20.12.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Die deutsche Wirtschaft setzt ihren moderaten Aufschwung fort – trotz erheblicher weltwirtschaftlicher Unsicherheit angesichts von Brexit, Präsidentenwechsel in den USA und schleppender wirtschaftlicher Erholung in den Schwellenländern. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt entwickelt sich weiter positiv: Mit 6,1 Prozent ist die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2016 auf dem niedrigsten Stand seit der deutschen Vereinigung. In der alten Bundesrepublik lag die Quote zuletzt 1981 niedriger. Obwohl das Arbeitskräfteangebot durch die starke Zuwanderung spürbar wächst, ist auch im kommenden Jahr ein weiterer leichter Rückgang der Arbeitslosenzahlen wahrscheinlich. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Konjunkturprognose, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung heute vorstellt. Im Jahresdurchschnitt 2017 wächst die deutsche Wirtschaft um 1,2 Prozent, nach 1,8 Prozent in diesem Jahr. Die scheinbare Abschwächung beruht in erster Linie auf der geringeren Zahl an Arbeitstagen im kommenden Jahr. Die Dynamik des Wachstums geht hingegen nicht zurück.
„Dieser Aufschwung ist ein echter Dauerläufer, und das unterstreicht den positiven Trend, der in den vergangenen Jahren begonnen hat“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Denn getragen wird die fortgesetzte Aufwärtsentwicklung in Deutschland vor allem von der Binnennachfrage, insbesondere von einem kräftig wachsenden privaten Konsum, der wiederum aus den Zuwächsen bei Beschäftigung und Löhnen resultiert. „Wenn unser Wirtschaftswachstum dagegen wie in den 2000er Jahren fast vollständig vom Export abhängen würde, wäre bei diesem weltwirtschaftlichen Umfeld längst Schluss mit dem Aufschwung“, erklärt Horn. Gleichwohl prognostiziert das IMK für dieses Jahr einen erneuten Höchststand beim deutschen Leistungsbilanzüberschuss. „Es bleibt also noch einiges zu tun, bis die deutsche Wirtschaft ein stabiles Gleichgewicht gefunden hat. Wir sollten unbedingt auf dem eingeschlagenen Weg bleiben“, so Horn.
Gegenüber seiner Vorhersage vom September senkt das IMK die Wachstumsprognose für 2016 und 2017 jeweils minimal um 0,1 Prozentpunkte. Die geringfügige Rücknahme in diesem Jahr begründen die Forscher mit der schwächeren Exportentwicklung in der zweiten Jahreshälfte. Die leichte Reduzierung im kommenden Jahr ergibt sich aus der Erwartung, dass die Verbraucherpreise nach den Beschlüssen der OPEC-Länder 2017 wegen der steigenden Ölpreise etwas stärker steigen werden als bislang prognostiziert (1,5 Prozent statt 1,2 Prozent). Daher werden die realen Einkommenszuwächse etwas niedriger ausfallen und der private Konsum etwas schwächer zulegen.
Sorgenkind der Wirtschaftsentwicklung bleiben die Investitionen. Die Unsicherheit über den weiteren Ablauf des Brexit und eine mögliche Neuorientierung der US-Wirtschaftspolitik dürften nach Erwartung der Forscher verhindern, dass deutsche Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen deutlich verstärken. Allerdings sehen die Konjunkturexperten auch leicht positive Signale. So sei die Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe mittlerweile auf dem höchsten Stand seit 2008, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bleibe hoch. „Damit dürften für die Unternehmen Erweiterungen ihrer Produktionskapazitäten wieder dringlicher werden“, schreibt das IMK – zumal die Zinsen äußerst niedrig bleiben werden.
Siehe auch Tabelle 1 im Prognose-Report
Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland nimmt 2016 und 2017 weiter zu – um 1 Prozent und 0,5 Prozent im Jahresdurchschnitt. Obwohl mehr anerkannte Asylbewerber und andere Zuwanderer auf den Arbeitsmarkt kommen, sinkt die Arbeitslosigkeit weiter: Für 2016 erwarten die Forscher einen Rückgang um gut 100.000 Personen, so dass im Jahresdurchschnitt rund 2,69 Millionen Menschen ohne Job sein werden. Für 2017 erwartet das IMK, dass die Arbeitslosenzahl um jahresdurchschnittlich 37.000 auf knapp 2,66 Millionen Personen sinkt. Die Arbeitslosenquote beträgt in diesem Jahr 6,1 und im kommenden Jahr 6,0 Prozent. Das sind die niedrigsten gesamtdeutschen Quoten seit der Vereinigung. In Westdeutschland war die Arbeitslosenquote zuletzt 1981 niedriger (4,8 Prozent; 1982: 6,7 Prozent).
Das globale Wirtschaftswachstum ist im Prognosezeitraum insgesamt mäßig, die Entwicklung bei wichtigen Außenhandelspartnern verläuft uneinheitlich. Zwar hat sich die Situation in den meisten großen Schwellenländern etwas stabilisiert und die US-Konjunktur dürfte etwas anziehen. Allerdings sorgen der Brexit und die Frage, ob der neue US-Präsident Donald Trump einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel vollziehen wird, für Verunsicherung. Auch die Krise im Euroraum ist nach wie vor nicht überwunden.
Dementsprechend hat die Entwicklung der deutschen Ausfuhren nur wenig Schwung. Sie nehmen im Jahresdurchschnitt 2016 und 2017 um jeweils 2,0 Prozent zu. Die Importe wachsen infolge der weiterhin hohen deutschen Binnennachfrage in beiden Jahren kräftiger als die Ausfuhren: jahresdurchschnittlich um 3,1 und 3,2 Prozent. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss wird dementsprechend leicht sinken, bleibt aber weiterhin sehr groß.
Trotz historisch niedriger Zinsen und einer hohen Kapazitätsauslastung vieler Unternehmen entwickeln sich die Investitionen mit sehr geringer Dynamik: 2016 dürften die Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen um 1,4 Prozent und 2017 um 1,5 Prozent ausweiten. Da die Nachfrage nach Wohnraum groß bleibt, entwickeln sich die Bauinvestitionen etwas besser: 2016 legen sie im Jahresmittel um 2,5 Prozent zu, 2017 um 1,8 Prozent.
Der private Konsum bleibt Motor der wirtschaftlichen Entwicklung, sein Zuwachs wird sich 2017 aber etwas abschwächen. Wesentlicher Grund dafür ist, dass die Inflation nicht mehr so extrem niedrig sein wird wie 2016. Zudem ist die Sparquote gestiegen. Die verfügbaren Einkommen nehmen 2016 real um durchschnittlich 2,0 Prozent zu, 2017 um 1,3 Prozent. Die realen privaten Konsumausgaben wachsen 2016 um 1,9 Prozent, 2017 um 1,3 Prozent.
Die allgemeine Preisentwicklung in Deutschland ist in diesem Jahr sehr schwach und wird auch 2017 noch deutlich unter dem EZB-Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent bleiben. Im Jahresdurchschnitt 2016 liegt die Teuerungsrate laut IMK bei nur 0,5 Prozent, 2017 dann bei 1,5 Prozent.
Der moderate Aufschwung sorgt mit seiner Binnenfundierung für spürbar steigende Einnahmen bei Gebietskörperschaften und Sozialkassen. Das Staatsbudget wird daher 2016 einen Überschuss von 0,6 Prozent und 2017 von 0,5 Prozent des BIP aufweisen.
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