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Ein Jahr Mindestlohn: Mehr reguläre Beschäftigung gerade in Niedriglohnbranchen

06.01.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.

Auch nach einem Jahr hat der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland unter dem Strich keine negativen Arbeitsmarkteffekte gebracht.

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist im Gegenteil spürbar gestiegen, und zwar gerade in traditionellen Niedriglohnbranchen. So lag etwa im Gastgewerbe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im September 2015 um 6,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Zurückgegangen ist lediglich die Zahl oft sehr niedrig bezahlter und schlecht abgesicherter Minijobs, was zum Teil aber daran liegen dürfte, das diese Arbeitsverhältnisse in reguläre Stellen umgewandelt wurden. Das zeigen die neuesten vorliegenden Daten aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit, die Dr. Thorsten Schulten, Mindestlohn­experte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet hat.

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Die aktuellen Zahlen bestätigen die positive Tendenz, die Schulten und Dr. Claudia Weinkopf, Forscherin an der Universität Duisburg-Essen und wissenschaftliches Mitglied in der Mindestlohnkommission der Bundes­regierung, im September in einer Zwischenbilanz beschrieben haben. „Die Warnungen, der Mindestlohn gefährde massenhaft Arbeitsplätze, waren offensichtlich falsch“, sagt Schulten. „In begrenztem Maße kann sogar davon ausgegangen werden, dass mit seiner Einführung ein zusätzlicher Kaufkraftgewinn entstanden ist, der die Inlandsnachfrage gestärkt und damit die Entstehung neuer Beschäftigung gefördert hat. “ Spürbare Zuwächse bei der Kaufkraft gerade weniger qualifizierter Arbeitnehmer hatte unter anderem die Bundesbank in einer Analyse dokumentiert. Daher seien neue Ausnahmen vom Mindestlohn für Flüchtlinge nicht sinnvoll, erklärt Schulten.

Das unterstreicht auch Prof. Dr. Gustav A. Horn. „Hinter der Behauptung, dass die Flüchtlinge nur mit einem abgesenkten oder gar ausgesetzten Mindestlohn in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten, steht eine verengte Sichtweise, die Beschäftigungsmöglichkeiten allein bei hinreichend niedrigen Löhnen sieht“, sagt der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. „Tatsächlich sind andere Faktoren dominierender, wie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als überragende Determinante der Beschäftigung. Und die wird dadurch gestärkt, dass der Mindestlohn einen Sog nach unten bei der Bezahlung verhindert. Die Untergrenze stützt damit unsere Wirtschaft. Aber dazu muss sie für alle gelten.“

Nach den aktuellen BA-Zahlen, die die Entwicklung bis Ende September erfassen, sind deutschlandweit im Vergleich zum Vorjahr knapp 688.000 sozialversicherungspflichtige Stellen neu entstanden. Das entspricht einem Zuwachs von 2,2 Prozent. Den prozentual größten Anstieg weist mit dem Gastgewerbe eine „klassische Niedriglohnbranche“ auf, so WSI-Experte Schulten. Auch bei der Leiharbeit, den „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“, zu denen beispielsweise Wachdienste, Gebäudereinigung und Callcenter gehören, im Sozialwesen und im Bereich Verkehr und Lagerei hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung über­durch­schnitt­lich zugelegt, obwohl der Mindestlohn vielen Arbeitnehmern in diesen Branchen Gehalts­steigerungen beschert haben dürfte. In den einzigen Wirtschaftszweigen mit Arbeitsplatzverlusten – Finanzdienstleistungen und Energiewirtschaft – spielen Niedriglöhne dagegen kaum eine Rolle. „Bei der Entwicklung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse lassen sich demnach bislang keinerlei negativen Effekte des Mindestlohns nachweisen“, urteilt der Arbeitsmarktexperte.

Gleichzeitig gesunken ist die Zahl der Minijobs: Laut BA hat die Zahl der geringfügigen Beschäftigungs­verhältnisse zwischen September 2014 und September 2015 um 128.300 abgenommen, das entspricht einem Rückgang um 1,7 Prozent. Allerdings sei dieser nicht einfach mit Arbeitsplatzverlusten gleichzusetzen, betont Schulten. Es sei gut möglich, dass ein erheblicher Teil der ehemaligen Minijobs in reguläre Beschäftigungs­verhältnisse umgewandelt wurde. Dafür spreche die deutliche Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Stellen in Branchen wie dem Gastgewerbe, dem Handel oder den „sonstigen Dienstleistungen“. Allein in diesen drei Bereichen, in denen traditionell Minijobs weit verbreitet sind, entstanden zwischen September 2014 und September 2015 rund 215.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Stellen.


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