08.03.2018 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Technische Universität München.
Immer mehr Autos und vor allem ein stark zunehmender Schwerlastverkehr rollen über die Brücken in Deutschland. Dabei sind mehr als die Hälfte der Brücken über 35 Jahre alt. Prof. Oliver Fischer, Ordinarius am Lehrstuhl für Massivbau der TUM erklärt: „Das heißt, als sie damals geplant wurden, ist man von ganz anderen Belastungen ausgegangen. Und wenn wir heute unsere alten Brücken mit neuen Regelwerken nachrechnen, dann erkennen wir bei vielen Bauwerken ein teilweise erhebliches rechnerisches Defizit, insbesondere in Bezug auf die Querkrafttragfähigkeit.“ Stark vereinfacht entsteht die sogenannte Querkraft, wenn Kräfte senkrecht auf die Brücke wirken – etwa durch den Straßenverkehr. Innere Tragmechanismen leiten die Kräfte zu den Stützen, wo die Querkraft am größten ist.
Allerdings sind an den älteren Brücken kaum Schäden zu sehen, die auf eine entsprechende Überbeanspruchung schließen lassen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten daher, dass die Bauwerke mehr aushalten, als die aktuellen Modelle vorhersagen. „Unser Ziel ist es, das Tragverhalten möglichst wirklichkeitsnah zu ergründen, um unsere Ingenieurmodelle weiter zu verbessern.“
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der TUM konzipierten aktuell einen neuen Versuchsstand, der bisher fehlende Untersuchungen ermöglichen soll. „Durch den innovativen Versuchsaufbau ist es möglich, mit relativ kurzen Abschnitten zu arbeiten und damit trotzdem das Verhalten einer nahezu beliebig langen durchlaufenden Brücke zu simulieren”, erklärt Fischer.
Aber wie wirklichkeitsgetreu sind die Ergebnisse? An der stillgelegten Straßenbrücke im fränkischen Hammelburg wurde das tatsächliche Tragverhalten einer älteren Spannbetonbrücke getestet. Den Forschern war es wichtig, eine Brücke zu finden, die über mehrere Stützen läuft. Denn speziell bei diesen Brücken ist das Tragverhalten in der Nähe der Auflager hochkomplex. Die Versuche an der Saalebrücke in Hammelburg sind weltweit die ersten, bei denen die Grenztragfähigkeit einer realen, mehrfeldrigen Brücke in der Nähe der Pfeiler getestet wurde und liefern deshalb zusammen mit den Laborversuchen neue und wertvolle Erkenntnisse für die Forschung.
Ein etwa 32 Meter langer, 1,80 Meter hoher und fast 40 Tonnen schwerer Stahlträger wurde auf der Brücke installiert und an den jeweiligen Pfeilerachsen verankert. Der Träger diente als Widerlager für insgesamt sechs Hydraulikpressen – beim Ausfahren der Kolben drückten die Pressen mit der gleichen Kraft gegen den obenliegenden Träger wie gegen die Brücke. Dadurch war theoretisch eine maximale Belastung der Brücke mit 1.400 Tonnen möglich, umgerechnet etwa 1.000 Pkw oder 35 vollbeladene Sattelschlepper.
Die Forscherinnen und Forscher mussten sehr genau planen, wie und wo sie die Brücke belasten, um ein Querkraftversagen zu erzeugen. „Aber es ist uns in allen fünf getesteten Bereichen gelungen, wir haben schöne schräge Schubrisse bekommen“, sagt Fischer.
Die Auswertung der umfangreichen Messdaten wird zwar noch bis Ende 2018 dauern. Die Ergebnisse zeigen jedoch bereits, dass die Laborversuche die Realität gut abbilden. Auch bestätigen die ersten Auswertungen die Vermutung der Forscherinnen und Forscher, dass die aktuellen Berechnungsmodelle noch verbessert werden können. In der Folge könnte ein Teil der älteren Brücken länger erhalten bleiben und auch nötige Verstärkungsmaßnahmen reduziert werden.
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