21.03.2017 — Timm Haase. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist zu 100 Prozent an einer GmbH beteiligt. Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der GmbH als Organgesellschaft bestand im Streitjahr eine körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, von der Klägerin im Jahr 2005 gebildete Rückstellungen für Wartungsverpflichtungen könnten nicht anerkannt werden und Zahlungen der GmbH an die Leasinggeber in eine dort geführte Wartungsrücklage seien durch Aktivierung einer Forderung in gleicher Höhe zu kompensieren.
Liquiditätsplanung und Frühwarnsystem in der Praxis
Basiswissen für Finanz- und Liquiditätsplanung
Die Klägerin war nach dem Leasingvertrag zur Instandhaltung von geleasten Flugzeugen auf eigene Kosten verpflichtet. Die Verpflichtung bestand insbesondere darin, die Flugzeuge nach Ablauf des im Rahmen eines im sog. Wartungsprogramm festgelegten Intervalls im Einklang mit den luftverkehrsrechtlichen Bestimmungen auf eigene Kosten zu warten. Hierfür hatte sie entweder Zahlungen in Höhe der voraussichtlichen Instandhaltungskosten in die Wartungsrücklage zu leisten oder die Zahlungen durch die Gestellung einer Bankbürgschaft zu ersetzen. Die Verpflichtung zur Zahlung in die Wartungsrücklage bzw. zur Stellung einer Bankbürgschaft war unabhängig davon zu erfüllen, ob der Flugbetrieb über den Ablauf der vertraglich vereinbarten Betriebszeit hinaus fortgesetzt wurde. Bei Beendigung eines Leasingvertrags vor Durchführung einer Wartung wurde die Wartungsverpflichtung des jeweiligen Leasingnehmers dadurch erfüllt, dass der Leasinggeber die bis zum Beendigungszeitpunkt gezahlten Wartungsrücklagen-Garantiebeträge vereinnahmte oder in entsprechender Höhe die Bankbürgschaft in Anspruch nahm. Im Einklang hiermit wurden die bei Beendigung eines Leasingvertrages vorhandenen Überschüsse zur Erstattung der Kosten des nächsten Leasingnehmers bei Eintritt des Wartungsereignisses verwendet.
Die Klägerin stellte demnach eine Bankbürgschaft und bildete in ihrer Steuerbilanz 2005 mit Rücksicht auf die bereits abgelaufenen Betriebszeiten eine Wartungsrückstellung. Die Prüfer waren jedoch der Ansicht, die künftige Wartungsverpflichtung sei am Bilanzstichtag (31. Dezember 2005) noch nicht wirtschaftlich verursacht und erhöhten den Gewinn entsprechend.
Die BFH-Richter befanden, dass die Vorinstanzen zu Unrecht davon ausgegangen waren, dass die Klägerin nicht berechtigt war, eine Rückstellung für künftige Wartungsaufwendungen zu bilden. Zwar bestand keine Berechtigung, eine Rückstellung für künftige Wartungsaufwendungen aus öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zu bilden, wohl aber aus einer privatrechtlichen Verpflichtung heraus. Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz u. a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und traf gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Form auch auf die Steuerbilanz der Klägerin zu. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Gegenstand der Verbindlichkeit können nicht nur Geldschulden, sondern auch Werkleistungspflichten sein.
Beruhen die Verbindlichkeiten auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so bedarf es der Konkretisierung in dem Sinne, dass sie inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt sind. Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist. Die Wartungsverpflichtung nach § 6 LuftBO ist wirtschaftlich nicht in der Vergangenheit verursacht, da wesentliches Merkmal der Überholungsverpflichtung das Erreichen der zulässigen Betriebszeit ist, die den typischerweise auftretenden Ermüdungs- und Abnützungserscheinungen des Luftfahrtgeräts Rechnung trägt. Vor Erreichen der zulässigen Betriebszeit kann gerade nicht von einer wesentlichen Verursachung der Verbindlichkeit gesprochen werden. Demzufolge scheidet die Bildung einer Rückstellung unter dem Aspekt einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung aus.
Es besteht jedoch eine zivilrechtliche ungewisse Verbindlichkeit der Klägerin, für die eine Rückstellung zu bilden ist. Die vertragliche Verpflichtung der Klägerin besteht aus zwei Komponenten, nämlich der Durchführung der nach dem Wartungsprogramm erforderlichen Wartungen einerseits und der monatlichen Zahlung der Wartungsrücklagen-Garantiebeträge bzw. der Stellung einer Bankbürgschaft andererseits. Jedenfalls ist mit Rücksicht auf die zweite Vertragskomponente eine Rückstellung zu bilden, da bei Beendigung des Leasingvertrages kein Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der gezahlten Wartungsrücklagen-Garantiebeträge oder auf einen Verzicht auf die Inanspruchnahme der Bankbürgschaft bestand und die Klägerin deshalb stets mit den vereinbarten Wartungsrücklagen-Garantiebeträgen belastet blieb. Die Klägerin konnte sich ihrer vertraglichen Verpflichtung – anders als im Bereich der öffentlich-rechtlichen Wartungsverpflichtung – gerade nicht durch Einstellung des Flugbetriebes entziehen, da sie auch bei Beendigung des Leasingvertrages vor Durchführung der nächsten fälligen Wartung die vertraglich vereinbarte Wartungsverpflichtung zu tragen hatte.
Quelle:
BFH-Urteil v. 9.11.2016, I R 43/15, veröffentlicht am 15.3.2017
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