08.11.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Mercer Deutschland GmbH.
Von Uwe Buchem, Betriebsrentenexperte und Partner bei Mercer
Nach dem Entwurf besteht das Gesetz aus zwei Maßnahmen: dem sogenannten Sozialpartnermodell, bei dem Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung als Beitragszusage ohne eigenes Haftungsrisiko anbieten können, und aus einer steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung.
Um das sogenannte Sozialpartnermodell wurde fast zwei Jahre lang gerungen. Den ursprünglichen Diskussionsentwürfen folgend gibt der aktuelle Gesetzentwurf den Arbeitgebern die Möglichkeit, eine betriebliche Altersversorgung ohne Subsidiärhaftung anzubieten. Haftungsfragen wurden als Hemmnis für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung angesehen, und mit einer haftungsfreien Altersversorgung sollen nun mehr Arbeitgeber ins Boot geholt werden. Möglich wird diese sogenannte Beitragszusage, bei der die Verpflichtung des Arbeitgebers lediglich in der Beitragszahlung besteht, allerdings nur, wenn ihr eine tarifliche Regelung zugrunde liegt. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen (also für sie im Falle der Tarifbindung geltenden) Tarifverträge vereinbaren und sich somit ebenfalls den entsprechenden Versorgungswerken anschließen, sofern diese sich dafür öffnen. Außerdem ist beim Wechsel eines Arbeitnehmers von einem Tarif in einen anderen eine Übertragung der Anwartschaften möglich.
In der Versorgungsregelung selbst wird, anders als bei den heute gängigen Systemen, kein bestimmtes Versorgungsniveau garantiert. Vielmehr soll nur eine erwartete Rente („Zielrente“) in Aussicht gestellt werden. Die Versorgungshöhe kann durch Kapitalmarktentwicklungen steigen, aber auch sinken. Dies gilt auch für die schon laufende Rente, die konsequenterweise steigen und fallen kann. Das Modell enthält somit Chancen und Risiken. Die bisherigen Garantiemodelle haben den Nachteil, dass eine Mindestrendite notwendig ist, um die garantierten Leistungen sicherzustellen. Diese Mindestrendite bedingt aber eine so restriktive Kapitalanlage, dass im Hinblick auf die gegenwärtige Niedrigzinspolitik eine Überschreitung dieser niedrigen Mindestrendite kaum noch zu erreichen ist.
Entgegen den ursprünglichen Diskussionsentwürfen hat man auch auf die Vorgabe verzichtet, dass der Versorgungsträger mindestens das Niveau einer Beitragszusage mit Mindestleistung aufrechterhalten muss. Außerdem wurde der Kreis der Versorgungsträger, die für die neue tariflich vereinbarte Beitragszusage in Frage kommen, von Pensionsfonds und Pensionskassen auf Direktversicherungen ausgeweitet. Zu diesem Zweck sollen diese Versorgungsträger künftig ebenfalls die freieren Kapitalanlagemöglichkeiten, wie sie Pensionsfonds offen stehen, nutzen können.
Weiterhin muss der Versorgungsträger nicht wie ursprünglich vorgesehen zwingend eine gemeinsame Einrichtung der Tarifpartner sein. Es reicht aus, wenn die Tarifpartner angemessen Einfluss auf den Versorgungsträger, z. B. durch eine Vertretung im Aufsichtsrat der durchführenden Versorgungseinrichtung, nehmen können.
Die Versorgungsleistungen müssen als laufende Renten erbracht werden (die Abfindung von Kleinstbeträgen ist zulässig). Die Anwartschaften werden sofort unverfallbar und können nach dem Ausscheiden mit eigenen Beiträgen fortgeführt werden. Die Tarifpartner sollen einen Sicherungsbeitrag vereinbaren, der als Puffer hohe Schwankungen der Zielrente verhindern soll. Im Falle der Entgeltumwandlung muss der Arbeitgeber mindestens 15 Prozent des sozialversicherungsfreien Entgelts als Arbeitgeberzuschuss zum Beitrag zahlen.
Ebenfalls gestrichen wurde im Vergleich zu früheren Diskussionsentwürfen die gesetzliche Insolvenzsicherung über den PSVaG (Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit). Dies ist nur folgerichtig, da der PSV ohnehin nur einen begrenzten Puffer für Kapitalmarktschwankungen bieten würde und ein solcher Puffer besser innerhalb der entsprechenden Einrichtung aufgebaut wird. Außerdem ist eine Insolvenz der Versorgungseinrichtung kaum vorstellbar. Denn was sollte geschützt werden, wenn nichts garantiert wird?
