22.05.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Kläger sind verheiratet und wurden für das Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war vom ... 1995 bis zum ... 1998 Vorstandsmitglied der ... AG (AG) und war an dieser zunächst mit ... Aktien beteiligt. Im Jahre 1998 war der Kläger lediglich noch im Besitz von ... Aktien, die er am ... 1998 zum Preis von ... DM je Aktie verkaufte, wobei die Dividende vereinbarungsgemäß noch dem Kläger zustehen sollte. Aus dieser Aktienbeteiligung floss dem Kläger eine Dividendenzahlung für das Geschäftsjahr 1997 in Höhe von ... DM zu. Mit Ablauf des ... 1998 schied der Kläger aus dem Vorstand der AG aus. Der neue Vorstand erstattete am ... 1999 Strafanzeige gegen Mitglieder des alten Vorstands. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts ... wegen ... zum Nachteil der AG verurteilt.
Am ... 2001 stellte der damalige Vorstandsvorsitzende der AG wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter der AG klagte gegen den Kläger, zwei weitere frühere Vorstandsmitglieder (Herr D. und Herr N.) sowie gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen des vierten früheren Vorstandsmitglieds auf Schadensersatz. Zur Begründung verwies der Insolvenzverwalter darauf, dass die Beklagten zum 31.12.1997 eine falsche Bilanz für die AG erstellt hätten und als Folge auch zum 31.12.1998 eine falsche Bilanz erstellt worden sei. Die unzutreffenden Bilanzen hätten zu einer Dividendenausschüttung der AG für die Jahre 1997 und 1998 geführt, obwohl in diesen Jahren tatsächlich kein Gewinn erzielt worden sei. Der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich vor dem OLG ... beendet. Darin verpflichteten sich der Kläger und Herr N. auf Grundlage des § 93 Abs. 2 AktG zur Zahlung von ... EUR an den Insolvenzverwalter, wobei auf jeden die Hälfte des Betrages entfiel. ... EUR waren bis zum ... 2009 zu leisten, während der Restbetrag von ... EUR in jährlichen Raten von je ... EUR zu begleichen war. Der Gesamtbetrag sollte jedoch vom Kläger bezahlt werden, da Herr N. nicht über ausreichende eigene Mittel verfügte. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger aus diesen Vorgängen Werbungskosten in Höhe von 1.227.818,90 € bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die sich wie folgt zusammensetzten:
Zahlung aus der Vergleichsvereinbarung | ... EUR |
Zahlung gemäß Beschluss des OLG | ... EUR |
Rechtsanwaltskosten | ... EUR |
Zinsen zur Finanzierung | ... EUR. |
Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG mit den in EFG 2015, 1524 veröffentlichten Gründen ab.
Die Entscheidung des FG, dass die Schadensersatzleistungen des Klägers an den Insolvenzverwalter nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH Beschluss vom 20.10.2016, VI R 27/15). Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vor, wenn sie durch den Beruf veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.
Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der steuerunerheblichen Privatsphäre zuzurechnen sind, entscheidet sich dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, ohne dass allerdings schon ein abstrakter Kausalzusammenhang die einkommensteuerliche Zuordnung der Aufwendungen zur Erwerbssphäre rechtfertigt. Aufwendungen sind vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28.11.1977 - GrS 2-3/77 zu Unfallkosten bei einem bewussten und leichtfertigen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften können auch schuldhaft verursachte Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen sein. In diesen Fällen ist nicht stets die private Lebensführung des Steuerpflichtigen betroffen. Nach Ansicht des Großen Senats sind (für die Einordnung von Aufwendungen diesseits oder jenseits der Grenze des § 12 EStG) auf das Verschulden, die Strafbarkeit oder das moralische Verhalten des Steuerpflichtigen abzielende Wertungen ungeeignet, weil die Besteuerung sich grundsätzlich wertungsindifferent nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richtet.
Dementsprechend können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten oder Betriebsausgaben sowie Betriebsschulden bzw. Rückstellungen i.S. der § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 HGB führen. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern ergibt sich auch aus § 40 AO. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.
Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die die Aufwendungen auslösenden schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat.
Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Würdigung des FG, dass es an einem (ausschließlichen) Erwerbsbezug der schädigenden Handlung - insbesondere der unrichtigen Darstellung der Vermögensverhältnisse der AG - fehlt, weil auch der Kläger selbst einen wirtschaftlichen Vorteil daraus gezogen hat, widerspricht weder Denkgesetzen noch Erfahrungssätzen. Sie liegt vielmehr aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger die Dividendenauszahlung bei Veräußerung der ihm verbliebenen Anteile am ... 1998 und damit nach dem Erstellen der fehlerhaften Bilanz ausdrücklich vorbehalten hat, nahe. Die Gewinnausschüttung, an der der Kläger teilhatte, wäre ohne den überhöhten Gewinnausweis, den der Kläger als Vorstand der AG zu verantworten hatte und für den er ausweislich der bindenden Feststellungen des FG strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde, nicht möglich gewesen. Zudem hat der Kläger dadurch den Wert seiner Beteiligung verfälscht und bei der Veräußerung seiner Aktien am ... 1998 einen ansonsten am Markt nicht zu erzielenden Kaufpreis erlangt. Insofern bestand neben dem Interesse der AG, die prognostizierte Dividende im Rahmen einer geplanten Kapitalerhöhung darstellen zu können, auch ein erhebliches eigenes Interesse des Klägers an der geschönten Gewinndarstellung.
Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision greifen nicht durch. Soweit die Kläger vorbringen, dass nicht der überhöhte Gewinnausweis in der Bilanz, sondern das Eigentum an den bezugsberechtigten Aktien (oder wie hier das Eigentum an dem Bezugsrecht nach Verkauf der Aktien zu "ex"-Dividende Konditionen) sowie der Beschluss der Hauptversammlung des Dividendenbezugs seien, verkennen sie die wesentliche Ursache des Geschehens. Das auslösende Moment, das letztlich zur Ausschüttung der Dividende auch an den Kläger führte, ist von ihm gesetzt worden. Er hat die Bilanz für das Jahr 1997 aufgebessert und damit die Kausalkette in Gang gesetzt, die in der Gewinnausschüttung mündete.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
Die aktuellen Seminartermine von Udo Cremer finden Sie hier »