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Quo Vadis Schallschutz? (1/3)

11.07.2012  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Unipor.

Der Normenentwurf für den erforderlichen Schallschutz im Hochbau verfehlt in seiner derzeit vorliegenden Ausführung seine Zielsetzung: Zu diesem ernüchternden Fazit kommt Dr.-Ing. Thomas Fehlhaber, Geschäftsführer der Unipor-Ziegel-Gruppe (München). Demnach stellt der diskutierte Entwurf der neuen DIN 4109 Wandbaustoffproduzenten und Planer vor immense Probleme, ohne dabei jedoch eine höhere Planungssicherheit in der Schallschutz- und Wohnqualität zu bieten.

Richtige Planung ist Grundvoraussetzung für den Schallschutz beim Neubau. Neben einer sorgfältigen Gestaltung des Grundrisses gemäß der geplanten Nutzung, wirken sich dabei auch die verwendeten Materialien maßgeblich auf den erzielbaren Schallschutz aus. In Deutschland sind die bauordnungsrechtlich geschuldeten Anforderungen an die Schalldämmung in der DIN 4109 festgehalten. Diese steht jedoch vor einem Dilemma: Sie bedient zwei Interessen€bereiche, nämlich den öffentlich-rechtlichen und den privatrechtlichen Bereich gleichsam. Als Teil des Baurechts der Bundesländer beinhaltet auch die neue Norm daher Mindestanforderungen, welche öffentlich rechtlich geschuldet sind und nicht unterschritten werden dürfen. Gleichzeitig wird an sie jedoch auch der Anspruch gestellt, dass sie im privatrechtlichen Bereich Bestand hat und hier die heute üblichen Schallschutzstandards für Nutzer beschreibt – die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiederspiegelt. Aber nicht nur in der Zielsetzung muss die DIN 4109 eine Quadratur des Kreises bewerkstelligen, auch auf Funktionsebene nimmt sie eine Doppelfunktion ein. Sie ist sowohl Regelwerk für die Anforderungen als auch maßgebliches Instrument für die bauakustische Planung – und dies weit über die bauaufsichtlich geforderten Schallschutznachweise hinaus.

Schalldämmung ist nicht gleich Schallschutz: In ihrer derzeit gültigen Version – eingeführt im November 1989 – heißt die DIN 4109 zwar „Schallschutz im Hochbau“, tatsächlich regelt sie jedoch die erforderlichen Schalldämmwerte der für den Schallschutz maßgeblichen Bauteile. Schalldämmung ist eine Eigenschaft eines Bauteils und somit von dessen Größe und Beschaffenheit abhängig. In der Praxis wird jedoch nicht von einer tatsächlichen, sondern von einer standardisierten Bauteileigenschaft gemäß der vorliegenden Prüfzeugnisse ausgegangen. Im Gegensatz hierzu ist der Schallschutz eine raumspezifische Gebäudeeigenschaft und zusätzlich abhängig von den Beschaffenheiten des zu schützenden Raumes, beispielsweise von der Raumtiefe. Die Schalldämmung beziffert demnach die schalldämmenden Eigenschaften eines Bauteils, während der Schallschutz die tatsächliche Wirkung der Maßnahmen benennt.

Europäische Harmonisierung

Die inzwischen seit mehr als 20 Jahren gültige DIN 4109 mit der Nachweisführung gemäß Beiblatt 1 ermöglicht eine Berechnung des zu erwartenden Schalldämmwertes mit nur sehr wenigen Eingangsdaten. Damit hebt sich der bauliche Schallschutz augenscheinlich von anderen Berechnungsverfahren ab, wie beispielsweise dem Wärme- oder Brandschutz.(1) Doch dieses Verfahren entspricht in vielerlei Hinsicht nicht mehr den heute üblichen Qualitäts- und Komfortstandards. Im Zuge der Harmonisierung europäischer Normen wird daher auch im Schallschutz eine grundlegende Änderung eintreten. Ziel der Umstellung ist es, die Prognosen für den Schallschutz zutreffender zu gestalten. Nutzer der Gebäude sollen eine möglichst realitätsnahe Vorstellung der zu erwartenden Schallschutzqualität erhalten – so zumindest die Theorie. Bereits seit 2010 liegt daher ein erster nationaler Entwurf für die Neuregelung der DIN 4109 vor. Dieser Entwurf beinhaltet unter anderem ein geändertes Nachweisverfahren gemäß der europäischen DIN EN 12354. Mit dieser Umstellung avanciert die DIN 4109 endgültig auch inhaltlich zum „Schallschutz im Hochbau“.

