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Ein umkehrbarer Trend

20.08.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Mittelbayerische Zeitung.

Die Städte wachsen, die Dörfer schrumpfen: Das lässt sich stoppen. Dazu braucht es aber Ideen und Geld. Ein Kommentar der „Mittelbayerischen Zeitung”

Ungesunde Attraktivität? Metropolbeispiel Frankfurt.
Ungesunde Attraktivität? Metropolbeispiel Frankfurt. Foto: David Schiersner [Lizenz: CC BY]

Von Katia Meyer-Tien

Regensburg (ots) - Wie ein Dokument des Scheiterns liest sich die Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, die Metropolen wie München, Frankfurt und Berlin "starkes Wachstum" oder immerhin "Wachstum" bescheinigt. Und anderen Kommunen, ländlich kleinen meist, Schrumpfung attestiert. Das Leben in den deutschen Großstädten ist deutlich attraktiver als das auf dem Land, kann man da herauslesen. Wenn dem so ist, ist das nichts anderes als das Scheitern des im Grundgesetz festgeschrieben Zieles, im ganzen Bundesgebiet "gleichwertige Lebensverhältnisse" herzustellen. Bayern hat sich zur Verwirklichung dieses Ziels sogar ein eigenes Heimatministerium geschaffen. Doch noch scheint es unerreichbar.

Der Trend zum Leben in der Stadt hält seit Jahren ungebrochen an. Großstädte versprechen Kultur und Bildung, Arbeitsplätze und Freizeitangebote. Mehr als dreißig Prozent aller Jugendlichen eines Jahrgangs gehen inzwischen nach dem Schulabschluss an eine Hochschule. Doch es sind längst nicht mehr nur die Jungen, die es in die Städte zieht: Moderne Architektur mit viel Grün und seniorengerechtes Wohnen haben die Städte auch für Familien und ältere Menschen attraktiver gemacht.

Gleichzeitig ächzen die Metropolen unter dem Zuzug, siehe München: Mieten steigen, Pendler quälen sich in überfüllten S-Bahnen, Krippen und Kindergärten haben lange Wartelisten, Schulklassen platzen aus allen Nähten. Ebenso die Gemeinden in den so genannten Speckgürteln, deren Infrastruktur für den massiven Zuzug nicht ausgelegt ist und deren öffentliche Einrichtungen von Krippe bis Krankenhaus auf der Suche nach qualifiziertem Personal zusätzlich mit den Einrichtungen in den nahen Metropolen konkurrieren. Personal, das in den ländlichen Gemeinden erst recht fehlt. Hier schließen Schulen und Arztpraxen, Wohnungen und Geschäfte in den Innenstädten stehen leer und verfallen, Gewerbegebiete veröden. Fehlende Gewerbesteuereinnahmen zwingen Bürgermeister dazu, notwendige Investitionen auf ihre Bürger umzulegen, das Wohnen auf dem Land wird teurer und noch unattraktiver: Die Landflucht scheint ein unaufhaltsamer Trend, der fast nur Verlierer kennt.

 

Dabei waren die Bedingungen für das Leben auf dem Land eigentlich nie besser. Denn die Digitalisierung hat das Potenzial, viele der Nachteile auszugleichen, die das Landleben einst unattraktiv machten. Aktuelle Nachrichten und Börseninformationen sind für jeden überall und jederzeit zugänglich, die neueste Mode, der modernste Fernseher und selbst Lebensmittel sind heute über das Internet verfügbar und werden auch im kleinsten Dorf bis an die Haustür gebracht. Soziale Medien ermöglichen private und geschäftliche Kommunikation in Echtzeit, weltweit. Schnelle Internetverbindung vorausgesetzt. In der Oberpfalz verfügten Ende 2014 nur 54 Prozent aller Haushalte über eine Internetverbindung von mindestens 50 MB/s. Aber 215 von 226 Kommunen befanden sich schon im Förderverfahren des Heimatministeriums, das bis 2018 mehr als eine Milliarde Euro in den Breitbandausbau investiert. Das ist ein erster Schritt.

Staatliche Förderprogramme können allerdings nur begrenzt helfen. Strukturwandel braucht Ideen. Studien zeigen, dass der Bevölkerungsschwund dort aufgehalten werden kann, wo sich die Kommunen auf ihre individuellen Stärken besinnen. Das kann der Tourismus sein, genauso gut aber attraktive Modelle der Bürgerbeteiligung oder kreative Modellprojekte. Bürgerbusse oder Car-Sharing-Modelle können Mobilität dort ermöglichen, wo sich der öffentliche Nahverkehr nicht mehr rechnet, Schulen und Kindergärten neue, flexible und überregional attraktive Lernkonzepte entwickeln, mobile Arztpraxen oder regionale Gesundheitszentren Gesundheitsversorgung da sicherstellen, wo lokale Hausärzte aufgegeben haben. So kann der existenzbedrohende Druck der Landflucht zur Chance werden, ganz neue Infrastrukturmodelle zu erproben. Das kostet Geld, könnte aber diejenigen, die in jungen Jahren zum Lernen fortgehen, zur späteren Rückkehr motivieren. An ihnen wird sich zeigen, ob es gelingt, das Leben auf dem Land wieder zur echten Alternative zum Stadtleben zu machen, mit gleichen Chancen und vergleichbarer Lebensqualität. Gleichwertig eben.

 

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