Der Gesetzentwurf schafft auch Klarheit bei Optionssystemen (früher oft irreführend als Opting-out bezeichnet). Eine automatische Einbeziehung in Entgeltumwandlung soll zukünftig unter folgenden Voraussetzungen möglich sein: Der Tarifvertrag muss das zulassen, dem Arbeitnehmer wird die Widerrufsmöglichkeit drei Monate vor der ersten Entgeltumwandlung klar mitgeteilt und eine Beendigung ist mit einer Frist von einem Monat möglich.
Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, dass die Höchstgrenzen für die Förderung von Beiträgen an Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen auf 7 % der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) erhöht wird. Bisher betrug er 4 % zuzüglich 1.800 Euro. Die Erhöhung ist also mit jetzt 486 € auf 5.334 Euro (BBG von 2017: 76.200 €) moderat. Allerdings bleibt es dabei, dass nur ein Beitrag bis zu 4 % der BBG auch sozialversicherungsfrei ist. Der darüber hinausgehende Beitrag wäre dann weiterhin sozialversicherungspflichtig. Sofern vor 2018 Beiträge nach dem früheren § 40b EStG pauschalversteuert wurden, bleibt diese Möglichkeit lebenslang aufrechterhalten. Diese Beiträge werden auf den Förderhöchstbetrag von 7 % der BBG angerechnet, maximal aber in Höhe von 3 % der BBG.
Neu sind zwei Vervielfältigungsregelungen: Soll bei Ausscheiden eine Abfindung in die bAV eingebracht werden, so kann für jedes Dienstjahr (maximal für 10) ein Betrag von 3 % der BBG lohnsteuerfrei gezahlt werden. Für Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (z. B. Erziehungszeiten) sind sogar 7 % für jedes Dienstjahr (wiederum maximal 10) möglich.
Für Arbeitnehmer mit einem Einkommen von bis zu 2.000 Euro pro Monat fördert der Fiskus zukünftig Arbeitgeberbeiträge zur bAV. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beitragsstellung. Der Mindestbeitrag des Arbeitgebers liegt bei 240 Euro, höchstens wird ein Beitrag von 480 € gefördert. 30 % dieses Beitrages (Förderbetrag) erhält der Arbeitgeber durch direkte Verrechnung mit der Lohnsteuer erstattet. Bereits 2017 gezahlte Beiträge werden ab Förderbeginn 2018 maximal in Höhe der Aufstockung der bisherigen Beiträge erstattet.
Zudem wurde die Grundzulage der Riester-Förderung von 154 Euro auf 165 Euro ab dem Jahr 2018 angehoben.
Ein paar Hemmnisse wurden ebenfalls beseitigt:
Die Doppelverbeitragung für die Riester-bAV sowohl in der Anwartschafts- als auch in der Rentenbezugsphase wird beseitigt.
Außerdem wurde die Anrechnung von Zahlungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf die Grundsicherung reduziert, die gerade Niedrigverdiener davon abhalten kann, aus dem ohnehin knappen Einkommen noch eine betriebliche Altersversorgung zu finanzieren. Zukünftig soll ein Betrag zwischen 100 Euro und 50 % der Regelbedarfsstufe 1 anrechnungsfrei bleiben, so dass aktuell bis zu 202 € als Freibetrag geltend gemacht werden könnten.
Ebenfalls geregelt wurde eine schon seit langem diskutierte Änderung zur Insolvenzsicherung versicherungsgebundener Versorgungszusagen. Zukünftig soll der Versorgungsberechtigte im Falle der Insolvenz an Stelle der Leistungen durch den PSV die Übernahme und Fortführung der Rückdeckungsversicherung wählen können.
Der Gesetzentwurf gibt neue Impulse für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und ist daher zu begrüßen. Ob die Möglichkeit, ohne die Subsidiärhaftung bei externen Versorgungsträgern eine betriebliche Altersversorgung zuzusagen, mehr Arbeitgeber als heute dazu veranlasst, eine bAV anzubieten, wird die Zukunft zeigen. Über Tarifverträge ist allerdings eine deutliche Ausweitung des versorgten Personenkreises zu erwarten. Die Tarifpartner können am besten beurteilen, was in der jeweiligen Branche umsetzbar ist, und können damit eine betriebliche Altersversorgung vereinbaren, die die einzelnen Unternehmen nicht überfordert. Zwar wäre eine unternehmensindividuelle Regelung zu bevorzugen, weil nicht alle Unternehmen einer Branche über einen Kamm geschoren werden können. Wenn die Tarifverträge aber Mindestregelungen vorsehen, besteht für die einzelnen Unternehmen nach wie vor die Möglichkeit, sich durch eine freiwillige zusätzliche betriebliche Altersversorgung von anderen Unternehmen abzuheben.
