14.12.2018 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Weihnachtszeit ist Einkaufszeit. 476 Euro wollen die Deutschen, der aktuellen Deloitte-Weihnachtsstudie zufolge, in diesem Jahr allein für Geschenke ausgeben. Während die einen den Einkaufstrubel als Stress empfinden, lieben es andere, Läden und Online-Shops zu durchstöbern. Ob, was und warum Verbraucher bestimmte Produkte kaufen oder eben auch nicht, daran arbeitet sich die Marktforschung seit Jahren ab. Schließlich zählen Kundenwahrnehmung und Entscheidungsfindung zu den wichtigsten Einflussfaktoren für den Erfolg im Einzelhandel. Die traditionelle Marktforschung arbeitet jedoch meist retrospektiv, indem Verbraucher beispielsweise nach dem Kauf eines Produktes befragt werden. Unsere Kaufentscheidungen werden aber von zahlreichen, teils unbewussten kognitiven Prozessen während des Einkaufs beeinflusst – entsprechend ungenau sind klassischen Marktforschungsmethoden.
„Neurowissenschaftliche Methoden und Messgeräte eröffnen hier für den Handel neue Chancen, die Kunden besser zu verstehen“, sagt Dr. Nadine Galandi, Leiterin des Deloitte Neuroscience Institute. „Mittels Neurowissenschaft kann die implizite Wahrnehmung von Kunden bzgl. Ladengestaltung, Produktdarstellung und Sonderangeboten gemessen werden. Wir können dabei überprüfen, wo die Blicke der Verbraucher hängen bleiben, welche Werbeslogans sie ansprechen oder was sie als störend empfinden.“ Hierbei ist es besonders hilfreich, dass die Kundenrecherche mobil mit tragbaren Messgeräten durchgeführt werden kann, sodass verschiedene Szenarien unter realen Bedingungen getestet werden können. Händler bekommen dadurch Antworten auf ganz konkrete Fragen wie z.B.: Fördert oder hindert die Ladenbeschallung mit Weihnachtsmusik in der Adventszeit den Verkauf?
Es gibt sie, die Läden, aus denen man nur schwer rauskommt ohne etwas gekauft zu haben, und sie haben eines gemeinsam: Sie sind übersichtlich. Doch haben auch kleine, etwas chaotische Läden ihren ganz eigenen Charme. Es macht allerdings einen deutlichen Unterschied, ob man gemütlich nach Büchern stöbert, nach Feierabend schnell noch Lebensmittel einkauft oder auf der Suche nach einem neuen Smartphone ist. Der Laden muss zur Zielgruppe passen.
Die Neurowissenschaft kann durch Quantifizierung der relevanten unbewussten Verhaltensprozesse der Kunden dazu beitragen, das richtige Maß zwischen übersichtlicher Struktur und gemütlicher Atmosphäre für die jeweilige Zielgruppe zu finden. In einem gut designten Laden fühlen sich die Kunden wohl – auch wenn sie nur schnell ein paar Feierabendeinkäufe erledigen wollen.
„Kunden erschaffen sich im Kopf ein mentales Ladenmodell, das auf vergangenen Erfahrungen und Erwartungen basiert. Stimmt dieses Modell nicht mit der Realität überein, reagieren Kunden irritiert und revidieren ihre Kaufentscheidung. Neurowissenschaften können die klaffende Lücke zwischen Erwartung und Realität schließen, indem Kundenerfahrungen sowie -erwartungen gemessen und vorhergesagt werden“, erklärt Dr. Nadine Galandi. Zur Messung verwenden die Neurowissenschaftler tragbare Elektroenzephalographen (EEG) und mobile Eye-Tracker. Mit dem tragbaren EEG, das die Versuchsperson als Helm auf dem Kopf trägt, wird die Hirnaktivität gemessen. Die Daten erlauben Rückschlüsse auf unbewusste Emotionen und darüber, wie attraktiv bestimmte Reize auf die Probanden wirken. Eye-Tracking misst in Echtzeit die Augenbewegung der Versuchspersonen und gibt Aufschluss darüber, wo die Blicke der Kunden hängen bleiben.
Wie wichtig es ist, dass die Blicke der Kunden geleitet werden, zeigt die Erkenntnis der Forscher, dass eine zu große Produktauswahl in den Tests dazu führte, dass Kunden weniger kauften. Die Probanden waren überfordert von der großen Auswahl. Auch hier kann die Neurowissenschaft dabei helfen, das richtige Maß zwischen ebendieser Überforderung und angenehmer Auswahl zu finden.
Die Annahme, dass sich Kunden meist für das günstigste Produkt entscheiden, ist den Neurowissenschaftlern zufolge ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. Der entscheidende Faktor ist nicht die Höhe des Preises, sondern wie der Preis vom Kunden wahrgenommen wird. Auch hier ist es für den Einzelhandel wichtig, die eigene Zielgruppe zu kennen. Während ein Discounter-Kunde bei der Schokoladentafel für 49 Cent wohl gerne zugreift, kommt so ein Preis dem Kunden im Feinkostladen eher verdächtig vor.
Beim Online-Shopping ist ein angenehmes Einkaufserlebnis des Kunden ebenso für den Erfolg des Händlers entscheidend. Beeinflusst wird die Qualität des Online-Einkaufs für den Kunden unter anderem von der Aufmachung der Startseite des Shops, der Produktsuche und -präsentation, dem Bezahlvorgang sowie der Auslieferung.
Auch hier haben die Neurowissenschaftler tragbare EEGs und Eye-Tracker eingesetzt und herausgefunden, dass auch beim Online-Shopping der Faktor Übersichtlichkeit eine entscheidende Rolle spielt. Beispielsweise setzen viele Online-Händler auf individualisierte Anzeigen und erhoffen sich, durch die kundenspezifischen Informationen die Verkaufszahlen zu erhöhen. Von den Kunden wurde die individualisierte Werbung dagegen überwiegend als störend empfunden, was dazu führte, dass mehr Probanden die Website verließen, ohne etwas gekauft zu haben.
Egal ob im traditionellen Laden oder beim Online-Shopping: Die Neurowissenschaft ermöglicht es, die gesamte Customer Journey von der Schaffung eines Bedürfnisses bis zum Kauf eines Produktes zu analysieren und zu optimieren. Ein umfassendes Verständnis von Kundenerwartungen und -verhalten ist essenziell für die Maximierung des Umsatzes. „Von diesen Erkenntnissen profitieren Händler und Verbraucher“, fasst Dr. Nadine Galandi zusammen. „Gehen Händler auf die – teils unbewussten – Bedürfnisse und Wünsche ihrer potenziellen Kunden ein, wird sich das direkt auf ihre Umsätze niederschlagen. Für die Verbraucher bedeuten bessere Läden und Online-Shops ein angenehmeres Einkaufserlebnis – selbst in der stressigen Vorweihnachtszeit.“
Themen
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