18.05.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Universität Stuttgart.
Beim Stichwort Energiewende denkt man meist an große Windparks im Norden Deutschlands oder vor der Meeresküste. Der Transport der so erzeugten Energie in den Süden der Republik erfordert aber aufwändige Hochspannungsleitungen, die in der Bevölkerung umstritten sind. Das kooperative Promotionskolleg „Windy Cities“ der Universität Stuttgart, der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) und der Hochschule Esslingen möchte lokale Kleinwinde, die es in jeder Stadt entlang der Häuser gibt, für die Energiegewinnung nutzen.
Wer schon einmal einen heißen Sommerabend im Stuttgarter Talkessel verbracht hat, kennt das Phänomen: Wenn die Sonne untergeht, strömt plötzlich ein sanfter Wind über die Talkanten in die Stadt und bringt Kühlung. Ähnliches lässt sich auch an der Abbruchkante von Hausdächern beobachten. „Diese Thermiken wollen wir mit Hilfe von Kleinwindkraftanlagen für die dezentrale Stromversorgung in urbanen Räumen nutzen“, erklären die Sprecher des Kollegs, Prof. Bernd Plietker vom Institut für Organische Chemie der Universität Stuttgart und Prof. Volker Coors vom Zentrum für Geodäsie und Geoinformatik an der HFT Stuttgart.
Die Energieausbeute solcher Kleinwindkraftanlagen ist nicht unerheblich, doch dem wirtschaftlichen Einsatz stehen noch etliche Hürden entgegen. Ein besonderes Problem sind dabei die je nach Windstärke und Verbrauch fluktuierenden Energiemengen, die eine Herausforderung für die Netzstabilität und die Speichertechnologien darstellen. Im Rahmen von „Windy Cities“ soll daher das Zusammenspiel zwischen der Umwandlung von Wind in Strom (Konversion) und der intelligenten Speicherung in urbaner Umgebung untersucht werden.
Zum einen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine dynamische Gebäude- und Stromnetzsimulation auf der Basis eines 3D-Stadtquartiermodells entwickeln, mit der sich der Strombedarf in einem Stadtviertel sowie die Stromerzeugung in den nächsten 24 Stunden präzise vorhersagen lassen. Gekoppelt wird diese Simulation mit einem intelligenten Stromzähler (Smart-Meter-System), der den aktuellen Energieverbrauch erfasst. Das auf diese Weise prognostizierte Lastprofil wird genutzt, um das Laden und Entladen beziehungsweise den Betrieb der Speichermedien – Batterien sowie Wärmepumpen mit Warmwasserspeicher – zu optimieren. Ziel ist es, primär den Eigenenergiebedarf des Gebäudes zu decken und die Einspeisung von Stromspitzen in das Stromnetz zu minimieren.
Die bisherigen in der Energieerzeugung verwendeten Speichertechnologien passen jedoch nicht zur Energieproduktion von Kleinwindanlagen, da sie auf große Strommengen ausgerichtet sind. Daher zielt ein weiteres Teilprojekt von Windy Cities darauf, neuartige chemische Speicher zu entwickeln. Dabei soll der an der Universität Stuttgart entstandener Prototyp einer Wasserstoff-Batterie zu Mikroreaktoren weiterentwickelt werden, die sich parallel und in Serie verschalten lassen und einzeln ansteuerbar sind. Wasserstoff ist in Verbindung mit der Rückverstromung über Wasserstoffbrennstoffzellen ein besonders attraktiver Energieträger, weil er eine hohe Speicherdichte erreicht, den Kreislauf aus Energiekonversion, Speicherung und Bereitstellung optimal abbildet und einen geringen CO2-Fußabdruck hinterlässt.
An der Entwicklung und der Realisierung dieses Konzepts arbeiten im Rahmen des Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg geförderten kooperativen Promotionskolleg zwölf Doktorandinnen und Doktoranden aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Chemie, der Geodäsie und den Ingenieurswissenschaften an der Universität Stuttgart, der Hochschule für Technik Stuttgart und der Hochschule Esslingen in dem zusammen.
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