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Kapitalmarktunion: Kommission strafft Börsenregeln für kleine Unternehmen

01.12.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Europäische Kommission.

Kleine und mittlere Unternehmen sollen bei der Ausgabe von Aktien oder Schuldtiteln leichten Zugang zu Finanzierungen finden.

Die Europäische Kommission hat heute (Montag) im Rahmen ihrer Strategie für eine Kapitalmarktunion überarbeitete Vorschriften vorgeschlagen, nach denen sich Unternehmen an der Börse oder durch ein öffentliches Angebot an potenzielle Anleger Kapital beschaffen. "Wir brauchen Prospektvorschriften, die Anlegern die Informationen zur Verfügung stellen, die sie benötigen – ohne dabei unnötige Kosten zu verursachen und die Unternehmen davon abzuhalten Geld auf den öffentlichen Märkten zu besorgen. Der heutige Vorschlag schafft ein besseres Gleichgewicht. Es wird das System einfacher, billiger und schneller machen", sagte der für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill.

Dies ist auch eine wichtige Maßnahme zu der in der Investitionsoffensive für Europa angekündigten Verbesserung des Regulierungsrahmens für Investitionen in der Europäischen Union. Die Kapitalmarktunion dient dem Ziel, Finanzmittel für Unternehmen zu erschließen und mehr Möglichkeiten für Anleger in der EU zu schaffen. Der Vorschlag ist auch vor dem Hintergrund des Engagements der Kommission zu sehen, die EU-Rechtsvorschriften zu vereinfachen und gleichzeitig wirksamer und effizienter zu gestalten.

Nahezu alle Unternehmen, die sich beim Anlegerpublikum Kapital beschaffen wollen, müssen den Anlegern einen Prospekt vorlegen. Der Prospekt ist ein rechtliches Dokument, in dem das Unternehmen, seine Hauptgeschäftsbereiche, seine Finanzen und seine Beteiligungsstruktur beschrieben werden. Er muss sämtliche Informationen enthalten, die Anleger benötigen, bevor sie sich dazu entschließen, in das Unternehmen zu investieren.

Die Prospektvorschriften der EU schreiben bestimmte Angaben vor, durch die sichergestellt werden soll, dass Anleger in der gesamten Europäischen Union über die gleichen Informationen über ein Unternehmen, das sich Kapital beschaffen will, verfügen. Eine Angleichung der Offenlegungsstandards soll es einfacher machen, grenzüberschreitend zu investieren.

Für die Unternehmen, insbesondere für kleinere Unternehmen, ist die Erstellung eines Prospekts, der häufig Hunderte von Seiten mit detaillierten Informationen erfordert, jedoch kostspielig und aufwendig. Und für Anleger ist es wahrscheinlich auch nicht immer einfach, sich durch die Fülle von detaillierten Informationen durchzuarbeiten.

"Es ist von ganz entscheidender Bedeutung, dass die Anleger über alle Informationen verfügen, die sie für eine fundierte Anlageentscheidung benötigen", sagte Kommissar Hill. "Nur dann können sowohl Unternehmen als auch Anleger die Möglichkeiten, die der europäische Kapitalmarkt bietet, nutzen. Eine gute Regelung der Prospektvorschriften ist für Start-ups, KMU und Blue Chips gleichermaßen wichtig. Der heutige Vorschlag wird überflüssigen Verwaltungsaufwand verringern und gleichzeitig den Anlegerschutz und das Vertrauen in die Kapitalmärkte stärken."

Der Vorschlag sieht folgende Änderungen vor:

