07.10.2014 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Auch beim Ausweis von Rückstellungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist (sog. Ansammlungsrückstellung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG 2002), ist das Stichtagsprinzip zu beachten. Wird deshalb das einer Beseitigungspflicht für Bauten auf fremdem Grund und Boden zugrunde liegende Rechtsverhältnis (hier: Miet- und Pachtvertrag) über das zunächst festgelegte Vertragsende hinaus - sei es durch Änderung des bisherigen Vertrags, sei es durch Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses - (wirtschaftlich) fortgesetzt, ist dieser verlängerte Nutzungszeitraum auch dem Rückstellungausweis zugrunde zu legen.
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2004 den Handel mit Natur- und Kunststeinen auf dem gemieteten Grundstück H-Straße in ..., das im Eigentum der X steht. Grundlage der Nutzung war für den Zeitraum Juni 1984 bis September 1991 ein Unterpachtvertrag mit der S-GmbH, die ihrerseits das Grundstück - unter Einräumung eines Vorpachtrechts - von X gepachtet hatte; nach § 2 Abs. 2 des Unterpachtvertrags erklärte sich die S-GmbH bereit, nach Ablauf des Unterpachtvertrags über ein direktes Pachtverhältnis zwischen der Klägerin und der Grundstückseigentümerin zu verhandeln. Ein solches Pachtverhältnis ist zwischen der Klägerin und X mit Vertrag vom 25.8.1992 für den Zeitraum Oktober 1991 bis September 2001 -wiederum verbunden mit einem Vorpachtrecht - vereinbart worden (im Folgenden: Pachtvertrag); der Nutzungszeitraum wurde aufgrund des Nachtrags vom 4.3.1996 bis September 2011 verlängert. Vor Ablauf dieses Zeitraums ist der Pachtvertrag jedoch mit weiterer Vereinbarung vom 8.7.2003 aufgehoben und ein Mietvertrag zwischen der Klägerin und X mit einer festen Mietzeit bis Juni 2018 geschlossen worden (im Folgenden: Mietvertrag); der Klägerin steht hierbei das Recht zu, den Mietvertrag zweimal um (jeweils) fünf Jahre zu verlängern.
Die Klägerin war nach allen Verträgen verpflichtet, die auf dem Grundstück H-Straße befindlichen Bauten (Anlagen, Einrichtungen und verlegte Leitungen) zum Ende des (jeweiligen) Nutzungsverhältnisses zu beseitigen, sofern nicht ein ihr nachfolgender Nutzungsberechtigter (Mieter, Pächter) die Baulichkeiten sowie die Beseitigungspflicht übernimmt. Nach den Feststellungen des FG hatte sie spätestens in ihrem Jahresabschluss 1996 die vollen Abbruchkosten zurückgestellt. Zum Ende des Streitjahres, in dem die Klägerin einen Anbau an ihr Bürogebäude (einschließlich Außenanlagen und Hofbefestigungen) fertigstellt hatte, belief sich die Rückstellung auf 110.024,86 €; hieraus ergab sich gegenüber dem Vorjahr (2003) eine Erhöhung um 2.368,86 €. Beide Beträge wurden nicht abgezinst.
Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das FA mit Bescheiden vom 17.9.2009 für das Streitjahr die Festsetzung der Körperschaftsteuer sowie des Gewerbesteuermessbetrags. Ausgehend von dem im April 2009 abgegebenen Angebot eines Abbruchunternehmens (einschließlich Gutachterkosten: 137.162 €) verteilte es die Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG 2002 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 sowie § 7 Satz 1 GewStG 2002 auf den Zeitraum von Juni 1984 bis Juni 2018 und zinste den zum Ende des Streitjahres ermittelten Betrag gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 2002 ab.
Der Einspruch der Klägerin gegen die sonach ergangenen Steuerbescheide hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FA einen Berechnungsfehler bei der Bestimmung des Ansammlungszeitraums bereinigte. Hierdurch erhöhte sich die Ansammlungsrückstellung vor Abzinsung auf 82.834 € und der abgezinste (gewinnmindernde) Rückstellungsbetrag auf 40.258 €. Im Übrigen hat es den Einspruch durch Teil-Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a AO zurückgewiesen. Das FA hat hierbei darauf hingewiesen, dass es über die Abzinsung der Ansammlungsrückstellung nicht entscheide, da zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ein Verfahren beim Bundesfinanzhof, Az. IV R 32/07, anhängig sei.
Während des anschließenden Klageverfahrens (Az. 6 K 108/10) hat das FA den Einspruch im Anschluss an das BFH-Urteil vom 5.5.2011 IV R 32/07 (BFHE 233, 524, BStBl II 2012, 98) mit Endeinspruchsentscheidung vom 29.11.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene (weitere) Klage (Az. 6 K 5/12) - über die gemeinsam mit der Klage 6 K 108/10 verhandelt worden ist - hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, nachdem das FA zugesagt hatte, mit Rücksicht auf die zwischen den Beteiligten nicht mehr streitige Abzinsung der Rückstellung gemäß § 52 Abs. 16 (Satz 11 i.V.m. Satz 12 und 14) EStG 2002 zum Ende des Streitjahres eine Rücklage in Höhe von 18.383 € anzuerkennen.
Unter Berücksichtigung weiterer Hinweise des FG zu dem im Streitjahr errichteten Anbau sowie dazu, dass das Angebot des Abbruchunternehmens auf den Preisverhältnissen des Jahres 2009 beruht, hat die Klägerin im Klageverfahren 6 K 108/10 beantragt, die Rückstellung vor Abzinsung in Höhe von 122.530 € anzuerkennen und auf 59.550 € abzuzinsen. Dem hat die Vorinstanz entsprochen, da ein neuer Miet- oder Pachtvertrag über ein Grundstück, für das bereits eine Ansammlungsrückstellung gebildet wurde, nicht zu einer Neuberechnung des Ansammlungszeitraums führe (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10. Mai 2012 6 K 108/10, EFG 2012, 1628).
Die Revision ist begründet (BFH-Urteil 2.7.2014, I R 46/12). Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Klageabweisung. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Ansammlungszeitraum für die Verpflichtung der Klägerin, die auf dem Grundstück H-Straße errichteten Gebäude zum 30. Juni 2018 zu beseitigen, am Bilanzstichtag des Streitjahres (31. Dezember 2004) bereits abgelaufen war.
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