15.11.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bernd Rechtsanwalts GmbH.
Abmahnungen sind im Kündigungsrecht bei verhaltensbedingter Pflichtverletzung das „mildere Mittel“ zur Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; sie dienen dem Arbeitgeber dazu, Pflichtverletzungen seitens des Arbeitnehmers zu ahnden und gleichzeitig eine Warnung auszusprechen: Bei wiederholter, bereits abgemahnter Verletzung der vertraglichen Pflichten kann der Arbeitnehmer eine wirksame Kündigung erwarten.
Im Rahmen des Kündigungsschutzes sorgt nun die Möglichkeit einer vorsorglichen Abmahnung in arbeitsvertraglichen AGB für Gesprächsstoff: Arbeitgeber können hiermit konkrete Verhaltenspflichten in die Klauseln des Arbeitsvertrags aufnehmen und jeweils deutlich machen, dass eine Verletzung dieser Pflichten seitens des Arbeitnehmers eine Kündigung zur Folge haben kann. Fraglich ist jedoch, ob eine solche vorsorgliche Abmahnung bei eintretender Pflichtverletzung automatisch zu einer Kündigung führt, ohne dass eine weitere schriftliche Abmahnung vorangegangen ist. Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom 29.6.2017 (Az. 5 Sa 5/17) ist dies nicht statthaft: Eine vorsorgliche Abmahnung in arbeitsvertraglichen AGB ersetzt im Allgemeinen nicht die konkrete Abmahnung; diese ist nur dann überflüssig, wenn der Arbeitnehmer trotz konkreter und zeitlich kurz zurückliegender Warnung eine Pflichtverletzung begeht, die in der vorsorglichen Abmahnung bereits angemerkt worden war; und die Pflichtverletzung als drastisch einzustufen ist – etwa bei sexuellen Übergriffen, Betrug, Diebstahl usw.
Im konkreten Streitfall wurde ein seit etwa zwei Jahren beschäftigter Angestellter ohne schriftliche Abmahnung gekündigt, nachdem er in zwei Vorfällen gegen die Dienstwagen-AGB des Arbeitgebers verstoßen hatte: Er hatte im ersten Vorfall einen ihm unterstellten Mitarbeiter beauftragt, auf dem Rückweg von einem dienstlichen Einsatz ein Sakko für ihn von der Reinigung abzuholen; einige Wochen später ließ sich der Angestellte von einem Auszubildenden von der Wohnung in den Betrieb und nach Dienstschluss wieder nach Hause fahren. Insgesamt wurde so zu privaten Zwecken eine Strecke von etwa 112 km zurückgelegt. Aufgrund der Privatnutzung von Firmenfahrzeugen sprach der Arbeitgeber eine Woche nach Kenntnisnahme der Pflichtverletzung eine außerordentliche fristlose Kündigung aus, sowie weitere acht Tage später eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zum Ablauf des Folgemonats.
Gegen beides legte der Angestellte Klage ein; das in erster Instanz zuständige Arbeitsgericht Kiel gab der Kündigungsschutzklage statt (Az. 2 Ca 707 d/16 vom 7.12.2016). Auch in der Berufung vor dem LAG Schleswig-Holstein hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg. Das LAG wies seine Berufung zurück (Az. 5 Sa 5/17 vom 29.6.2017) mit der Begründung, dass die erste Privatnutzung eine Lappalie war, da der Firmenwagen ohnehin auf einer Dienstfahrt unterwegs gewesen sei. Mit der zweiten Privatnutzung habe der Angestellte zwar gegen die Dienstwagen-Richtlinien verstoßen, diese Pflichtverletzung hätte jedoch trotz Dienstwagen-AGB vor der Kündigung gesondert abgemahnt werden müssen und hätte somit erst bei Wiederholung zu einer Kündigung führen können.
Fazit: Eine konkrete Abmahnung muss der Kündigung zeitlich kurzfristig vorangehen
Mit seinem Urteil bewegt sich das LAG Schleswig-Holstein auf einer Linie mit Entscheidungen anderer Gerichte in ähnlichen Fällen. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass vorsorgliche Abmahnungen in arbeitsvertraglichen AGB keine kündigungsrechtlichen Vorteile bringen – sie ersetzen in der Regel nicht die konkrete Abmahnung.
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