10.05.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In den auf den Schluss der Streitjahre (2000 bis 2002) erstellten Bilanzen der Klägerin, einer GmbH, waren Gesellschafterdarlehen in Höhe von 18.289.275,66 DM (2000), 54.377.122,97 DM (2001) und 39.051.113,79 EUR (2002) passiviert. Die Kapitalrücklage belief sich durchgängig auf 3.455.718,37 DM (= 1.766.880,75 EUR); dem standen jeweils Verlustvorträge und nicht durch das Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge gegenüber, die die Rücklage um ein Mehrfaches übertrafen.
Zur Abwendung der Krise der Gesellschaft vereinbarte die Klägerin mit ihren Gesellschaftern im Jahr 2002, dass die Gesellschafterforderungen "hinter die Forderungen anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Mitgesellschafter) zurücktreten (und) ihre Befriedigung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss (verlangt werden) kann". Das FA vertrat hierzu im Anschluss an eine Außenprüfung die Ansicht, dass die Gesellschafterdarlehen nach § 5 Abs. 2a EStG in den Steuerbilanzen der Streitjahre nicht mehr ausgewiesen werden dürfen. Dementsprechend stellte es mit geänderten Bescheiden vom 10.6.2008 den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf das Ende der Streitjahre in Höhe von 5.438.475 DM (2000), 0 DM (2001) und 4.359.962 EUR (2002) fest. Die Körperschaftsteuer 2002 wurde aufgrund der sich nach § 37 Abs. 3 KStG ergebenden Nachsteuer auf 4 € festgesetzt. Die Feststellungen zum vortragsfähigen Gewerbeverlust beliefen sich (nach den gleichfalls am 10.6.2008 ergangenen Änderungsbescheiden) zum Ende der streitigen Erhebungszeiträume auf 6.226.254 DM (2000), 0 DM (2001) und 3.503.851 EUR (2002). Der Gewerbesteuermessbetrag 2001 wurde in Höhe von 182.355 DM (93.236,63 EUR) festgesetzt.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das FG stattgegeben. Da es die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG als nicht gegeben ansah, hat es sämtliche vorgenannten Bescheide dahin geändert, dass die vom FA aufgrund der Ausbuchung der Verbindlichkeiten angesetzten Gewinnerhöhungen (18.289.275,66 DM [2000], 30.087.847,31 DM [2001] und 11.248.532,29 EUR [2002]) unterbleiben (FG Köln, Urteil vom 26. März 2015 10 K 3777/09, EFG 2015, 1212).
Die Revision hat nur teilweise Erfolg. Sie ist, soweit das FG über die Streitjahre 2000 und 2001 entschieden hat, nicht begründet. Im Übrigen (Verlustfeststellungsbescheide 2002) ist die Revision begründet und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (BFH-Urteil vom 10.8.2016, I R 25/15).
Die Revision bleibt ohne Erfolg, soweit das FG der Klage gegen die Feststellungen der gewerbe- und körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge auf das Ende der Streitjahre 2000 und 2001 sowie gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2001 stattgegeben hat. Hierbei ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die Verlustfeststellungsbescheide, mit denen jeweils um die gewinnerhöhende Auflösung der Gesellschafterdarlehen gekürzte Verlustbeträge festgestellt worden sind, beschwert ist und ihre gegen diese Bescheide gerichtete Klage zulässig war. Ihrer Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass die angefochtenen Verlustfeststellungen auf den 31.12.2001 auf jeweils 0 DM (0 €) lauten und der Senat mit Urteil vom 11.11.2014 I R 51/13 (BFH/NV 2015, 305) ausgesprochen hat, dass auch ein auf 0 € lautender Steuerbescheid angefochten werden kann, wenn die Festsetzung auf einem Verlustrücktrag beruht und geltend gemacht wird, durch den Ansatz weiterer Betriebsausgaben sei das Verlustrücktragsvolumen geringer. Abgesehen davon, dass das Gewerbesteuerrecht keinen Verlustrücktrag kennt, sind die vorgenannten Grundsätze bereits deshalb nicht geeignet, das Klagerecht der Klägerin einzuschränken, weil diese nach ihrer materiellen Beurteilung in allen Streitjahren (2000 bis 2002) nur negative Einkommen erzielt hat und deshalb auch die auf den 31.12.2001 festzustellenden Verluste (§ 10d Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht durch einen intertemporalen Verlustausgleich beeinflusst werden können.
Das FG hat der Klage gegen die vorgenannten (zu den Streitjahren 2000 und 2001 ergangenen) Bescheide im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Dabei ist allerdings nicht darauf einzugehen, ob die im Streitfall getroffenen Rangrücktrittsabreden nach der ertragsteuerrechtlichen Sondervorschrift des § 5 Abs. 2a EStG dazu führen, dass die von den Abreden betroffenen Gesellschafterdarlehen in der Steuerbilanz der Klägerin nicht ausgewiesen werden dürfen. Hierauf ist für die Streitjahre 2000 und 2001 deshalb nicht einzugehen, weil die Rangrücktritte, so die bindenden Feststellungen des FG, erst 2002 vereinbart worden sind und deshalb nach dem Stichtagsprinzip des § 242 Abs. 1 HGB, das zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört und damit (mangels einer anderslautenden Regelung in § 5 Abs. 2a EStG) gemäß dem Maßgeblichkeitsgrundsatz auch ertragsteuerrechtlich zu beachten ist, frühestens zum 31.12.2002 den steuerbilanziellen Ausweis der hiervon betroffenen Darlehen beeinflussen konnten. Demgemäß waren die Gesellschafterdarlehen für die zuvor endenden Wirtschaftsjahre (Streitjahre 2000 und 2001) ungeachtet dessen zu passivieren, ob die Klägerin über ein hinreichendes Vermögen verfügt, um diesen und ihren weiteren Verpflichtungen nachzukommen.
Soweit sich die Revision gegen das vorinstanzliche Urteil zu den auf den 31.12.2002 ergangenen Verlustfeststellungsbescheiden richtet, ist sie begründet und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Die im Streitfall getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen, nach denen die Gesellschafterforderungen "hinter die Forderungen anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Mitgesellschafter) zurücktreten (und) ihre Befriedigung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss (verlangt werden) kann", stimmen in ihren entscheidungserheblichen Passagen mit dem Wortlaut der Abreden überein, die dem Senatsurteil in BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769 zugrunde lagen. Der Senat hat hierzu ausgeführt, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG 2002 unterliegt; er hat hiermit zugleich sein Urteil vom 30. November 2011 I R 100/10 (BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332) bestätigt.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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