Für die Verbreitung der neuen „Zielrentenmodelle“ ist folgendes relevant: Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass sich auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer den bestehenden Systemen anschließen. Das ist wichtig für Unternehmen ohne Tarifbindung. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Versorgungswerke der einzelnen Branchen auch hierfür öffnen. Allerdings ist es bedauerlich, dass diese Möglichkeit nur innerhalb der einschlägigen Tarifverträge besteht, also jener Verträge, die mit Tarifbindung gelten würden. Es wäre also dem Handwerker, für den es keinen einschlägigen Tarifvertrag zur bAV gibt, nicht möglich, sich einem System einer anderen Branche anzuschließen.
Zu begrüßen ist die Streichung der Mindestleistung, die bisher für den externen Versorgungsträger vorgesehen war. Dieser sollte ursprünglich mindestens die Leistungen in Höhe einer Beitragszusage mit Mindestleistung gewähren. Diese Garantieleistungen hätten das neue System der Zielrente deutlich geschwächt, weil der Spielraum für eine freiere Kapitalanlage und damit höhere Renditeerwartungen deutlich eingeschränkt worden wäre. Noch nicht ganz absehbar ist, ob die vorgesehenen Regelungen zur Pufferung und zum Ausgleich zwischen verschiedenen Versorgungsberechtigten wirklich ausreichen, um die angestrebte freiere Kapitalanlage und die höheren Renditen zu erreichen.
Rechtssicherheit durch die Einführung eines Optionssystems wurde auch von Mercer schon früher gefordert. Diese wird gemäß Entwurf aber nur erreicht, wenn es eine tarifliche Regelung gibt, die ein Optionssystem ausdrücklich zulässt. In Branchen ohne entsprechende tarifliche Regelung gibt es also weiterhin keine Rechtssicherheit.
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen eine vorhandene tarifliche Regelung übernehmen können. Da es beim Optionssystem aber gerade darum geht, nicht mit jedem Arbeitnehmer einzelvertragliche Regelungen zu treffen, lautet die Empfehlung für Unternehmen, eine Übernahme mittels Betriebsvereinbarung zu erwägen.
Auch die sonstigen Maßnahmen zur Beseitigung von Hemmnissen und die erweiterte steuerliche Förderung sind begrüßenswert. Die Beseitigung der Doppelverbeitragung für betriebliche Riester-Renten und die Einschränkung der Anrechnung auf die Grundsicherung waren überfällig. Die Ausweitung der Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG auf 7 % der BBG fällt allerdings nur moderat aus. Da insbesondere Personen mit geringem Einkommen sowie kleine und mittlere Unternehmen im Fokus stehen und bei diesen die Obergrenze eine geringe Bedeutung hat, wurde auf eine deutliche Erhöhung verzichtet und stattdessen lediglich eine Vereinheitlichung vorgenommen.
Sehr zu begrüßen sind die neuen Vervielfältigungsregelungen bei Ausscheiden und nach ruhendem Arbeitsverhältnis. Gerade Abfindungszahlungen sind sehr gut für die Aufstockung der bAV geeignet. Bisher war das nur schwer möglich.
Die Einführung eines steuerlichen Förderbetrages für Arbeitgeberbeiträge ist insbesondere für den erstmaligen Einstieg eines Arbeitgebers in die bAV eine wichtige Neuregelung. Dabei möchte der Gesetzgeber bereits früher gezahlte Beiträge nicht fördern, um Mitnahmeeffekte zu verhindern. Allerdings erscheint der reine Bezug auf 2017 zu kurz gesprungen. Beitragszahlungen im Jahr 2017 würden damit den Förderbeitrag auch dann dauerhaft ausschließen, wenn zwischenzeitlich mehrere Jahre kein Beitrag gezahlt würde. Außerdem schafft diese Regelung einen Anreiz, bereits jetzt gezahlte Beiträge für das Jahr 2017 auszusetzen.
Wie ausgeführt sieht der Entwurf die Beseitigung einiger Hemmnisse vor, was positiv zu bewerten ist. Allerdings gibt es weitere relevante Hindernisse, die leider nicht berücksichtigt wurden.
