10.01.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Baudienst.
Die Berliner Morgenpost blickt voraus auf das nun Notwendige und zurück auf die Wurzel allen Übels:
Berlin (ots) - Crash ist gar kein Ausdruck. Das Projekt Großflughafen ist gegen die Wand gefahren. Zuschaufeln, in eine Kartbahn umbauen, Neuanfang in Sperenberg: All diesen Vorschlägen möchte der seit Monaten BER-gepeinigte Berliner Bürger im ersten Affekt nur zu gerne zustimmen. Leider ist das Ganze kein Spaß. Obwohl es wohl keinem Kabarettisten eingefallen wäre, dass auch noch 1000 Bäume am BER falsch gepflanzt wurden, die jetzt gefällt werden müssen. In Schönefeld sind mehr als vier Milliarden Euro öffentliches Geld verbaut. Es muss jetzt darum gehen, diese Vorleistung für die Stadt zu retten. "Grauenhaft" nennt der Technikchef Horst Amann die Schwierigkeiten mit der Gebäudetechnik, ein Umbau sei wohl unausweichlich, hat der Experte nach einem halben Jahr Wühlen im Kabelwirrwarr festgestellt.
Für die Gesellschafter muss es jetzt darum gehen, die Chancen des Scheiterns zu ergreifen. Der BER braucht einen Neustart. Deshalb muss zwingend der alte Flughafenchef Rainer Schwarz weg. Wer den Murks seit Jahren verantwortet, kann keinen frischen Blick auf neue Notwendigkeiten mitbringen. Ob der neue Aufsichtsratschef Matthias Platzeck, der bisher als Vize des Gremiums den Pannenkurs begleitete, das leisten kann, muss sich noch erweisen. Klaus Wowereit hat die Pflicht, den Weg für den Neuanfang zu öffnen. Dass nun vier Bauexperten in den Aufsichtsrat einziehen sollen, ist ein erster Schritt, den die Koalitionäre von CDU und SPD Wowereit abtrotzten. Die neuen sollten sich Zeit nehmen. Niemand darf mehr vorschnell einen Eröffnungstermin nennen. Es war der politische Kardinalfehler, mehrfach ungesicherte Prognosen abgegeben zu haben. So wurde deutlich, dass Geschäftsführung und Aufsichtsrat keinen Plan hatten, was auf der Baustelle vor sich ging. Solange nicht alle sensiblen Anlagen zum Brandschutz oder der Computerkühlung stabil laufen, kann niemand einen Eröffnungstermin garantieren. Das wäre von Anfang an die einzig seriöse Aussage gewesen.
Nun müssen die neuen Planer auch die übrigen Macken des Projekts beheben. So sollte man den Tunnel vom Terminal zu den geplanten Erweiterungsbauten jenseits des Rollfeldes lieber jetzt graben, anstatt ihn später unter rollenden Jets hindurch bohren zu müssen. Die fehlenden Check-in-Schalter und Gepäckbänder müssen jetzt hinzugefügt werden, solange die Eröffnung auf sich warten lässt. Wenn ohnehin umgebaut wird, sollte man jetzt das Parkhaus direkt an den Gates in eine Erweiterungsfläche für die Passagierabfertigung oder gleich in ein eigenes Terminal umgestalten. Womöglich schadet es nicht, das Rollfeld zu erweitern, weil die Zahl der Flugzeugabstellplätze ebenfalls knapp bemessen ist. All das wird zusätzliches Geld kosten, womöglich Milliarden, die die Steuerzahler aufbringen müssen. Das zu sagen ist nicht angenehm. Aber Ehrlichkeit ist jetzt geboten. Die Kosten des BER herunterzurechnen und den Menschen zu suggerieren, sie bekämen einen First-Class-Flughafen halb so teuer und doppelt so schnell wie anderswo, war die Wurzel allen Übels in Schönefeld.
Das Fazit der Lausitzer Rundschau fällt knackig aus. "Arm, sexy und auch zu doof":
Cottbus (ots) - Verkehrsminister Peter Ramsauer hat vor wenigen Wochen ziemlich hochnäsig gemeint, der Münchner Flughafen sei seinerzeit pünktlich und im Kostenrahmen hochgezogen worden. Da könne man mal sehen. Tatsächlich brauchte der Franz-Josef-Strauß-Airport 25 Jahre, bis er fertig war, und kostete am Ende das Dreifache des ursprünglich angenommenen. Es war also keineswegs besser als bei dem nach Willy Brandt benannten Hauptstadt-Großprojekt. Einziger Unterschied: In München starteten irgendwann dann doch Maschinen, was in Berlin-Schönefeld noch nicht absehbar ist.
