07.08.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Landgericht München.
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen angeblich mangelhafter Aufklärung beim Kauf einer Eigentumswohnung. Er kaufte zusammen mit seiner Ehefrau mit notariellem Vertrag von den Beklagten zum Preis von 242.500,00 Euro eine Eigentumswohnung. Die Beklagten hatten mit ihren beiden Kindern zuvor in der Wohnung gewohnt, die Beklagte war allerdings schon mehrere Monate vor dem Verkauf ausgezogen, weil das Ehepaar sich getrennt hatte. Nach dem Kauf vermieteten die Kläger die Wohnung an ihre Tochter und deren Ehemann, die Zeugen A und B.
Der Kläger trägt vor, die Beklagten hätten ihm arglistig einen Mangel der Wohnung verschwiegen. Bevor man sich zum Kauf entschlossen habe, habe sein Schwiegersohn die Beklagten gefragt, ob Grillen in der Anlage ein Problem sei. Das hätten die Beklagten verneint. Der Schwiegersohn habe den Beklagten auch mitgeteilt, dass er und seine Frau planten, Kinder zu bekommen. Die Beklagten hätten die Anlage als ideal für Kinder dargestellt. Die Frage, ob es Probleme mit irgendwelchen Nachbarn gebe, hätten sie verneint.
Tatsächlich gebe es aber Nachbarn, die völlig unverträglich seien. (…) Der Kläger behauptet, beim geringsten Lärm schreie insbesondere die Zeugin C durchdringend durchs Treppenhaus und in den Garten. Sie beschimpfe lautstark die Kinder, die sich auf dem zur Anlage gehörenden Spielplatz aufhielten. Über das Grillen im Garten, der zu seiner Wohnung gehört, beschwere sie sich massiv, obwohl es nach der Hausordnung der Anlage unstreitig zulässig ist. Auch Kinderwagen im Hausflur seien Anlass für lautstarke Beschwerden. Im Haus reagiere die Familie auf Geräusche mit Klopfen gegen Wände oder Boden. Ihrerseits verursache sie aber erheblichen Lärm, wenn sie immer wieder lautstark streite, auch während nächtlicher Ruhezeiten.
Das alles sei auch den Beklagten bekannt gewesen, da die Familie sich ebenso verhalten habe, als die Beklagten noch im Anwesen wohnten. Vater und Tochter hätten die Kinder der Beklagten grundlos beschimpft.
(…)
Obwohl der Notar bei der Beurkundung des Vertrages die Beklagten darauf hingewiesen habe, dass sie auch über nachbarliche Querelen aufklärungspflichtig seinen, erwähnten die Beklagten - unstreitig - solche Streitigkeiten nicht. Sie hätten damit arglistig gehandelt. Die Wohnung sei mit solchen Nachbarn nur schwer verkäuflich. Eine Nachbarwohnung habe nur mit einer Preisreduktion von 30.000,00 Euro verkauft werden können, nachdem die Käufer über diese Probleme aufgeklärt worden seien.
(…)
Die Beklagten bestreiten, dass sie zu ihrer Zeit Probleme mit der Familie ### gehabt oder von außergewöhnlichem Verhalten dieser Familie erfahren hätten. Im Übrigen halten sie die Klageforderung für verjährt.
Zwar kann das bewusste Verschweigen von Umständen, die für den Kaufentschluss wesentlich sind, einen Schadensersatzanspruch nach §§ 311, 280 BGB begründen, wenn nämlich der Käufer nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte redlicherweise Aufklärung erwarten durfte.
Nachbarsstreitigkeiten sind zunächst nichts Ungewöhnliches und nicht ohne Weiteres aufklärungspflichtig. Das Gleiche gilt für lärmempfindliche Nachbarn, die sich über Geräusche beschweren. Auch Streitigkeiten, ob und wann im Freien gegrillt werden sollte, sind unter Nachbarn gang und gäbe. Die Grenze zur Aufklärungspflicht ist erst dann überschritten, wenn der Kaufinteressent nach solchen Problemen ausdrücklich fragt, oder wenn Nachbarn sich so extrem nachbarfeindlich und schikanös verhalten, dass ein unbefangener Käufer damit nicht rechnen muss. Arglistig kann ein Verschweigen solcher Verhaltensweisen nur sein, wenn der Verkäufer sie beim Verkauf kennt.
(…)
Aus der Aussage der Zeugin lässt sich nicht folgern, dass das Verhalten der Familie schikanös gewesen sei. Schikanös ist ein Verhalten, wenn es keinen mit Vernunft nachvollziehbaren Zweck hat, sondern nur dazu dienen soll, den anderen zu beeinträchtigen. Diese Grenze wird bei dem Verhalten, dass die Zeugin geschildert hat, nicht überschritten, gleichgültig, ob die Beklagten im Einzelnen davon Kenntnis hatten. Beschwerden über Lärm, juristisch berechtigt oder nicht, sind ein häufiger Vorgang zwischen Nachbarn. Solange sie tatsächlich Geräusche zum Anlass haben, sind sie vielleicht lästig, aber nicht schikanös.
(…)
Die Verletzung einer Aufklärungspflicht geht auch nicht daraus hervor, dass die künftigen Mieter die Beklagten darauf hingewiesen hätten, sie planten Nachwuchs. Die Antwort, dass der Schulweg kurz sei und der Spielplatz direkt vor dem Haus liege, war unstreitig richtig. Für Aufklärungspflichten wegen einer angeblichen, den Beklagten bekannten Kinderfeindlichkeit der Familie fehlt es an hinreichendem, nachgewiesenem Sachvortrag.
Landgericht München, Urteil vom 12.07.2011, AZ 23 O 5974/10 (in Auszügen)
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