09.02.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die A-KG (KG) war Eigentümer eines mit einem Gewerbegebäude bebauten Grundstücks (Grundstück), das zum Teil vermietet war und im Übrigen leer stand. Die KG beabsichtigte, das Grundstück zu veräußern. Der Kaufinteressent wollte das Objekt nur unter der Bedingung erwerben, dass ein bestimmter Anteil der Leerstandsfläche zusätzlich für einen Zeitraum von fünf Jahren vermietet wurde. Die KG und die Klägerin, eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH, vereinbarten daher am 19.2.2007, dass die Klägerin "unmittelbar gegenüber dem Käufer des Grundstücks" Mieterverpflichtungen gemäß dem Entwurf eines Mietvertrages übernehmen sollte.
Für die Übernahme dieser Mieterverpflichtung sollte die Klägerin von der KG eine einmalige Vergütung in Höhe von 900.000 € erhalten. Der Betrag war nach Eingang des Grundstückskaufpreises bei der KG zu zahlen. Die KG und Klägerin schlossen noch am selben Tag den Mietvertrag ab. Das Mietverhältnis sollte am 1.4.2007 beginnen und fünf Jahre dauern. Die Monatsmiete betrug 15.000 € zuzüglich Umsatzsteuer. Unter Berücksichtigung von Betriebs- und Nebenkostenvorauszahlungen belief sich der monatliche Gesamtmietzins auf 23.737,53 € (darin enthalten Umsatzsteuer in Höhe von 3.790,03 €).
Die KG veräußerte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 19.2.2007 an den Erwerber. Der Erwerber trat in das zwischen der Klägerin und der KG begründete Mietverhältnis ein. Die Klägerin erhielt im Streitjahr 2007 von der KG die vereinbarte Vergütung von 900.000 € und legte den Betrag als Festgeld bei einer Bank an, die die vertraglich vorgesehene Bürgschaft zugunsten des Vermieters ausreichte. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 19.2.2007 eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung erbracht habe. Das FA erhöhte die zum Regelsteuersatz steuerpflichtigen Umsätze um das sich aus der Gegenleistung von 900.000 € errechnete Entgelt von 756.303 € und die Umsatzsteuer um 143.697 €.
Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg. Nach dem in EFG 2016, 1112 veröffentlichten Urteil des FG erbrachte die Klägerin eine steuerbare Leistung.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (BFH Urteil vom 30.11.2016, V R 18/16). Der Senat hat bereits Zweifel, ob die durch die Klägerin erbrachte Leistung überhaupt steuerbar ist. Sie ist jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG erfasst nach der Rechtsprechung des BFH z.B. die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie. Steuerfrei ist auch der steuerbare Verzicht auf eine Mietgarantie, wenn die Einräumung der Mietgarantie nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei ist oder (bei Entgeltlichkeit) steuerfrei wäre.
Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Steuerfrei ist danach die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber. Diese Steuerfreiheit bezieht sich auf Finanzdienstleistungen. Hierzu gehört nicht die Übernahme der Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, da es sich der Art nach nicht um ein Finanzgeschäft handelt. Der EuGH hat dies insbesondere damit begründet, dass die Befreiung von Finanzgeschäften bezwecke, Schwierigkeiten zu beseitigen, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage verbunden sind. Der Begriff der "Übernahme von Verbindlichkeiten" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG schließt somit andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, von der Steuerfreiheit aus.
Zudem ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und definiert die danach steuerfreien Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung. Im Streitfall hat die Klägerin eine steuerfreie Leistung erbracht. Verpflichtet sich der Unternehmer gegen Entgelt, als Mieter ein Mietverhältnis einzugehen, ist die Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei. Gegenstand der von der Klägerin aufgrund des Vertrages vom 19.2.2007 erbrachten Leistung ist es, ein Mietverhältnis als Mieter einzugehen. Die Klägerin wurde hierdurch gemäß § 535 Abs. 2 BGB als Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Mit ihrer Leistung gegen Entgelt, einen Mietvertrag als Mieter abzuschließen, hat die Klägerin somit i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG eine Verbindlichkeit begründet und entsprechend der EuGH-Rechtsprechung eine Geldverbindlichkeit übernommen. Sie unterscheidet sich von den durch ihre Erfüllung begründeten Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag.
Da sich die Steuerfreiheit bei richtlinienkonformer Auslegung nach Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert, kommt es nicht darauf an, ob der Leistende eine bereits bestehende Verbindlichkeit übernimmt oder erstmals eine Verbindlichkeit begründet. Eine Einschränkung dergestalt, dass es sich um die Leistung an eine Person handeln muss, zu deren Lasten bereits eine Verpflichtung besteht, ist auch bei enger Auslegung des Befreiungstatbestands nicht erforderlich und würde zu einem Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip führen. Somit ist nicht danach zu differenzieren, ob die Klägerin die Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung der Klägerin ist daher ebenso steuerfrei, wie wenn der Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit einem Dritten geschlossen hätte und sich die Klägerin zur Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte.
Zudem sprechen auch die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für eine Steuerfreiheit. Denn im Streitfall hat die Klägerin für die Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses eine Zahlung in Höhe der von ihr aus dem Mietverhältnis insgesamt geschuldeten Nettomieten erhalten. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt ihr Vorteil mithin darin, dass sie Mieten über eine Laufzeit von fünf Jahren zu zahlen hat, während sie die Gesamtsumme dieser Nettomieten bereits beim Vertragsschluss erhalten hat. Damit erlangt sie nur einen Zinsvorteil aus ihrer Leistung. Es würde daher nicht zu einer zutreffenden Besteuerung führen, die von ihr im Streitjahr vereinnahmte Zahlung entsprechend § 10 Abs. 1 UStG in voller Höhe als Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer zu behandeln.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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