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Wie gewonnen, so zerronnen – die Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung

07.01.2015  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

Inwieweit bringt die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Gefahr mit sich, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen? Zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts.

I. Einleitung

Bereits im Jahr 1985 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein gekündigter Arbeitnehmer einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses hat, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen (sog. allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch). In der Regel begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Prozesses. Das heißt, dass der gekündigte Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zunächst nicht durchsetzen kann. Dies ändert sich, wenn der Arbeitnehmer in der ersten Instanz gewinnt. In dieser Situation reicht die Ungewissheit über den Ausgang des Prozesses in den nachfolgenden Instanzen nicht mehr aus, um den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zu vereiteln. Der Arbeitgeber muss nun vielmehr zusätzliche Umstände vortragen, weshalb sein Interesse, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen, dasjenige des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung überwiegt. Ein solches Überwiegen der Interessen des Arbeitgebers wird, nachdem der Arbeitgeber in der ersten Instanz verloren hat, nur in engen Ausnahmefällen angenommen. Wenn der Arbeitnehmer beantragt hat, dass der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verpflichtet wird, wird diesem Antrag in der Regel stattgegeben, wenn das Gericht von der Unwirksamkeit der Kündigung ausgeht.

Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, das erstinstanzliche Urteil vor der rechtskräftigen Beendigung des Prozesses vorläufig zu vollstrecken. Dem Arbeitgeber wird dann aufgegeben, den Arbeitnehmer zunächst zu beschäftigen und es wird die Verhängung von Zwangsgeld oder Zwangshaft angedroht, wenn der Arbeitgeber dem nicht entspricht. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, sich gegen diese Zwangsvollstreckung gerichtlich zu wehren. Auch hier sind die Anforderungen allerdings sehr hoch. In dieser Situation kommt es daher häufig dazu, dass der Arbeitgeber gezwungen ist, den gekündigten Arbeitnehmer zu beschäftigen, um Zwangsgeld oder gar Zwangshaft zu vermeiden. Wenn eine solche Weiterbeschäftigung ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt, wird hierdurch kein Arbeitsverhältnis begründet, es handelt sich vielmehr um ein faktisches Beschäftigungsverhältnis.

In dieser Situation ist jedoch Vorsicht geboten. Wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten den Eindruck erweckt, dass er den Arbeitnehmer nicht ausschließlich deshalb beschäftigt, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden, kann durch die Beschäftigung ein neues Arbeitsverhältnis begründet werden. Um diese Frage ging es in den beiden hier besprochenen Urteilen.

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II. Sachverhalt

Dem Urteil vom 08. April 2014 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem die Parteien um die Frage stritten, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen wirksam war oder ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorlag. Das Arbeitsgericht gab der Klage des Arbeitnehmers in der ersten Instanz statt und verurteilte den Arbeitgeber antragsgemäß auch zur vorläufigen Weiterbeschäftigung. Der Arbeitgeber forderte den Arbeitnehmer daraufhin auf, seine Arbeit wieder aufzunehmen und wies dabei darauf hin, dass dies nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geschehe. Auf die Berufung des Arbeitgebers hin, hob das Landesarbeitsgericht (LAG) das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage des Arbeitnehmers ab. Die hiergegen eingelegte Revision wurde zurückgewiesen. Der Arbeitnehmer wurde bis zur Zurückweisung der Revision beschäftigt. Der Arbeitnehmer hat daraufhin in einem neuen Verfahren beantragt festzustellen, dass durch die Weiterbeschäftigung nach dem klagabweisenden Urteil des LAG ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist. Das Arbeitsgericht hat diese Klage abgewiesen, das LAG hat der Klage stattgegeben.

