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Künstliche Intelligenz im Gerichtssaal? Das ist Legal Tech

21.10.2022  — Sarah Hofmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Künstliche Intelligenz schleicht sich in immer mehr Bereiche des Alltags. Seit einigen Jahren ist sie, in Form von Legal Tech, auch Bestandteil des deutschen Rechtssystems. Welche Chancen und Herausforderungen bietet die digitale Rechtsprechung und wie präsent wird KI zukünftig in den Gerichtssälen des Landes sein?

Allgemein gehalten definiert Legal Tech (kurz für Legal Technology) den Bereich der Informationstechnik, der sich mit der Automatisierung von juristischen Tätigkeiten befasst. Es geht dabei darum, rechtliches Arbeiten effizienter zu gestalten. Durch technische Weiterentwicklungen im Zuge der Digitalisierung und damit einhergehende IT-Innovationen, ist die Bedeutung von Legal Tech für das Rechtswesen seit einigen Jahren stetig steigend.

Die Möglichkeiten von Legal Tech

Viele Menschen verlassen sich in ihrem Arbeitsalltag auf technische Unterstützung. So auch Juristen und andere Personen, die im Rechtswesen tätig sind. Im Rechtswesen haben sich IT-Systeme zur Dokumentenverwaltung, Büroorganisation oder Rechtsrecherche etabliert. Der Eingriff dieser Innovationen (die sich unter Legal Technology 1.0 zusammenfassen lassen) lässt sich einfach benennen und einordnen. Er gilt in erster Linie der oberflächlichen Arbeitserleichterung und sieht von einem tiefergehenden Eingriff ab.

Bei Legal Technology 2.0 geht es um automatisierte Rechtsdienstleistungen. Die Prozesse von Legal Tech 2.0 gehen schon einen deutlichen Schritt weiter als Legal Tech 1.0. Gemeint sind hier mitunter Anwendungen, die den Menschen nicht nur unterstützen sondern auch ersetzen und einzelne Arbeitsschritte für ihn ausführen. Inzwischen gibt es 2.0 Technologien für beinahe alle Einzelschritte in der juristischen Arbeitswelt. Dies geht von Sachverhaltsermittlungen über die automatische Erstellung juristischer Dokumente, wie Verträge und Klageschriften, bis hin zur abschließenden Klärung eines Rechtsstreits per Online-Dispute-Resolution. Die Anwendungen der Legal Technology 2.0 greifen schon deutlich stärker in das Rechtssystem ein.

Die (bisher) letzte Stufe von Legal Tech wird unter Legal Tech 3.0 zusammengefasst. Hier geht es um smart contracts sowie Künstliche Intelligenz, die darauf ausgelegt sind, das Berufsbild des menschlichen Rechtsbeistands grundlegend zu verändern. Dies könnte z. B. eine maschinenlesbare Sprache für rechtliche Dokumente wie Verträge (smart contracts) umfassen aber auch bedeuten, einen Ersatz für Anwälte zu programmieren, der mit künstlicher Intelligenz ausgestattet ist. Bisher existieren noch überschaubar wenige dieser Legal Tech 3.0-Anwendungen auf dem Markt. Dennoch gibt es bereits mehrere Unternehmen, die sich auf die Entwicklungsarbeit dieser Technologien fokussieren.

Mein Rechtsbeistand die KI?

Können wir uns vorstellen, in einer Welt zu leben, in der Algorithmen und Computerprogramme in unserem Rechtssystem Entscheidungen treffen? Im ersten Moment klingt dieser Zustand doch eher nach der Realität aus einem dystopischen Science-Fiction Film. Ganz so weit ist das deutsche Rechtssystem (noch) nicht. Aus einem Standesbericht des Bundestages aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass in der deutschen Justiz bisher nur Legal Tech 1.0 und 2.0 genutzt werden. Also Systeme, „die sich selbstoptimierend auf die Lösung konkreter Anwendungsprobleme auf Basis der Methoden aus der Mathematik und Informatik“ fokussieren. Dass wirklich künstliche Intelligenzen eingesetzt werden, die ähnliche oder sogar bessere Fähigkeiten als der Mensch besitzen, scheint also noch in weiter Ferne.

