13.01.2015 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Gemeinde X, die 2008 in die Stadt Y (Klägerin) eingemeindet wurde, führt jährlich im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art an einem Wochenende im September ein Dorffest durch. In den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) schloss sie hierzu als Veranstalterin mit auftretenden Musikgruppen Konzert-, Engagement- bzw. Honorarverträge ab. In den Verträgen waren die Vergütung, die Auftrittszeiten und der jeweilige Auftrittsort (Festzelt, Festwiese oder Festplatz) festgelegt. Bei der Ausgestaltung und Darbietung ihres Programms waren die engagierten Künstler frei. Die Gemeinde sorgte für den Veranstaltungsraum mit Bühne sowie den erforderlichen Strom, unentgeltliche Verpflegung, kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten, den Erwerb der Schankerlaubnis und eine Sperrzeitverkürzung.
Ferner erwarb sie GEMA-Rechte, stellte Aufbauhelfer zur Verfügung und organisierte die Plakatierung. Gegenüber den Besuchern des Dorffestes trat sie als Gesamtveranstalterin auf eigene Rechnung auf und erzielte Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten, die zum Besuch des komplett angebotenen Programms berechtigten. Die Eintrittskarten gab es in der Form von Tageskarten für den Freitag bzw. Samstag oder als Dauerkarten für beide Tage. An Sonntagen wurde kein Eintrittsentgelt erhoben. Neben Vorführungen örtlicher Vereine und Fahrgeschäften wurden in den Streitjahren jeweils von Freitag bis Sonntag Musik auf der Festwiese und Live-Musikveranstaltungen im Festzelt geboten. Das Fest begann regelmäßig mit einem Lampionumzug am Freitagabend vom Kirchplatz zum Festplatz. Dort fand ein Unterhaltungsprogramm statt (z.B. Feuershow, Cheerleader). Um 21:00 Uhr erfolgte der Bieranstich im großen Festzelt unter musikalischer Beteiligung der engagierten Musikkapellen. Im kleinen Zelt wurden Discoveranstaltungen durchgeführt. Ähnlich verlief das Fest am Samstag ab 13:00 Uhr mit dem Aufstellen des Festbaumes, einem Kinderprogramm, diversen Darbietungen von Vereinen und begleitender Musik durch eine Kapelle. Für den Samstagabend war jeweils eine überregional bekannte Musikgruppe engagiert, die für Stimmung im großen Festzelt sorgte, während im kleinen Zelt Discomusik geboten wurde.
Das FA unterwarf die vereinnahmten Eintrittsgelder für den Besuch des Dorffestes entsprechend den eingereichten Umsatzsteuererklärungen gemäß § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz von 19 %. Nach einer Umsatzsteuerprüfung ergingen am 5. Mai 2011 für die Streitjahre (geringfügig) geänderte Steuerbescheide, die gemäß § 164 Abs. 2 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Mit Schreiben vom 15. Juni 2011 beantragte die Klägerin unter Berufung auf ein Urteil des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13. April 2010 5 K 7215/06 B, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2010, 2039) die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 UStG von 7 % auf die vereinnahmten Eintrittsgelder. Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 lehnte das FA den Änderungsantrag ab. Die dagegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 30. August 2011). Das FG wies die Klage ab. Die Anwendung des u.a. für Eintrittsberechtigungen für Konzerte geltenden § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG scheide aus, weil die musikalischen Darbietungen auf dem Dorffest nicht als dessen Hauptzweck angesehen werden könnten. Das Urteil des FG ist in EFG 2013, 249 veröffentlicht.
Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 5.11.2014, XI R 42/12). Das FG hat zu Unrecht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die von der Gemeinde X im Rahmen eines Dorffestes erbrachten Leistungen verneint. Das FG ist (stillschweigend) davon ausgegangen, dass die Gemeinde X als juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Organisation und Durchführung des Dorffestes einschließlich der auf privatrechtlicher Grundlage verlangten und vereinnahmten Eintrittsgelder i.S. von § 2 Abs. 3 UStG unternehmerisch tätig geworden ist. Dies ist zutreffend und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die von der Gemeinde X erbrachten Leistungen dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegen und nicht die Voraussetzungen eines der in § 12 Abs. 2 UStG genannten Steuerermäßigungstatbestände erfüllen. Dabei kann der Senat offenlassen, ob diese Leistungen (zumindest zum Teil) nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, denn im Streitfall sind jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG gegeben. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Gemäß § 30 UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die danach erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Denn die von der Gemeinde X erbrachten Leistungen waren Eintrittsberechtigungen für die in § 30 UStDV genannten Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen. Entgegen der Auffassung des FG können die Umsätze der Gemeinde X nicht als bloße organisatorische Leistungen angesehen werden, die nicht von der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG erfasst werden. Denn die Gemeinde X hat zwar auch für die auf dem Dorffest auftretenden Musikgruppen, Schausteller usw. Organisationsleistungen erbracht. Im Streitfall geht es aber um Leistungen, die Besucher der Veranstaltungen als Leistungsempfänger gegen Entgelt (Eintrittsgelder) unmittelbar von der Gemeinde X bezogen haben.
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