11.07.2024 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Katjes hatte in einer Anzeige mit der vorstehend wiedergegebenen Werbebehauptung in einer Fachzeitschrift für den Lebensmittelhandel geworben. Auch die abgebildete Produktverpackung wies ein Logo mit dem Begriff „klimaneutral“ bzw. Angabe „Klimaneutral Produkt“ mit QR-Code zu einer weiterführenden Internetseite auf. Es handelte sich um die Website des Unternehmens ClimatePartner. Bei diesem Unternehmen konnte man mittels eines finanziellen Ausgleichs klimaschädliche Emissionen kompensieren. Das Problem: Katjes ließ in der Anzeige offen, ob die Produktion selbst klimaneutral erfolgte oder ob lediglich finanziell kompensiert wurde. Letzteres war „nur“ der Fall. Der Herstellungsprozess der Produkte des beklagten Unternehmens läuft jedoch nicht CO2-neutral ab.
Die Wettbewerbszentrale, genauer „Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs“, ein Verband mit Abmahnbefugnis und nach eigenen Angaben mehr als 1100 Unternehmen, 800 Industrie- und Handelskammern sowie zahlreichen Wirtschaftsverbänden als Mitgliedern, klagte mit wechselndem Erfolg durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof, der jetzt ein vorläufig letztes Wort zur angegriffenen umweltbezogenen Werbung des Süßwarenherstellers mit seinem aktuellen Urteil sprach und diese als irreführend untersagte (BGH, Urteil vom 27.06.2024, Az. I ZR 98/23).
Schon die Vorinstanz des OLG Düsseldorf war der Auffassung, dass Verbraucher ein erhebliches Interesse an der Information haben, ob die Klimaneutralität durch eigene Bemühungen in der Produktion erreicht wird oder ob es um den Erwerb von CO2-Zertifikaten oder die Unterstützung von Klimaprojekten geht. Den dortigen Richtern reichte allerdings der QR-Code bzw. ein Link zu weiterführenden Informationen dazu aus (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 152/22, nicht rechtskräftig). Der Bundesgerichtshof sah die Anforderungen entsprechend seiner bisherigen Linie für eine umweltbezogene Werbung strenger. Es war bislang umstritten, ob die strengen Anforderungen weiter gelten. Dies hat der BGH durch das Urteil des unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständigen I. Zivilsenats jetzt bestätigt.
Werde ein mehrdeutiger Begriff wie „klimaneutral“ verwendet, müsse er schon in der Werbung selbst erklärt werden. Hinweise, die außerhalb der Werbung erfolgen, reichten aus Sicht der Richter nicht aus, zumal die Kompensation nicht als gleichwertig zur Verringerung von Treibhausgasen angesehen werden kann. Ähnlich wie bei gesundheitsbezogener Werbung sieht die Rechtsprechung bei umweltbezogenen Angaben ein erhöhtes Aufklärungsbedürfnis der Leser. Das gilt offensichtlich auch dann, wenn nicht nur Verbraucher angesprochen werden.
Dies liegt auf der Linie der sog. EmpCo Richtlinie. Verbraucher sollen damit vor irreführenden Angaben im Bereich der Umweltwerbung geschützt und eine transparente Kaufentscheidung ermöglicht werden. Schon am 17. Januar 2024 hatte das EU-Parlament die „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ („Empowering consumers for the green transition“, „EmpCo“) angenommen und auch der Rat der Europäischen Union hatte der Richtlinie am 20.02.2024 zugestimmt. Am 06. März 2024 wurde die Richtlinie im Amtsblatt veröffentlicht und trat am 26. März 2024 in Kraft. Bis zum 27. März 2026 müssen alle EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie in ihr nationales Recht umsetzen und Unternehmen haben dann scheinbar noch bis zum 27. September 2026 ein halbes Jahr, um ihre Werbung anzupassen. Der Anhang der UGP-Richtlinie („Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“) wird um weitere Tatbestände der sog. „schwarzen Liste“ erweitert. Diese enthält Werbepraktiken, die immer untersagt sind.
Die Richtlinie untersagt u.a. selbst geschaffene Umweltsiegel, allgemeine nicht belegbare Umweltangaben zu Produkten oder Betrieb und die Behauptung, dass ein Produkt aufgrund der Kompensation von Treibhausgasen eine neutrale, reduzierte oder positive Auswirkung auf die Umwelt hat. Die Regelung erwähnt ausdrücklich Begrifflichkeiten, wie „klimaneutral“, „CO2 neutral zertifiziert“ oder „reduzierter CO2-Fußabdruck“. Solche Begrifflichkeiten dürfen also künftig überhaupt nur noch verwendet werden, wenn sie sich auf eigene tatsächliche Bemühungen zur Reduktion stützen können.
Auch die sog. „Green-Claims“-Richtlinie, die noch ihrer Verabschiedung harrt, widmet sich dem Kampf gegen „Grünfärberei und Irreführung der Verbraucher durch falsche umweltbezogene Werbeaussagen“ und „dem Wildwuchs öffentlicher und privater Kennzeichnungen“. Es geht auch dort um Umweltaussagen in der Werbung, aber auch um weitere Informationspflichten, etwa als in der Werbung selbst enthaltene Anleitungen zur Produktverwendung im umweltschonenden Sinn der Werbebehauptung. In der bisherigen Fassung sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Umsatz von weniger als 2 Mio. EUR noch ausgenommen. Hier wird man die Endfassung abwarten müssen.
Umweltbezogene Werbung wird künftig ähnlich reglementiert, wie gesundheitsbezogene Werbung. Dies bietet dann ein neues weites Feld für Abmahnungen und Bußgelder, zumal damit zu rechnen ist, dass Konsumenten immer mehr Wert auf entsprechende Bemühungen der Unternehmen legen werden. Das aktuelle BGH-Urteil zeigt allerdings, dass hier bereits jetzt strenge Maßstäbe gelten und jedenfalls in Deutschland keine Schonzeit gewährt wird.
Bild: Akil Mazumder (Pexels, Pexels Lizenz)
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