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Jeder Sechste sieht durch Digitalisierung eigenen Arbeitsplatz in Gefahr

20.11.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst & Young GmbH.

Auf 67 Prozent der Arbeitnehmer hat Digitalisierung bereits einen erheblichen oder mittleren Einfluss. Jeder Dritte rechnet mit erheblicher Veränderung seines Aufgaben­bereiches durch die Digitalisierung und 30 Prozent der Über-60-Jährigen fühlen sich den Veränderungen nicht gewachsen. Das sind Ergebnisse der EY-Jobstudie, für die 1.400 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland befragt wurden.

Arbeiten mit Smartphone oder Tablet, Automatisierung, virtuelle Teams – die Digitalisierung beeinflusst den Arbeitsalltag immer mehr und führt dazu, dass Aufgaben erheblich verändert oder sogar ersetzt werden. Auf zwei von drei Arbeitnehmern (67 Prozent) hat die Digitalisierung nach eigener Aussage bereits einen erheblichen oder mittleren Einfluss. Gar keinen Einfluss spürt gerade einmal jeder sechste Arbeitnehmer (17 Prozent).

So sagen jetzt schon neun Prozent, dass neue Technologien in erheblichem Umfang Teile ihrer Arbeit ersetzt haben – bei 29 Prozent immerhin geringfügig. Bei etwa jedem Sechsten (16 Prozent) gehen die Veränderungen sogar so weit, dass sie ihren Arbeitsplatz in Gefahr sehen.

Und die Auswirkungen werden eher noch zunehmen: 70 Prozent der Beschäftigten gehen davon aus, dass sich durch die Digitalisierung ihr eigener Aufgabenbereich verändern wird – fast jeder Dritte (32 Prozent) rechnet sogar mit einer erheblichen Veränderung.

Konkret wirken sich bei 59 Prozent internetfähige Arbeitsgeräte wie Tablet oder Smartphone auf ihren Job aus. Neue Programme und IT-Anwendungen sind bei 57 Prozent Teil des Jobs. Die Digitalisierung und Automatisierung etwa in Produktion oder Entwicklung betrifft 49 Prozent.

Ulrike Hasbargen, Partnerin bei EY, kommentiert: „Die Arbeitnehmer nehmen den technologischen Wandel noch erstaunlich gelassen hin, wenn man bedenkt, wie tiefgreifend er das Arbeitsleben bereits gewandelt hat und noch weiter verändern wird. Dabei spielt auch die Psychologie eine Rolle: Viele können sich noch gar nicht vorstellen, wie groß die Auswirkungen tatsächlich sein werden – oder sie wollen es nicht. Klar ist aber: Die Arbeitswelt in zehn Jahren wird erheblich anders aussehen als heute.“ Hasbargen erwartet durch die großen Fortschritte unter anderem auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz eine „zweite Automatisierungswelle“, die zahlreiche Jobs überflüssig machen und viele Stellenprofile verändern wird.

Für EY-Partnerin Silvia Hernandez zeigen diese Ergebnisse, dass der technologische Wandel durch die Digitalisierung von den Unternehmen aktiv gestaltet werden muss: „Die Arbeitnehmer dürfen mit den digitalen Möglichkeiten nicht alleine gelassen werden. Der Nutzen neuer Technologien muss ihnen von Anfang an genau erklärt und in Schulungen beigebracht werden. Denn sie bedeuten für die Mitarbeiter auch eine Chance: Sie nehmen ihnen eintönige Aufgaben ab und ermöglichen ihnen, sich auf die menschlichen Stärken zu konzentrieren und diese auszubauen: Kreativität, Empathie und die Lösung von komplexen, multidimensionalen Problemen. Wir ermutigen die Betriebe, die Automatisierung positiv zu besetzen und eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen gemeinsam mit Maschinen effizienter arbeiten.“

Überdurchschnittlich viele junge Arbeitnehmer fühlen sich durch Digitalisierung überfordert

Noch sagen 40 Prozent, dass sie sich den Veränderungen durch die Digitalisierung immer gewachsen fühlen, 44 Prozent geben an, dass dies meistens der Fall sei. Allerdings haben immerhin 16 Prozent erhebliche Probleme mit der Digitalisierung: Sie fühlen sich den neuen Herausforderungen selten oder nie gewachsen. Dieser Anteil dürfte allerdings deutlich zunehmen, wenn neue Automatisierungstechnologien in immer mehr Unternehmen Einzug halten.

Am höchsten ist der Anteil derer, die Schwierigkeiten mit den Veränderungen haben, mit 30 Prozent erwartungsgemäß bei den Über-60-Jährigen. Doch auch die Bis-20-Jährigen fühlen sich mit einem überdurchschnittlichen Anteil von 22 Prozent überfordert.

Hernandez wertet den hohen Anteil der jungen Mitarbeiter, die sich überfordert fühlen, als „Alarmsignal“. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den jugendlichen die nötigen Fähigkeiten für das immer digitaler werdende Berufsleben mitzugeben. Schulen, Elternhaus und die berufliche Ausbildung müssen hier Angebote schaffen und proaktiv werden.“

Fast die Hälfte der Unternehmen lässt Mitarbeiter mit der Digitalisierung allein

In vielen Unternehmen werden bereits entsprechende Fort- und Weiterbildungen angeboten: 58 Prozent der Befragten berichten, dass es in ihrem Unternehmen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gibt. Aber: Immerhin 42 Prozent werden nicht von ihren Unternehmen auf die Veränderungen vorbereitet. Ausgerechnet in der freien Wirtschaft, die sich durch den Konkurrenzdruck eigentlich stärker neuen Technologien öffnen muss, sind die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen noch unterdurchschnittlich verbreitet: 52 Prozent der dort Beschäftigten erhalten entsprechende Angebote. Im öffentlichen Dienst sind es dagegen 67 Prozent.