Politiker aller Couleur und Regionen sollten sich vor allzu großer Häme hüten. Fast jeder hat sein eigenes, kleines Kostenexplosionsprojekt, ob es Hamburger Oper, Stuttgart 21 oder Nürburgring heißt. Der Bauherr Staat, das ist nämlich allen gemeinsam, hat die Sache organisatorisch nicht im Griff, denkt zu groß für ein zu kleines Verantwortungsgefühl und wird zudem von den Baufirmen ausgepresst wie eine Zitrone über einem zu trockenen Schnitzel. Murks können sie alle, parteiübergreifend. Am Berliner Großflughafen hat außer den Ländern Berlin und Brandenburg auch die Bundesregierung als Mitfinanzier und Miteigentümer mitgewirkt, indirekt auch der Bundestag als deren Kontrolleur.
In den 90er-Jahren hat ein CDU-Bundesverkehrsminister auf dem hauptstadtnahen Standort Schönefeld bestanden, gegen alle fachlichen Bedenken, und so die tiefere Ursache der jetzigen Krise gelegt. Und der CSU-Nachfolger Ramsauer, dessen Ministerium heute im Aufsichtsrat sitzt, hat die Sache auch nicht retten können. Trotzdem, wenn der Begriff Verantwortung in Wirtschaft und Politik überhaupt noch einen Sinn machen und nicht nur hohe Gehälter begründen soll, dann muss sie nach nunmehr vier Verschiebungen und den dadurch verursachten Mehrkosten in Milliardenhöhe jemand persönlich übernehmen. Nach Lage der Dinge sind das der Flughafenchef Rainer Schwarz, der nun wohl tatsächlich gehen muss, und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Bei Schwarz ist die Entlassung sachlich geboten: Kein Firmenchef kann so viel Geld seiner Gesellschafter in den Sand setzen, ohne dass das Konsequenzen hat. Bei Wowereit wäre der Grund für einen Rücktritt ein politischer. Er hat es mit seiner (Nach-)Lässigkeit zugelassen, dass nun die ganze Region lächerlich gemacht worden ist. Arm, sexy und auch noch zu doof, um eine Halle zu bauen. Es reicht.
Die Südwest Presse befürchtet, dass nun überhaupt niemand mehr weiter wisse ...
Ulm (ots) - "Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen!", spottete gestern ein Twitter-Nutzer in Anlehnung an den berühmten Satz des DDR-Parteichefs Walter Ulbricht zum Mauerbau. Wenn das nur so einfach wäre, mag man hinzufügen. Denn eigentlich will fast jeder das 2006 gestartete Großprojekt fertig sehen - allein, es fehlt am Können. Mehr als sechs Jahre später weiß anscheinend niemand so recht weiter. Zu groß sind die Probleme. Vermutlich ist der Flughafen schlicht zu klein gebaut und kann auch nicht beliebig in die Breite erweitert werden. Dass es sich um gigantische Schwierigkeiten handelt, symbolisiert der einst als Retter gefeierte Bauleiter Horst Amann, der im Sommer nach Berlin geholt wurde und anscheinend auch keinen Plan hat. Gleichzeitig laufen die Kosten aus dem Ruder, aus 2 wurden 4,3 Milliarden Euro - und das Ende ist noch lange nicht erreicht. Das Ganze hat eine bundespolitische Dimension. Der Pannen-Airport beschädigt das Ansehen des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Der Rücktritt von Klaus Wowereit vom Aufsichtsrsrat ist ein überfälliges Signal. Die Übernahme durch Matthias Platzeck kein gutes: Ein Neustart sieht anders aus. Aber genau der wäre wichtig. Ein unabhängiges Gremium muss feststellen, was möglich ist - und wo abgerissen und wieder aufgebaut werden muss. Der Bund ist gefordert. Für das Ende mit Schrecken ist die Zeit gekommen.
... und das Westfalen-Blatt sieht die öffentliche Hand nicht in der Lage, Großprojekte zu realisieren:
Bielefeld (ots) - Die Peinlichkeiten beim Bau des Hauptstadtflughafens gehen weiter. Klaus Wowereits überfälliger Rücktritt als Regierender Bürgermeister von Berlin darf aus wahltaktischen Gründen nicht erfolgen. So wünscht es SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, weil am 20. Januar bei der Wahl in Niedersachen für die Genossen zu viel auf dem Spiel steht: Ein Rücktritt würde Stimmen kosten. Das politische Hickhack, kombiniert mit der verzweifelten Suche nach einem Hauptschuldigen für das Airport-Desaster, ist erbärmlich und dürfte viele Bürger zu Recht auf die Palme bringen. Hinzu kommt, dass Deutschland seinen guten Ruf als Technologie-Spitzennation aufs Spiel setzt. Was soll das Ausland denken, wenn hiesige Ingenieure nicht einmal in der Lage sind, eine Halle samt Brandschutz zu bauen? Und was wird sein, wenn sich herausstellt, dass der Flughafen in zwei oder drei Jahren den Praxistest nicht besteht, weil er von Anfang an zu klein konzipiert war? Wie schon beim Bahnhofsbau Stuttgart 21 und der Elbphilharmonie zeigt sich, dass die öffentliche Hand nicht in der Lage ist, Großprojekte zu realisieren. Der Dumme ist der Steuerzahler.