03.05.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: pressetext.
Für das explosionsartige Wirtschaftswachstum in China haben viele Städte astronomische Schulden auf sich genommen. Damit die Konjunktur im Land angekurbelt wird, wurden seit der Krise 2008 öffentliche Finanzierungsinstrumente in gewaltigem Ausmaß eingesetzt. Die Kommunal-Schulden im Reich der Mitte belaufen sich mittlerweile auf 10,7 Bio. Yuan (1,3 Bio. Euro). Vor der Pleite steht China allerdings keineswegs. Dies zeigt eine Analyse des Wall Street Journals.
Dunkle Wolken am Immobilienhimmel? - Shanghai. Foto: Jonathan Kos-Read (Lizenz: cc by-nd)
Stadtchef abgesetzt
In Chongqing, Metropole mit 29 Mio. Einwohnern an den Flüssen Jangtze und Jialing, kämpft man nicht nur gegen den Smog, sondern vor allem gegen die angehäuften Kommunal-Schulden. "Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass die Stadt Chongqing sowie die staatlichen Unternehmen Ende des Jahres 2011 mit rund einer Bio. Yuan in der Kreide standen", sagt Victor Shih von der Northwestern University. Unter der Führung des lokalen Parteichefs Bo Xilai hat die Stadt Verbindlichkeiten im Wert von 100 Prozent der Wirtschaftsleistung der gesamten Region aufgenommen.
Damit wurden Banken refinanziert sowie die Infrastruktur auf westliche Standards ausgebaut - in sechs Jahren wurden 83.000 Kilometer Straßen gebaut und die Länge des Schienennetzes verdoppelt. Vor allem aber sollten ausländische, finanzstarke Unternehmen angelockt werden. So betreibt Ford hier eines seiner größten Werke außerhalb der USA, Foxconn produziert Apples iPhones und iPads. Das Wirtschaftswachstum explodierte, die Schuldenlast auch. "Opa Bo", so wie Einwohner den beliebten Stadtchef nennen, wurde inzwischen von der Pekinger Führung abgesägt. Ermittlungen wegen Verletzungen der Parteidisziplin sind angelaufen.
Es ist allerdings falsch zu denken, dass Chongqing kurz vor dem Konkurs steht. Die Stadt kann beträchtliche Werte vorweisen, ein großer Teil ist mit Land abgesichert. Bricht allerdings der Immobilienmarkt zusammen, so würde die Metropole besonders hart darunter leiden.
Kluft zwischen Arm und Reich
"Viele Immobilien in Chinas Städten sind komplett überteuert, viele Wohnungen werden gar nicht bezogen", sagt Therese Geulen, Expertin vom Ostasien-Institut in Bonn, im Interview mit pressetext. Das Beispiel Chongqing stehe exemplarisch für viele chinesische Städte. Massive Verschuldung wird für Hochkonjunktur in Kauf genommen. "Die Provinzen stehen in direkter Konkurrenz zueinander. Politiker werden befördert, wenn sie in ihrer Region eine hohe Wirtschaftleistung erreichen", erklärt Geulen.
Zudem sei ein Wertewandel im sozialistischen Staat auszumachen. "Die neue Einzelkind-Generation vertritt rein kapitalistische Werte. Man trichtert ihnen ein: Entweder du bist der Beste oder du bist gar nichts." Viele wollen schnell reich werden, die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer. "Die Regierung weiß, dass man mit dem Wirtschaftsaufschwung alle mitnehmen muss. Dennoch, Modernisierungs-Verlierer sind die Arbeiter und die Bauern", so die Ostasien-Expertin. (Gerhard Paleczny)
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