„Die Mitarbeiter müssen besser auf die Digitalisierung vorbereitet werden“, sagt Hasbargen. „Die Zurückhaltung der freien Wirtschaft sollte sich ändern. Denn Digitalisierung heißt Zukunftssicherung.“ Eine „Vogel-Strauß-Haltung“, bei der Unternehmen den Kopf in den Sand steckten und abwarteten, sei gefährlich.

Mitarbeiter von Banken und Versicherungen am stärksten betroffen

Insbesondere bei Banken und Versicherungen, die unter anderem durch die zunehmende Konkurrenz von FinTechs getrieben werden, machen sich die Veränderungen durch die Digitalisierung bemerkbar. 76 Prozent der Beschäftigten aus der Branche erhalten bereits Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Das ist offenbar auch nötig: 80 Prozent sagen, die Digitalisierung habe auf sie einen erheblichen oder mittleren Einfluss – so viele wie in keiner anderen Branche. Außerdem gehen 88 Prozent davon aus, dass sich ihr Aufgabenbereich verändern wird – ebenfalls mehr als in allen anderen Branchen.

Die Fortbildungsoffensive scheint Früchte zu tragen: Trotz der hohen Betroffenheit sagen nur sieben Prozent der Beschäftigten aus der Banken- und Versicherungsbranche von sich, dass sie sich nie oder selten den Veränderungen gewachsen fühlen – der niedrigste Wert unter allen Branchen. Konkrete Auswirkungen bekommen eher die Mitarbeiter anderer Branchen zu spüren: So sagen 60 Prozent der Beschäftigten aus der Automobilindustrie, dass neue Technologien Teile ihrer Arbeit ersetzt haben. Auch in der Land- und Forstwirtschaft und in der Telekommunikationsbranche ist der Anteil mit 51 Prozent beziehungsweise 47 Prozent höher.

Die Mitarbeiter in der Autoindustrie sind es auch, die sich am meisten Sorgen um ihren Job machen: 35 Prozent fürchten, ihr Arbeitsplatz könnte wegen neuer technologischer Entwicklungen in Gefahr sein. In der Telekommunikationsbranche befürchten dies 28 Prozent, im Banken- und Versicherungswesen 27 Prozent. „Gerade die Autoindustrie hat ihre deutschen Werke in den vergangenen Jahren im internationalen Wettbewerb auf Effizienz getrimmt und in Automatisierung investiert. In den hochtechnisierten Fabriken haben Roboter viele Arbeitsschritte übernommen. Weitere Automatisierungswellen scheinen hier realistisch“, erklärt Hasbargen.

Arbeitsbelastung höher und Arbeitsprozesse komplizierter geworden

Dass sich einige Arbeitnehmer überfordert fühlen und sich Sorgen machen, könnte auch daran liegen, dass die neue Technik das Arbeitsleben offenbar eher schwieriger als leichter macht – und zwar in allen Branchen: 28 Prozent sagen, dass sich ihre Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung erhöht hat, wohingegen nur 13 Prozent von einer geringeren Belastung berichten. Zudem sind die Arbeitsprozesse für mehr Befragte komplizierter als einfacher geworden: 36 Prozent der Befragten müssen komplexere Arbeitsprozesse bewältigen, nur 26 Prozent freuen sich dagegen über einfachere Prozesse.

Gleichzeitig erkennen die Arbeitnehmer aber auch die Vorteile der Digitalisierung: Mehr als jeder Fünfte sagt, dass sich in den vergangenen fünf Jahren durch die Digitalisierung die Identifikation mit seiner Arbeit erhöht hat. Lediglich jeder Achte gibt an, dass sie gesunken ist. Auch die Kommunikation untereinander hat sich intensiviert: 30 Prozent der Arbeitnehmer sagen, sie würden infolge der Digitalisierung im Team häufiger kommunizieren, und 24 Prozent tauschen sich häufiger mit ihrem Chef aus. Seltener ist die Kommunikation dagegen nur für 14 beziehungsweise 15 Prozent geworden.

„Die Digitalisierung hat das Verständnis von Arbeit für zahlreiche Arbeitnehmer bereits grundlegend gewandelt“, sagt Hernandez. „In vielen Jobs sind die Beschäftigten ständig online und permanent erreichbar. Das macht die Kommunikation auf der einen Seite einfacher, kann aber auch zu einer höheren Belastung führen, da sie nie richtig abschalten können. Zudem müssen sie ständig flexibel und lernwillig bleiben, weil neue Technologien in immer kürzeren Abständen Einzug in den Arbeitsalltag halten.“

Hasbargen sagt abschließend: „Digitale Hilfsmittel wie Smartphones, Computerprogramme oder Services aus der Cloud haben die Art und Weise, wie wir arbeiten, völlig verändert. Das Arbeiten auch über Ländergrenzen hinweg ist durch Telekommunikations- und Videolösungen einfacher, die Entwicklung von Produkten mit Hilfe von entsprechender Software zeitsparender und günstiger und die Produktion durch Automatisierung flexibler geworden. All das führt zu mehr Kommunikation im Team und mit Vorgesetzten trägt wiederum zur erhöhten Identifikation mit der Arbeit bei.“

Die Studie finden Sie hier.

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