Bau-Schalldämm-Maß

Dass die DIN 4109 in ihrer derzeit gültigen Version eigentlich die Schalldämmung und nicht den Schallschutz regelt, spiegelt sich auch im festgelegten Berechnungsverfahren wider. Beiblatt 1 schreibt eine Nachweisführung auf Basis des Bau-Schalldämm-Maßes (R’W) vor. Dieses beschreibt das Verhältnis zwischen den Schallleistungen von Entsenderaum und Empfangsraum. Das Bau-Schalldämm-Maß (R‘w) für die Luftschall-Dämmung ist demnach umso größer, je schwerer das Bauteil ist. Dabei erfasst es aber nicht nur die Leistung, die durch das trennende Bauteil in den Raum gelangt, sondern auch näherungsweise diejenige, welche über die flankierenden Bauteile übertragen wird. Der Index „’“ steht dabei für die Flankenübertragung. (Vgl. auch Abb.1) Seit 1997 werden die Bauteileigenschaften nach DIN EN ISO 140-1 in Prüfständen mit einer unterdrückten Flankenübertragung gemessen. Im Prüfstand wird eine bauähnlichen Flanken-Übertragung nachgestellt. Der Messwert ist somit ein Näherungswert. Dabei wird eine mittlere flächenbezogene Masse der flankierenden Bauteile von etwa 300 kg/m² zugrunde gelegt. Bei einer abweichenden tatsächlichen flächenbezogenen Masse werden die Messergebnisse mit einem Korrekturfaktor (Malus oder Bonus) beaufschlagt.

Übertragungswege des Luftschalls zwischen Räumen
Abb. 1: Übertragungswege des Luftschalls zwischen Räumen: Zu dem Direktübertragungsweg des Trennbauteils (schwarz) addieren sich jeweils drei Nebenübertragungswege (grau) an jedem einzelnen der vier Flankenbauteile. Grafik: UNIPOR, München

Standard-Schallpegeldifferenz

Mit Revision der DIN 4109 ist eine Berechnung des Schallschutzes auf Basis der europäischen Norm DIN EN 12354 geplant. Diese Nachweisführung stellt die Anforderungen vom Bau-Schalldämm-Maß (R’W) auf die bewertete nachhallbezogene Schallpegeldifferenz (DnT,W) um. Man verspricht sich von dieser Umstellung insbesondere einen Vorteil für den späteren Nutzer der Immobilie. Dieser – so das Ziel – soll den zu erwartenden Schallpegel im Empfangsraum direkt vom Ausgangspegel ableiten können. Somit soll er eine möglichst treffende Vorstellung des realen Schallschutzes erhalten. Die Standard-Schallpegeldifferenz (DnT,W) bezieht daher auch den Einfluss des Empfangsraums mit in die Berechnung ein. Die Schallpegeldifferenz ist somit abhängig von der Dämm-Leistung der Bauteile sowie von Nachhallzeit und Raumgröße des Empfangsraumes. Alle 13 Schallübertragungswege eines Raumes (ein Direktweg über das Trennbauteil sowie zwölf Nebenwege über die flankierenden Bauteile) werden nun einzeln und in Abhängigkeit von der Raumgeometrie ermittelt und ohne die bisherigen Korrekturwerte zu einem Gesamtschalldämm-Maß „addiert“. Als Einflussgrößen kommen also die schalldämmenden Eigenschaften der Trenn- und Flankenbauteile sowie die Dämmung der Bauteilverbindungen – das sogenannte Stoßstellendämm-Maß – zum Tragen (Vgl. Abb.1).

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Der Autor:
Dr.-Ing. Thomas Fehlhaber ist seit November 2003 Geschäftsführer der Unipor-Ziegel-Gruppe (München). Vor seiner Tätigkeit für die Unipor-Gruppe arbeitete Fehlhaber als Dozent – unter anderem für Bauphysik – an der TH Darmstadt und verantwortete mehrere deutsche Produktionsstandorte eines internationalen Baustoffkonzerns.

Literatur:
(1) Schoch, Torsten: Luftschalldämmung von Mauerwerk – aktuelle Entwicklungen und Trends, in: Mauerwerksbau Aktuell 2012, Berlin, Wien, Zürich: Beuth, 2012.

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