Dem Urteil vom 22. Juli 2014 lag wiederum ein Sachverhalt zugrunde, in dem die Parteien um die Frage stritten, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses wirksam war. Im Unterschied zum vorherigen Fall hatte der Arbeitnehmer jedoch keinen zusätzlichen Antrag auf Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung gestellt. Nachdem das LAG der Klage in der zweiten Instanz entsprochen hatte und Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG erhoben worden war, wurde dem Arbeitnehmer dennoch angeboten, dass er vorläufig weiter beschäftigt wird. Der Arbeitgeber wies hierbei ausdrücklich darauf hin, dass dies nur aufgrund des Weiterbeschäftigungsanspruchs und nicht zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses geschehe. Das BAG hob das Urteil des LAG auf und der Arbeitgeber beschäftigte den Arbeitnehmer ab dem Tag dieser Urteilsverkündung nicht weiter. Der Kläger beantragte daraufhin in einem neuen Prozess festzustellen, dass zwischen den Parteien ein neues Arbeitsverhältnis begründet wurde, da der Arbeitgeber ihn beschäftigt habe, obwohl er gar keinen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt habe und somit keine Zwangsvollstreckung gedroht habe. Auch hier hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, das LAG hat der Klage jedoch stattgegeben.

III. Entscheidung

Im ersten Fall entschied das BAG, dass dadurch ein neues Arbeitsverhältnis begründet wurde, dass der Kläger bis zur Zurückweisung der Revision weiter beschäftigt wurde, obwohl der Arbeitgeber in der zweiten Instanz vor dem LAG gewonnen hatte. Bis zur Entscheidung des LAG sei die Beschäftigung lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt und habe daher kein neues Arbeitsverhältnis begründet. Da der Arbeitgeber vor dem LAG gewonnen hatte, habe ab diesem Zeitpunkt jedoch kein überwiegendes Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung und kein vorläufig vollstreckbarer Titel mehr bestanden. Grundlage für die Weiterbeschäftigung habe daher nicht mehr das nur faktische Beschäftigungsverhältnis, sondern nur ein neuer Arbeitsvertrag sein können, der konkludent durch die Beschäftigung geschlossen worden sei. Aufgrund der Tatsache, dass eine mögliche Befristung nicht schriftlich vereinbart wurde, sei der Arbeitsvertrag zudem unbefristet.

In dem zweiten Fall wies das BAG die Klage des Arbeitnehmers als unbegründet ab. Durch die Beschäftigung des Arbeitnehmers nach dem Urteil zugunsten des Arbeitnehmers in der zweiten Instanz sei kein neues Arbeitsverhältnis begründet worden. Unerheblich sei hierbei, dass der Kläger keinen Antrag auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung gestellt hatte und daher keine Zwangsvollstreckung drohen konnte. Alleine dadurch, dass das LAG entschieden hatte, dass die Befristung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses unwirksam war, hätten die Voraussetzungen für den Weiterbeschäftigungsanspruch vorgelegen. Auch ohne eine ausdrückliche dahingehende Verpflichtung des Arbeitgebers durch das Gericht sei der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig weiter zu beschäftigen. Wenn der Arbeitgeber dann diese Weiterbeschäftigung anbietet und hierbei klar darauf hinweist, dass die Beschäftigung ausschließlich auf Grund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfolgt, könne hierdurch kein neues Arbeitsverhältnis begründet werden.

IV. Praxishinweis

Vor allem die Entscheidung vom 08. April 2014 zeigt erneut, dass bei der Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus Arbeitgebersicht stets höchste Vorsicht geboten ist. Der Arbeitgeber hatte in der zweiten Instanz gewonnen, doch dies wurde für ihn zum Nachteil, weil der Arbeitgeber auf dieses für ihn positive Urteil nicht umgehend reagierte und es versäumte, die Beschäftigung unverzüglich zu beenden. Durch dieses Versäumnis wurde ein neues Arbeitsverhältnis begründet und das vorherige Obsiegen war wertlos.

Wenn die Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungstitels angedroht wird, ist bei dem Angebot der Weiterbeschäftigung aus Arbeitgebersicht unbedingt ausdrücklich schriftlich zu dokumentieren, dass dieses Angebot nur erfolgt, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden. Weiterhin ist zu beachten, dass es sich bei dem faktischen Beschäftigungsverhältnis nicht um ein normales Arbeitsverhältnis handelt. Es sollte folglich kein Urlaub gewährt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet werden. Wenn in einer weiteren Instanz gerichtlich festgestellt wird, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht länger besteht, ist die Weiterbeschäftigung unverzüglich zu beenden. Der Arbeitgeber darf durch sein Verhalten nicht den Eindruck erwecken, er wolle ein neues „normales“ Arbeitsverhältnis begründen.

Urteil vom 08. April 2014 - 9 AZR 856/11 und
Urteil vom 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12)


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