Pilotprojekte aus Deutschland

Dennoch, sie existieren, die schon angesprochenen Unternehmen und Projekte, die sich mit diesen oder artverwandten Themen beschäftigen. So z. B. das Forschungsprojekt Legal Analytics des Bayrischen Staatsministeriums. Das setzt sich momentan mit der Frage auseinander, ob es möglich ist, eine anonymisierte Datenbank von Gerichtsentscheidungen zu schaffen. Dessen Analysen könnte für die Entscheidungen späterer Gerichtsfälle (vor allem im Zivilrecht) genutzt werden.

Auch in der Strafverfolgung im Internet kommt KI schon zum Einsatz. Seit 2020 forscht das Projekt KISTRA des Bundes an der automatisierten Erkennung von Straftaten wie z. B. Hasskriminalität in der Online-Welt. KI ist auch dazu in der Lage, große Datenmengen nach kinderpornographischem Material zu durchforsten, sowie rechtlich relevante Informationen oder bei Gericht eingereichte Dokumente auszulesen.

Vorteilhaft an dieser technischen Mithilfe ist vor allem, dass Prozesse beschleunigt werden. Großen Datenmengen kann eine KI schneller Herr werden als ein Mensch. Dies führt dazu, dass Verfahrensabläufe schneller umgesetzt werden können und Prozessstau verhindert wird. Die Aufgaben, die die KI aktuell im deutschen Rechtsystem übernimmt, kommen den Aufgaben von Assistenten gleich. Im Fokus steht hierbei, den Juristen zuzuarbeiten. Eine Ausweitung dieses Aufgabenbereichs geht nur langsam voran.

Im Namen der Technologie…

Neben den momentan noch fehlenden technischen und personellen Strukturen, müsste sich für einen weiteren Ausbau der Justiz-KI auch der rechtliche Rahmen anpassen. Die größte Herausforderung besteht allerdings darin, innerhalb der Bevölkerung, Vertrauen gegenüber einer KI zu schaffen. Bisher stehen die meisten Menschen einer KI im Gerichtssaal mit einer großen Portion Skepsis gegenüber. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn unser Vertrauen in das Rechtssystem ist angreifbar. Kann ein Algorithmus den gleichen Sinn von Gerechtigkeit haben, den sich unsere Gesellschaft über Jahrhunderte aufgebaut hat? Schwer zu sagen.

Bei einem so sensiblen Thema wie Rechtsprechung bauen wir Menschen nicht nur auf Zahlen und Fakten, sondern auch auf einen Faktor, der dem Algorithmus nun mal fehlt: Menschlichkeit. Und was passiert, wenn sich die KI doch mal ‚irrt‘? Wer kann dann zur Verantwortung gezogen werden und wie gehen wir mit den Konsequenzen um?

Diese und andere Fragen bleiben vorerst hypothetisch. Neben den schon genannten Hindernissen hat auch die Europäische Kommission den Einsatz von starken KI-Systemen in der Justiz als hohes Risiko eingestuft. Begründet wird dieses Risiko, im sogenannten AI Act, vor allem mit den erheblichen Auswirkungen auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und individuelle Freiheit.

Auch das Grundgesetz und das Deutsche Richtergesetz hätte etwas gegen einen Richter-Roboter einzuwenden. Dort ergibt sich nämlich aus mehreren Regelungen, dass ein Richter menschlich und zwingend im Besitz einer deutschen Staatsbürgerschaft sein muss. Für eine KI ist vieles möglich aber dieses Kriterium nicht.

China ist wie so oft schon einen Schritt weiter. Zwar gibt es dort keine Richter-Roboter aber immerhin KI-Staatsanwälte, die die acht häufigsten Straftaten erkennen können und sogar dazu in der Lage sind, Anklage zu erheben. Angeblich hat diese KI eine Zuverlässigkeit von 97 %. Dass es zu diesem oder ähnlichen Szenarien in Deutschland kommt, scheint eher unwahrscheinlich.

So nimmt das Rechtssystem weiterhin die Unterstützung von Legal Tech 1.0 und 2.0-Systemen in Anspruch und Legal Tech bleibt hierzulande Mittel zum Zweck. Dieser Zweck heißt: Abläufe im System beschleunigen und Juristen ihre Arbeit erleichtern. Es bleibt also bei: Im Namen des Volkes…

Bild: Tara Winstead (Pexels, Pexels Lizenz)

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