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Rückstellungen (Kommentar von Udo Cremer)

03.04.2017  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Bildung einer Rückstellung für künftige Wartungsaufwendungen an Flugzeugen

  1. Die Wartungsverpflichtung nach § 6 LuftBO ist wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht, weil wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung das Erreichen der zulässigen Betriebszeit ist, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnützungserscheinungen des Luftfahrtgeräts Rechnung trägt.
  2. Die Notwendigkeit der Bildung einer Rückstellung kann sich aus einer privatrechtlichen Verpflichtung auf Zahlung von Wartungsrücklagen-Garantiebeträgen ergeben, wenn bei Beendigung des Vertrages kein Anspruch auf Rückerstattung der Beträge besteht und der Steuerpflichtige deshalb stets mit den vereinbarten Beträgen belastet bleibt.

Die Klägerin ist zu 100 v.H. an einer GmbH beteiligt. Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der GmbH als Organgesellschaft bestand im Jahr 2005 (Streitjahr) eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, von der Klägerin im Jahr 2005 gebildete Rückstellungen für Wartungsverpflichtungen könnten nicht anerkannt werden und Zahlungen der GmbH an die Leasinggeber in eine dort geführte Wartungsrücklage seien durch Aktivierung einer Forderung in gleicher Höhe zu kompensieren. Dem lagen folgende Feststellungen zu Grunde:

Die Klägerin war nach dem Leasingvertrag mit der G-KG zur Instandhaltung der geleasten Flugzeuge auf eigene Kosten verpflichtet. Die Verpflichtung bestand insbesondere darin, die Flugzeuge nach Ablauf des im Rahmen eines im sog. Wartungsprogramm (Maintenance Programme) festgelegten Intervalls im Einklang mit den luftverkehrsrechtlichen Bestimmungen (bezogen auf Betriebszeiten) auf eigene Kosten zu warten. Hierfür hatte sie entweder (neben den regulären Leasingraten) Zahlungen in Höhe der voraussichtlichen Instandhaltungskosten in die Wartungsrücklage zu leisten. Wahlweise konnten die Zahlungen durch die Gestellung einer Bankbürgschaft ersetzt werden. Die Verpflichtung zur Zahlung in die Wartungsrücklage bzw. zur Stellung einer Bankbürgschaft war unabhängig davon zu erfüllen, ob der Flugbetrieb über den Ablauf der vertraglich vereinbarten Betriebszeit hinaus fortgesetzt wurde.

Bei Beendigung eines Leasingvertrags vor Durchführung einer Wartung wurde die Wartungsverpflichtung des jeweiligen Leasingnehmers dadurch erfüllt, dass der Leasinggeber die bis zum Beendigungszeitpunkt gezahlten Wartungsrücklagen-Garantiebeträge vereinnahmte oder in entsprechender Höhe die Bankbürgschaft in Anspruch nahm. Im Einklang hiermit wurden die bei Beendigung eines Leasingvertrages vorhandenen Überschüsse zur Erstattung der Kosten des nächsten Leasingnehmers bei Eintritt des Wartungsereignisses verwendet. Die Klägerin machte im Verhältnis zur G-KG von der Möglichkeit Gebrauch, eine Bankbürgschaft zu stellen und bildete in ihrer Steuerbilanz auf den 31.12.2005 mit Rücksicht auf die bereits abgelaufenen Betriebszeiten eine Wartungsrückstellung.

Die Prüfer waren insoweit der Ansicht, die künftige Wartungsverpflichtung sei am Bilanzstichtag (31.12.2005) noch nicht wirtschaftlich verursacht; demgemäß erhöhten sie den Gewinn der Klägerin entsprechend. Des Weiteren hatte die GmbH im Wesentlichen vergleichbare Leasingverträge geschlossen, für die sie Zahlungen in die Wartungsrücklage leistete. Die Zahlungen wurden von der GmbH als laufender Aufwand und die Rückerstattungsbeträge als Ertrag erfasst. Im Streitjahr ergab sich hierbei eine Gewinnminderung um ... EUR. Davon entfiel ein Betrag in Höhe von ... EUR auf Verträge, die im Streitjahr beendet worden waren. Die Betriebsprüfer waren hingegen der Ansicht, dass Zahlungen in die Wartungsrücklage als Kaution zu aktivieren seien und erhöhten den Gewinn der GmbH um ... EUR.

Das seinerzeit zuständige Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüfer in geänderten Bescheiden bezüglich Körperschaftsteuer 2005 und Gewerbesteuermessbetrag 2005 und erhöhte das Einkommen bzw. den Gewerbeertrag der Klägerin um insgesamt ... EUR. Im Rahmen der dagegen geführten Einspruchsverfahren reduzierte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Gewinnerhöhung allerdings, soweit diese auf den im Streitjahr beendeten Leasingverträgen der GmbH beruhte. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.

Der dagegen erhobenen Klage gab das FG Düsseldorf mit Urteil vom 21.4.2015 - 6 K 307/13 K,G nur insoweit statt, als zum 31.12.2005 eine Forderung auf Erstattung künftiger Wartungsaufwendungen bei der GmbH aktiviert worden war. Das Urteil ist in EFG 2015, 1629 veröffentlicht.

