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ETAs stehen für Sicherheit, Dynamik und Produktivität in der Befestigungstechnologie

01.07.2021  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Deutsches Institut für Bautechnik.

ETAs spielen traditionell eine wesentliche Rolle in der Befestigungs- und Verankerungstechnik. Über die Rolle der ETA in der Dübelbranche sprachen wir mit Thomas Holland-Letz, Leiter Technik im europäischen Dübelverband Construction Fixings Europe (CFE).

Herr Holland-Letz, Europäische Technische Bewertungen, oder kurz ETAs, sind in der Befestigungstechnik weit verbreitet. Warum ist das so?

ETAs in der Befestigungstechnik gehen oft auf die Nachfrage der Kunden, etwa im Rahmen eines Bauprojekts, zurück oder auf eine neue Anwendung. Anhand der Produktleistungsangaben in der ETA können Planer und Bauausführende sicher und effizient die für ihr Vorhaben geeigneten Befestigungs­produkte wählen, z. B. in Hinblick auf Einwirkungen, Expositionsklassen oder Lebensdauer. Das gewährleistet sichere Anwendungen.

Verglichen mit anderen Märkten, genießt Europa ein hohes Maß an Bauwerkssicherheit. Die ETAs haben hieran wesentlichen Anteil. Zum Beispiel sind mir keine schweren Vorfälle durch das Versagen von Befestigungsmitteln in der EU bekannt, während es in den USA oder Japan durchaus zu Zwischenfällen gekommen ist.

Die unabhängige Bewertung im Rahmen der ETA gewährleistet eine hohe Zuverlässigkeit der Produktleistungsinformation. Zudem sind die Produktspezifikationen der ETA auf die Bemessungs­methoden des einschlägigen Eurocodes, EN 1992-4, abgestimmt, was die europaweite Verwendung von Dübeln und anderen Befestigungsmitteln erleichtert.

Die gute Vergleichbarkeit der Produktleistungen für die Kunden regt zudem immer wieder Investitionen in neue oder verbesserte Produkte an.

Darüber hinaus ist die ETA auch jenseits der Grenzen Europas anerkannt. Die Verknüpfung von ETA und CE-Kennzeichnung sorgt zudem für einen fairen Leistungswettbewerb auf Grundlage identischer Bewertungs- und Überwachungsverfahren. Das ermöglicht europäischen Hersteller von Befestigungsmitteln – meist kleinere und mittlere Unternehmen – mit Herstellern aus Billiglohnländern zu konkurrieren.

Welche neueren Entwicklungen im Bereich der Europäischen Bewertungsdokumente halten Sie für besonders wichtig für die Befestigungsindustrie?

Die, meiner Meinung nach, wichtigsten Entwicklungen betreffen die seismische Beanspruchung von Dübeln. Inzwischen gibt es zahlreiche auf Grundlage einer Europäischen Technischen Bewertung CE‑gekennzeichnete Verankerungsprodukte, die für den Einsatz in Erdbebengebieten ausgelegt sind. Dadurch eröffnen sich für die entsprechenden Produkte neue Anwendungsbereiche und für die Hersteller neue Marktchancen. Denn entsprechende Anforderungen gibt es inzwischen auch in einigen Teilen Italiens, Frankreichs und sogar Deutschlands.

Als weitere wichtige Entwicklungen kann man die verstärkte Berücksichtigung von ermüdungs­relevanten Beanspruchungen, die Montage bei niedrigen Temperaturen sowie das EAD zur Erweiterung der Nutzungsdauer von Verbunddübeln auf 100 Jahre nennen. Unsere Experten bezweifeln, dass eine ähnlich dynamische Erschließung neuer Anwendungsfelder im Rahmen der Normung möglich wäre.

In welchem Verhältnis stehen Innovation und Befestigungsmittel? Und welche Rolle spielt hier die ETA?

Die wesentlichen Voraussetzungen für zuverlässige Befestigungen sind Produktleistungsangaben – gemäß ETA – und geeignete Bemessungsverfahren. ETAs enthalten Leistungsdaten zu sehr individuellen Verankerungsprodukten unter verschiedenen Verwendungsbedingungen, etwa für unterschiedliche Untergründe, Verarbeitungstemperaturen etc. Durch die Bemessungsvorgaben werden diese individuellen Produktleistungen in konkrete Anwendungen überführt. Das Zusammenspiel von ETAs und Bemessungsnormen bildet die Grundlage für schnelle, sichere und kosteneffiziente Befestigungslösungen für Hersteller und Kunden. In diesem Kontext steht "Innovation" also nicht immer für ein neues Produkt. Es kann auch die Entwicklung neuer Bewertungsverfahren für existierende Produkte gemeint sein, durch die sich für die Produkte neue Anwendungsfelder erschließen.

