16.09.2014 — Lars Kaupisch. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
... allerdings sollten Sie bei der Beschlussfassung darauf achten, möglichst präzise und ausführlich sämtliche Bedingungen festzuhalten, unter denen das Zugreifen auf die Rücklagen erlaubt ist. Bei zu viel Interpretationsspielraum riskieren Sie nämlich eine Anfechtungsklage.
In dem Fall (LG Frankfurt, 2-13 S 91/13), der diesen Artikel inspiriert hat, geschah genau das: Per Mehrheitsbeschluss erlaubte die Wohnungseigentümergemeinschaft der Verwalterin pauschal, bei Liquiditätsengpässen kurzfristig bis zu 10.000 € aus den Rücklagen zu entnehmen. Ohne irgendwelche weiteren Einschränkungen hinzuzufügen oder beispielsweise zu definieren, was "kurzfristig" denn heiße. Es wurde also ein regelrechter Freifahrtschein ausgestellt.
Einer der Eigentümer sah in diesem Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklagen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verletzt und focht den Beschluss vor Gericht an. Dieses gab ihm Recht.
Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehöre, so das Gericht, dass die Rücklagen nicht zweckentfremdet würden. Bis zu einem gewissen Grad könne die WEG das zwar per Mehrheitsbeschluss zulassen, aber nur so weit, dass die Rücklagen dem ursprünglichen Zweck, Sanierungen und Reparaturen durchzuführen, immer noch dienen könnten. Im Falle einer vollständigen oder weitgehenden Auflösung der Rücklagen sei das nicht mehr gegeben.
Die konkreten Rücklagen, um die es hier ging, beliefen sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung auf ca. 180.000 € – man hätte nun also ohne Weiteres so argumentieren können, dass die Entnahme der im Beschluss genannten 10.000 € als Finanzspritze wahrscheinlich keinerlei Gefahr für die Rücklage an sich darstellen würde.
Aber, wie so häufig bei Gesetzen und Verträgen: Spitzfindigkeit ist wichtig, Wahrscheinlichkeiten hingegen eher weniger.
Das Gericht hielt fest, dass die Interpretation von Beschlüssen, die Wohnungseigentümergemeinschaften treffen, auf Grundlage des Wortlauts erfolgen muss. Nicht im Zusammenhang mit (wirtschaftlichen) Rahmenbedingungen, die von Fall zu Fall unterschiedlich sein können. Deshalb müsse ganz wesentlich im Beschluss enthalten sein, wie viel Geld eigentlich für Instandsetzungen der Anlage jeder Zeit mindestens verfügbar zu sein habe, welche Maßnahmen in absehbarer Zeit anstünden, in welchem Zustand die Anlage sich befinde und Ähnliches.
In diesem Beschluss stand allerdings lediglich, wie viel von den Rücklagen anderweitig hätte verwendet werden dürfen. Nicht, von welchem Anteil die Finger hätten gelassen werden müssen. Damit sei der Beschluss zu weit gefasst gewesen. Er garantiere nicht die Sicherheit, für welche die Instandhaltungsrücklage gedacht sei, und sei dementsprechend für ungültig zu erklären.
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