Die Revision der Klägerin ist begründet, sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und im Rahmen des Revisionsantrags zur Klagestattgabe. Das FG ist bezogen auf den Bilanzstichtag (31.12.2005) zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht berechtigt war, eine Rückstellung für künftige Wartungsaufwendungen zu bilden (BFH Urteil vom 9.11.2016, I R 43/15).

Die Klägerin war zum Bilanzstichtag (31.12.2005) zwar nicht berechtigt, eine Rückstellung für künftige Wartungsaufwendungen aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zu bilden, wohl aber aus privatrechtlicher Verpflichtung. Es besteht eine zivilrechtliche ungewisse Verbindlichkeit der Klägerin, für die eine Rückstellung in der von ihr begehrten Höhe zu bilden ist. Die vertragliche Verpflichtung der Klägerin besteht aus zwei Komponenten, nämlich der Durchführung der nach dem Wartungsprogramm erforderlichen Wartungen einerseits und der monatlichen Zahlung der Wartungsrücklagen-Garantiebeträge bzw. der Stellung einer Bankbürgschaft andererseits. Der Senat kann es insoweit offenlassen, ob die im Rahmen der ersten Vertragskomponente gegenüber dem Leasinggeber eingegangene Wartungsverpflichtung mit dem FG und trotz der vorstehend wiedergegebenen Grundsätze aufgrund des eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Durchführung der Wartung kongruent überlagert.

Jedenfalls ist mit Rücksicht auf die zweite Vertragskomponente eine Rückstellung zu bilden, da bei Beendigung des Leasingvertrages kein Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der gezahlten Wartungsrücklagen-Garantiebeträge oder auf einen Verzicht auf die Inanspruchnahme der Bankbürgschaft bestand und die Klägerin deshalb stets mit den vereinbarten Wartungsrücklagen-Garantiebeträgen belastet blieb. Die Klägerin konnte sich ihrer vertraglichen Verpflichtung (anders als im Bereich der öffentlich-rechtlichen Wartungsverpflichtung) gerade nicht durch Einstellung des Flugbetriebes entziehen, da sie nach den Feststellungen des FG auch bei Beendigung des Leasingvertrages vor Durchführung der nächsten fälligen Wartung die vertraglich vereinbarte Wartungsverpflichtung zu tragen hatte.

Diese Verpflichtung wird nicht i.S. eines "wesentlichen Tatbestandsmerkmals" der vertraglichen Wartungsverpflichtung durch das Erreichen der zulässigen Betriebsdauer, sondern dadurch ausgelöst, dass die Klägerin das Fluggerät nach der letzten durchgeführten Wartung weiter nutzt und deshalb die Kosten für die darauffolgende Wartung zu tragen hat. Dies ergibt sich aus der gegenüber der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung andersgearteten Interessenlage: Während der Gesetzgeber im Bereich der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung die Sicherheit des Luftverkehrs gewährleisten will und für den Fall der Einstellung des Flugbetriebes vor Erreichen der zulässigen Betriebszeiten keine Wartung vorschreibt, will der Leasinggeber im Rahmen der zweiten Vertragskomponente eine durch den Flugbetrieb entstehende Wertminderung des Flugzeugs ausgleichen, indem er den Leasingnehmer zu einer betriebszeitabhängigen Übernahme der Wartungskosten verpflichtet.

Die Verpflichtung zur Zahlung der Wartungsrücklagen-Garantiebeträge entsteht nach den Feststellungen des FG mit Ablauf jedes Monats in Höhe der Summe der betriebszeitabhängig zu berechnenden Einzelbeträge. Sie ist damit in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht, weil die entsprechende Belastung zum Bilanzstichtag auch bestünde, wenn der Leasinggeber den Leasingvertrag gekündigt hätte. Er hätte dann nämlich die bis zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die bereits absolvierten Betriebszeiten geschuldeten Wartungsrücklagen-Garantiebeträge vereinnahmt, ohne dass die Belastung der Klägerin entfallen wäre. Gleiches gilt für den Fall, dass der Flugbetrieb eingestellt worden wäre.

Nichts anderes gilt, soweit das FG sich darauf gestützt hat, dass die Klägerin eine Bankbürgschaft gestellt habe und deshalb mit einer Inanspruchnahme auf Zahlung der ausstehenden Wartungskosten in absehbarer Zeit nicht habe rechnen müssen. Die Bankbürgschaft tritt nach der gewählten Vertragskonstruktion an die Stelle einer Zahlung, sie lässt aber die Verpflichtung zur Tragung der Wartungskosten nicht entfallen. Die Klägerin konnte sich der Zahlung der Wartungsrücklagen-Garantiebeträge durch die Stellung einer Bankbürgschaft nicht entziehen, sondern nur den Zahlungszeitpunkt beeinflussen. Entsprechend stand auch die Belastung der Klägerin in Höhe der Wartungsrücklagen-Garantiebeträge fest. Die Passivierung der Wartungsverpflichtung führt auch nicht zu einer doppelten Aufwandserfassung. Die Klägerin hat nach den Vorgaben des Leasingvertrages mit der KG entweder Wartungsrücklagen-Garantiebeträge zu leisten oder eine Bürgschaft zu stellen. Beide Varianten führen nur jeweils einmal zur Entstehung von Betriebsausgaben.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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