  • Ausnahme für geringe Kapitalbeschaffungen: Der Schwellenwert, ab dem Unternehmen einen Prospekt ausgeben müssen, wird erhöht. So wird beispielsweise kein EU-Prospekt verlangt, wenn das zu beschaffende Kapital unter einer Höhe von 500 000 Euro (vorher 100 000 Euro) bleibt, was vielen KMU den dringend benötigten Raum zum Atmen verschafft. Die Mitgliedstaaten können diese Schwellenwerte für ihren Inlandsmarkt weiter anheben; die entsprechende Höchstgrenze wird von 5 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro heraufgesetzt.
  • Vereinfachter Prospekt für kleinere Unternehmen: KMU brauchen eine Regelung, die auf ihre Bedürfnisse und den Bedarf ihrer Anleger abgestimmt ist, so dass sie einen Prospekt erstellen können, der im Verhältnis zum Umfang der Finanzmittel oder den Vorteilen für die Anleger keine unangemessenen Kosten verursacht. Für kleinere Emittenten, die europäische Märkte erschließen wollen, werden wir eine echte „Light-Regelung“ schaffen, d. h. billigere und weniger komplizierte Prospekte vorsehen. Wir werden zudem die bestehenden Schwellenwerte für KMU, die diese Regelung in Anspruch nehmen können, anheben – von einer Marktkapitalisierung von 100 Mio. Euro auf 200 Mio. Euro.
  • Kürzere Prospekte und bessere Anlegerinformation: Die Zusammenfassung des Prospekts ist oft recht lang und in einer komplizierten Rechtssprache abgefasst, die für die meisten Anleger nicht adressatengerecht ist. Dies erhöht die Kosten für die Unternehmen, ohne den Anlegern greifbare Vorteile zu bringen. Wir werden die Erstellung kürzerer und klarerer Prospekte unterstützen und zu diesem Zweck den Umfang der EU-weit vorgeschriebenen Informationen, auf die verwiesen werden kann und die deshalb nicht wiederholt werden müssen, erhöhen.
  • Erleichterung von Sekundäremissionen börsennotierter Unternehmen: Unternehmen, die bereits auf öffentlichen Märkten notieren und zusätzliche Aktien oder Schuldtitel (Unternehmensanleihen) begeben wollen, können einen neuen, vereinfachten Prospekt ausgeben. Dies erhöht die Flexibilität und senkt den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, die mehr als nur einmal auf die Kapitalmärkte zugreifen möchten. Derzeit betreffen 70 Prozent der jährlich gebilligten Prospekte sogenannte Sekundäremissionen von bereits auf einem öffentlichen Markt notierten Unternehmen.
  • Beschleunigte und vereinfachte Regelung für aktive Emittenten: Unternehmen, die die Kapitalmärkte häufig in Anspruch nehmen, wird die Möglichkeit der Einreichung eines jährlichen "Einheitlichen Registrierungsformulars" und damit einer Art von "Rahmenregistrierung" geboten, bei der alle notwendigen Informationen über das Unternehmen, das Aktien oder Anleihen begeben will, erteilt werden. Emittenten, die ein solches Formular bei ihren Aufsichtsbehörden regelmäßig aktualisieren, kommen in den Genuss eines beschleunigten Billigungsverfahren von fünf Tagen, das zur Anwendung kommt, wenn sie durch die Ausgabe von Aktien, Anleihen oder Derivaten die Kapitalmärkte in Anspruch nehmen wollen.
  • Einheitliche Anlaufstelle für alle EU-Prospekte: Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wird erstmals einen kostenlosen Online-Zugang mit Suchfunktion für alle im Europäischen Wirtschaftsraum gebilligten Prospekte bieten. Der Vorteil für die Anleger besteht darin, dass sie über ein einziges Portal Zugang zu Informationen über Unternehmen erhalten können, die börsennotierte Aktien oder Unternehmensanleihen auf Märkten anbieten, auf denen die Öffentlichkeit investieren kann. Prospekte und damit verbundene Dokumente müssen auch auf den Websites der Emittenten verfügbar sein, um einen einfachen Zugang in allen relevanten Sprachen zu gewährleisten.

Die aktuelle Richtlinie 2003/71/EG (Prospektrichtlinie) harmonisiert die Regelungen für die Veröffentlichung von Prospekten durch Unternehmen, die entweder durch Ausgabe von Aktien oder durch Anbieten von Investitionsmöglichkeiten für die breite Öffentlichkeit Kapital beschaffen wollen. Die Prospektrichtlinie wurde 2003 verabschiedet und 2010 überarbeitet, um die Kapitalaufnahme für Unternehmen in der gesamten Union einfacher und kostengünstiger zu machen. Sobald ein Prospekt von einer Aufsichtsbehörde in einem Mitgliedstaat gebilligt wurde, kann er genutzt werden, um in allen anderen Mitgliedstaaten Aktien oder Unternehmensanleihen und Derivate auszugeben.

Die Rückmeldungen zu einer im Jahr 2015 von der Kommission durchgeführten Konsultation brachten jedoch einige Mängel der Richtlinie zum Vorschein. Für Unternehmen ist die Erfüllung der derzeitigen Vorschriften mit einem erheblichen Bürokratieaufwand und der Erstellung von Dokumentationen verbunden, die mitunter mehrere hundert Seiten umfassen. Die Informationen werden häufig in einer Rechtsterminologie verfasst, die für viele Anleger schwer verständlich ist. Dies schafft Rechtsunsicherheit und steht im Widerspruch zum Ziel der Kapitalmarktunion, den Anlegern einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten zu bieten.

Mit der vorgeschlagenen Verordnung werden diese Mängel behoben und wird sichergestellt, dass die offenzulegenden Informationen in ihrem Umfang auf ein angemessenes Maß reduziert und in einer klaren und verständlichen Sprache präsentiert werden. Durch die Umwandlung der Richtlinie in eine Verordnung werden in der gesamten EU ein effizienteres und einheitlicheres Herangehen gewährleistet und die Fragmentierung entlang den nationalen Grenzen und der Spielraum für Unterschiede bei der Umsetzung auf nationaler Ebene verringert.

Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU (den Mitgliedstaaten) zur Beratung und Verabschiedung unterbreitet.




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