oder um neue Services zu ergänzen.“ Im Ländervergleich zeigt sich, dass einige europäische Nationen der Digitalisierung eine weitaus größere Bedeutung beimessen: darunter die Nachbarländer Österreich (45 Prozent), die Schweiz (47 Prozent) und die Niederlande mit 52 Prozent.
Insgesamt bewerten die deutschen Unternehmen ihre eigene wirtschaftliche Lage positiv. 62 Prozent beurteilen sie als „gut“, 36 Prozent als „eher gut“. Blicken die Unternehmen aber auf die kommenden zwölf Monate, kühlt sich die optimistische Einschätzung etwas ab – auch im Vergleich zu den anderen EU-Ländern. So gehen nur 59 Prozent von einer Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Lage aus (EU-Durchschnitt: 65 Prozent). Beim Blick auf das weltweite Wirtschaftsklima fällt die deutsche Einschätzung sogar erheblich pessimistischer aus: 3o Prozent rechnen mit einer Verschlechterung, über alle 31 befragten Länder hinweg liegt dieser Wert nur bei 19 Prozent. In diesem Punkt dürften sich die aktuell politisch unsichere Lage in vielen Ländern, die protektionistischen Tendenzen in der US-Handelspolitik und die zunehmend populistischen Strömungen in der EU bemerkbar machen. Apropos EU: Wie stehen Europas Unternehmen zum Brexit? Hier herrscht große Einigkeit – und Sorglosigkeit. In Deutschland und EU-weit sieht das Gros der Befragten dem EU-Austritt Großbritanniens mit jeweils rund 68 Prozent neutral entgegen. Stärkere Abweichungen gibt es allenfalls in Finnland und Schweden, wo 75 und 59 Prozent eher mit negativen Auswirkungen des Brexit rechnen. Mit positiven Konsequenzen rechnen wenige – mit den meisten die Briten selbst (23 Prozent) sowie die Türkei mit 15 und Rumänien mit 14 Prozent.
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