Ein Aspekt ist beispielsweise die Erleichterung der Änderung von Versorgungszusagen. In vielen Unternehmen wird nicht allein das Haftungsrisiko, sondern vor allen Dingen die schwere Änderbarkeit von Versorgungszusagen als ein unkalkulierbares Risiko wahrgenommen.
Zudem wäre die Durchsetzung einer Vererbbarkeit im Rahmen von Entgeltumwandlung geeignet gewesen, die Verbreitung der bAV zu steigern. Ohne diese Vererbbarkeit werden Arbeitnehmer ohne Hinterbliebene im engeren Sinne, gerade weil die Leistungen im Sozialpartnermodell nur als Renten ausgezahlt werden können, auch weiterhin von der Umwandlung ihres Entgelts Abstand nehmen und in private Anlagemöglichkeiten investieren.
Auch der Rechnungszins von 6 % für die steuerliche Bewertung von Direktzusagen ist nicht mehr zeitgemäß. Im Hinblick auf den deutlich niedrigeren Rechnungszins nach HGB heißt das im Ergebnis, dass Gewinne besteuert werden, die handelsrechtlich gar nicht existieren. Unabhängig von dem derzeitigen Gesetzentwurf wird uns dieses Thema in nächster Zeit noch begleiten. Mittlerweile gibt es mehrere Experten, die das Auseinanderlaufen des steuerlichen und handelsrechtlichen Rechnungszinssatzes für zu groß und damit die zulässigen Pauschalierungsmöglichkeiten des Gesetzgebers für überschritten halten. Dies muss folgerichtig zu der Einschätzung führen, dass die Regelung den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Eine Gefahr, die im Zusammenhang mit dem Sozialpartnermodell immer wieder geäußert wird, ist die Möglichkeit, dass durch die neuen Optionen bisher bestehende gute betriebliche Altersversorgungssysteme durch schlechtere ohne Garantien abgelöst werden.
Hierzu muss man zunächst bedenken, dass eine Altersversorgung ohne Garantien nicht per se schlechter ist als eine mit Garantien. Auch Garantien, wie wir sie bisher kennen, versprechen keine absolute Sicherheit. Regulierte Pensionskassen können und müssen beispielsweise ihre Leistungen kürzen, wenn die bisher zugesagten Leistungen nicht mehr dauerhaft erfüllbar sind. Zudem muss man berücksichtigen, dass Garantien zu erheblichen Restriktionen für den Versorgungsträger führen. Um die Garantien erfüllen zu können, muss ein Großteil der Kapitalanlage äußerst sicher erfolgen, denn nur so lässt sich die Wahrscheinlichkeit eines Unterschreitens der Garantie minimieren. Das Zielrentensystem bietet dagegen die Möglichkeit, die Kapitalanlage wesentlich freier zu gestalten und somit auch stärker an den Erträgen beispielsweise von Aktien zu partizipieren. Man muss sich in Deutschland an eine stärkere Abhängigkeit vom Kapitalmarkt gewöhnen, und das wird sicher ein langer Prozess werden.
Außerdem ist nicht zu erwarten, dass Arbeitgeber nun flächendeckend auf das neue System übergehen. Viele Arbeitgeber sind mit der bAV, die sie aktuell anbieten, sehr zufrieden und können auch gut mit der Subsidiärhaftung leben. Wichtig ist natürlich, dass zukünftig abgeschlossene Tarifverträge diesen Unternehmen auch die Möglichkeit lassen, ihre bisherigen bewährten Systeme fortzuführen.
Es wird aber sicherlich eine Reihe von Unternehmen geben, die dankbar auf den neuen Zug aufspringen. Dies sind jene Betriebe, die ihre Versorgungswerke nicht mehr als zukunftsfest sehen und ohne die reine Beitragszusage für neu eintretende Mitarbeiter vermutlich ganz geschlossen hätten. Wenn diese Unternehmen sich also aufgrund der neuen Möglichkeiten nicht von der bAV als Nebenleistung verabschieden, ist das in jedem Fall positiv zu sehen.
Auch wenn einzelne Arbeitgeber das neue System zum Anlass nehmen werden, ihr Engagement in der betrieblichen Altersversorgung zu drosseln, so wird man vielleicht andere Arbeitgeber durch das Zielrentensystem neu für die betriebliche Altersversorgung gewinnen können. Nach Verabschiedung des Gesetzes liegt der Ball nun nicht mehr nur im Feld der Arbeitgeber, sondern auch bei den Tarifpartnern.