Können Sie den Nutzen der ETA für die Befestigungsindustrie vielleicht an einem Beispiel konkret machen?

Das ETA-Verfahren bietet verschiedene Vorteile. Einer der wichtigsten sind die kurzen Vorlaufzeiten für die Erarbeitung von Europäischen Bewertungsdokumenten. Das ist relevant in einer Branche, die häufig unter hohem Zeitdruck agiert.

Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Im Rahmen des großen öffentlichen Nahverkehrsprojekts "Le Grand Paris" (Frankreich) wurden Hochleistungsanker benötigt. Mehrere europäische Hersteller hatten hierfür geeignete Produkte im Programm. Gemäß den zugrundliegenden EADs war deren Nutzungsdauer jedoch auf 50 Jahre beschränkt, während die in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Nutzungsdauer bei 100 Jahren lag.

Die betroffenen Hersteller stellten neue ETA-Anträge. Die EADs wurden kurzfristig überarbeitet und die Produkte konnten rechtzeitig neu bewertet werden, sodass die Hersteller auf Grundlage der europäischen Produktdokumentation an der Ausschreibung teilnehmen konnten. Durch die zügige EAD-Bearbeitung konnten die Hersteller also das europäische Bewertungsverfahren nutzen und waren nicht auf nationale Lösungen, wie Zulassungen oder Gutachten angewiesen, die nur für Frankreich gültig gewesen wären.

Wie wichtig ist für die Befestigungsindustrie auch künftig über den Weg der ETA CE kennzeichnen zu können?

Ohne die Markttransparenz und die europaweite Vergleichbarkeit der Qualität und Leistung von Verankerungsprodukten, die die ETA bietet, würde in der EU wesentlich weniger in die Entwicklung neuer Befestigungsmittel investiert. Davon bin ich überzeugt. Ein in dieser Weise verlangsamtes Tempo könnte sich auch negativ auf andere Ziele und Entwicklungen in der Bauwirtschaft auswirken, etwa im Bereich Automatisierung, bei der Renovierungswelle oder BIM.

Die ETA bleibt ein wichtiges Instrument für einen fairen Wettbewerb in der Befestigungsbranche, und das für Hersteller jeder Größe.

Welche Zielvorstellungen hat Construction Fixing Europe für die Überarbeitung der Bauproduktenverordnung? Wie sollte die ETA-Route künftig aussehen?

Besonderes Augenmerk sollte auf mehr Transparenz und eine einfachere Handhabbarkeit, gerade für kleinere und mittlere Unternehmen, gelegt werden. Hier wäre z. B. ein KMU-freundlicher, modularer Aufbau der EADs wünschenswert. Das Grundgerüst an Leistungsmerkmalen, die für alle Befestigungsmittel eines Typs wesentlich sind, könnte in einem Kern-EAD zusammengefasst werden. Zusatzeigenschaften, wie z. B. für den Einsatz in Erdbebengebieten, würden dann über modular darauf abgestimmten EADs ergänzt. Damit das funktioniert, bräuchte es natürlich klare Regeln für das Änderungsmanagement und eine saubere Referenzierung.

Die Wiedereinführung einer maximalen Gültigkeitsdauer der ETA von fünf Jahren wie unter der Bauproduktenlinie, würde – meiner Meinung nach – die Verlässlichkeit des Systems weiter erhöhen. Denn dadurch würde sichergestellt, dass die ETAs immer dem Stand der Technik entsprechen. Weitere wichtige Maßnahmen sind die Stärkung der Qualitätssicherung und der Zusammenarbeit der Technischen Bewertungsstellen im Bereich der EAD-Erarbeitung und eine Form der Qualitätssicherung für ETAs. Beibehalten werden sollte auch die Vertraulichkeit des EAD-Verfahrens. Vereinfachungen bei der CE-Kennzeichnung und Leistungserklärung (DoP), gerade für ETA-bewertete Produkte, würden eine maßgebliche Verbesserung darstellen.

Bild: WaldNob (Pixabay, Pixabay License)

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