09.01.2020 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V..
Wie eine Ende dieses Jahres veröffentlichte gemeinsame Studie von eco und Arthur D. Little gezeigt hat, kann ein flächendeckender Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland bis 2025 über 13 Prozent wachsen lassen. Doch dieses enorme Wertschöpfungspotenzial wird aktuell noch verkannt: Unter den wichtigsten Digitalstandorten der Welt liegt Deutschland weiterhin nur im Mittelfeld. Auch im Jahr 2019 hat die Bundesrepublik die digitale Revolution verpasst.
„Viel ist in Bewegung, doch das Jahr 2019 war in erster Linie von negativ und ängstlich geführten Debatten in der Digitalpolitik geprägt, die häufig zu unausgereiften Regulierungs-Schnellschüssen führten und letztlich die Digitalbranche vor völlig neue Herausforderungen stellten. Nach wie vor fehlt die positive Vision einer gestaltenden Netzpolitik mit einem optimistischen Leitgedanken für die digitale Zukunft für Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschland muss jetzt endlich seine Digital-Power aktivieren, bevor es zu spät ist“, sagt der eco Vorstandsvorsitzende Oliver J. Süme.
Doch für die erfolgreiche digitale Transformation und Adaption von wichtigen Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz benötigt die deutsche Wirtschaft auch politischen Rückenwind. Hierfür hat sich der Verband der Internetwirtschaft auch im Jahr 2019 eingesetzt und zahlreiche digitalpolitische Debatten auf nationaler und europäischer Ebene aktiv mitgestaltet: So sind KI, 5G, das Urheberrecht, die Vorratsdatenspeicherung und die Bedeutung digitaler Infrastrukturen nur einige der zentralen Themen, die in diesem Jahr im Fokus des Verbands lagen.
Rund zwei Jahre nach Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sehen die Mitte Dezember bekannt gewordenen Pläne des Bundesjustizministeriums eine Ausweitung der gesetzlichen Regulierung vor, die weit über die ursprüngliche Intention hinausgehen. Neben einer Meldepflicht für soziale Netzwerke sollen auch spezielle Regelungen für die Datenerhebung und Weitergabe im Telemediengesetz sowie die Herausgabe von Passwörtern geschaffen werden. Dies bezieht sich nicht nur auf die Anbieter von sozialen Medien, sondern auf alle Dienste, die unter das Telemediengesetz fallen. Hierzu zählen E-Mail-Anbieter, Webseiten- und Forenbetreiber, Online-Shops, Chat- und Messengerdienste sowie Clouddienste. Die Telemediendienste-Betreiber werden damit vor enorme organisatorische und kostenintensive Herausforderungen gestellt, zudem kann die Herausgabe dieser sensiblen personenbezogenen Informationen weitreichende Rückschlüsse auf politische, sexuelle, finanzielle und andere persönliche Interessen der Nutzenden zulassen. Der gläserne Mensch wird damit immer greifbarer.
Anfang Dezember wurde der Medienstaatsvertrag von den Ministerpräsidenten beschlossen. In Kraft treten wird er voraussichtlich im September 2020. Noch in letzter Minute wurden Änderungen vorgenommen, die die Funktion von Benutzeroberflächen erheblich einschränken. Nutzer von Smart-TVs sollen künftig Überblendungen (zum Beispiel im Rahmen von elektronischen Programmführern) nicht mehr generell autorisieren können. Solche Vorgaben sind weder nutzerfreundlich noch innovationsfördernd. Darüber hinaus drohen Inkonsistenzen mit dem EU-Recht, da das neue Regelwerk nicht im Einklang mit der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste steht. Dies bestätigt auch ein Rechtsgutachten des Instituts für Europäisches Medienrecht. Damit wurde die Chance verpasst, eine einfache, zukunftsfeste und ausgewogene Medienregulierung zu etablieren.
Die neue EU-Kommission startete am 1. Dezember mit ihrer Arbeit, nachdem Ursula von der Leyen bereits im Juli zur Präsidentin gewählt worden war. Die Kommission hat jetzt den wichtigen Auftrag, dem Digitalstandort Europa mit einer visionären digitalen Agenda mehr Dynamik zu geben. Es bleibt abzuwarten, ob von der Leyen wie angekündigt, schon in den ersten 100 Tagen Maßnahmen zur KI auf den Weg bringt. Zudem möchte die Kommissionspräsidentin – voraussichtlich in Zusammenarbeit mit ihrer neuen Digital-Kommissarin Margrethe Vestager – große Digitalunternehmen besteuern, die E-Commerce-Richtlinie erneuern sowie eine „Cyber-Unit“ etablieren, um den Informationsaustausch in der EU zu beschleunigen.
Der Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes war ein viel diskutiertes Thema in diesem Jahr. Aktuell läuft eine fraktionsübergreifende politische Debatte im Bundestag über die für den 5G-Ausbau erforderlichen Sicherheitsanforderungen und welche Maßstäbe dafür vorgeschrieben werden sollen um den Abhängigkeiten und Sicherheitsbedenken gegenüber Herstellern und Anbietern zu begegnen, damit Deutschland weltweit den Maßstab für sichere 5G-Netze setzt. Dabei hat die Bundesnetzagentur bereits im Oktober einen Entwurf für neue Sicherheitsanforderungen an Telekommunikationsnetzbetreiber veröffentlicht, die sie gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit des Bundes (BfDI) erarbeitet hat.
Ende November hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgestellt. Die industriepolitischen Herausforderungen der Zukunft, wie die Transformation der Wirtschaft, der zunehmende Fachkräftemangel in Folge des demografischen Wandels und drohende handelspolitische Hemmnisse wurden in der Industriestrategie erkannt. Jetzt muss Deutschland endlich das Innovationspotenzial der Digitalisierung aktivieren und mehr innovative Schlüsseltechnologien wie KI in Industrie und Wirtschaft in die Anwendung bringen. Das volks- und betriebswirtschaftliche Potenzial von Künstlicher Intelligenz ist riesig und darf nicht ungenutzt bleiben.
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung war auch 2019 wieder ein vieldiskutiertes Thema auf nationaler und europäischer Ebene. Das Bundesverwaltungsgericht setzte Ende September das Verfahren gegen die Vorratsdatenspeicherung aus und hat in einem Vorabentscheidungsverfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Vereinbarkeit der deutschen Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht vorgelegt. Der EuGH wird entscheiden, ob die deutschen Regeln mit der Datenschutzrichtlinie und der EU-Grundrechte-Charta vereinbar sind. Zuletzt hatte der EuGH im Dezember 2016 erklärt, dass eine generelle anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist.
In Kraft getreten ist die neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht am 6. Juli 2019. Nun haben die nationalen Gesetzgeber bis zum 7. Juni 2021 Zeit, um sie in die eigenen Gesetze zu überführen. Im Rahmen dieser Umsetzung können viele gravierende Fehler korrigiert werden, die bei der Abfassung der Richtlinie gemacht wurden. Und das ist dringend notwendig: Ansonsten könnte die kulturelle Vielfalt im Netz erheblichen Schaden nehmen. Die Bundesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich gegen Uploadfilter ausgesprochen und diese als unverhältnismäßig abgelehnt. Auch in der im Zuge der Abstimmung im Rat abgegebenen Erklärung wurde dies bekräftigt. Deutschland darf die eigenen Prinzipien bei der nationalen Umsetzung deshalb nicht über Bord werfen.
Themen
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