28.06.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: pressetext.
pte - Die olympischen Sommerspiele 2012, die in einem Monat in London beginnen, werden doppelt so teuer sein wie ursprünglich budgetiert. Wie Forscher der Said Business School der Universität Oxford ermittelt haben, beträgt der Aufwand aller Voraussicht nach 8,4 statt 4,2 Mrd. Pfund (10,5 statt 5,25 Mrd. Euro), falls nichts Unvorhergesehenes passiert. Bei der realistischen Budgetplanung waren Olympia-Veranstalter nie gut, zeigt der Vergleich der Olympia-Geschichte.
Integrität und Disziplin leiden
"Ständiges Überziehen von Budgets schadet Sportgroßveranstaltungen", so das Urteil von Martin-Peter Büch, Sportökonom bei der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, im pressetext-Interview. Einerseits sei die fehlende Disziplin beim Halten an vorgegebene Budgets ansteckend und ähnle in ihrer Art manchen Mechanismen der europäischen Schuldenkrise. Andererseits gebe es auch inhaltliche Nachteile. "Zwar springen in der Regel private Geldgeber ein - doch leidet dadurch die Integrität des Sports", urteilt der Experte.
Falscher Optimismus mit Strategie
Tatsächlich werden Olympia-Budgets nie eingehalten, haben die Oxforder Forscher durch den Vergleich der 30 Sommer- und Winterspiele seit 1960 belegt. Zwischen 1968 und 2000 wurde im Schnitt um 258 Prozent überzogen, seither "nur" noch um 47 Prozent, wobei London mit 101 Prozent wieder einen Ausreißer nach oben darstellt. Berücksichtigt wurden in dieser Aufstellung Kosten des Organisationskomitees sowie jene für öffentliche und private Geldgeber - für Sicherheit, Transport, Technik und Zeremonien sowie anteilsmäßig auch für den Bau der Austragungsorte, des olympischen Dorfs sowie der Presse- und Medienzentren.
Der Oxforder Studienleiter Bent Flyvbjerg wittert überzogenen Optimismus und bewusste, strategische Falsch-Angaben bei der Budgetvorlage. Verglichen mit typischen Kostenüberziehungen bei anderen Großprojekten etwa im Transportwesen oder in der Technik seien jene von Olympia "extrem", was ihren Umfang als auch die Häufigkeit betrifft. Der Nachteil aus der Sicht des Experten: "London ist zwar gut vorbereitet, doch das Organisationskomitee hat kaum Spielraum zur Finanzierung, falls während der Spiele irgendwelche Probleme auftreten."
Olympia nur Anlass
Kritik vermeldet Wolfgang Maennig, Ökonom von der Universität Hamburg. "Ausgaben und Kosten sind zu trennen. Die Olympiade geht vorbei, die überfällige Instandsetzung der U-Bahn oder die Reurbanisierung des East Ends bleibt jedoch. Die mit Abstand größten Budgetposten sind Baumaßnahmen, für die Olympia nur den Anlass gab", so der Fachexperte gegenüber pressetext. So ist es erklärbar, dass der Organisationsetat meist rund 2,4 Mrd. Euro beträgt, die Ausgaben inklusive Infrastrukturmaßnahmen jedoch deutlich mehr - für Sotschi 2014 etwa bereits 35,7 statt wie veranschlagt 24 Mrd. Euro.
Kaum in Relation dazu zu stellen, ist freilich der Gewinn, der einem Austragungsort durch das Abhalten der Spiele zufließt. "Es gibt keine Studie, die zeigen könnte, dass olympische Spiele, Fußball-Weltmeisterschaften oder andere Großevents im Sport eindeutig lukrativ für ein Land sind. Wenn unter dem Strich eine schwarze Null steht, muss man schon zufrieden sein", sagt Büch. Deutschland sei bei der Fußball-WM 2006 vergleichsweise gut ausgestiegen mit einem Imagegewinn dank des guten Wetters und der freundlichen Aufnahme. Zusätzliche Beschäftigung oder mehr Arbeitsmöglichkeiten in der Zeit nach dem Event gab es jedoch nicht. (Johannes Pernsteiner)
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