26.05.2017 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Steuern in der Buchhaltung und im Jahresabschluss
Eintägiges Praxis-Seminar
Die Klägerin betreibt ein Dentallabor. Aufgrund einer Betriebsprüfung erließ das FA geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2007 (Streitjahre). Dabei berücksichtigte es für das Jahr 2005 Vorsteuer aus den Rechnungen eines Rechtsanwalts und für die Jahre 2006 und 2007 Vorsteuer aus Rechnungen einer Unternehmensberatung nicht, da in den Rechnungen die Art der erbrachten Leistungen nicht hinreichend genau bezeichnet war. Die Rechnungen des Rechtsanwalts ergingen unter dem Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei mit dem Betreff "Beratervertrag". Sie enthielten als Kennzeichnung des Leistungsgegenstands den Satz: "ich erlaube mir, das vereinbarte Beraterhonorar wie folgt abzurechnen". Die Rechnungen der Unternehmensberatung lauteten: "für allgemeine wirtschaftliche Beratung im (Zeitraum) berechnen wir Ihnen pauschal wie vereinbart" und "für zusätzliche betriebswirtschaftliche Beratung (Zeitraum) berechnen wir Ihnen pauschal wie vereinbart". Die Rechnungen nahmen nicht auf weitere Unterlagen Bezug, aus denen sich Einzelheiten der Vereinbarung entnehmen ließen.
Auf den Einspruch der Klägerin hin änderte das FA die geänderten Bescheide aus hier nicht strittigen Gründen abermals. Im Übrigen wies es den Einspruch zurück. Die Klägerin erhob daraufhin im November 2011 Klage und legte dem FA während des Klageverfahrens im Januar 2013 Rechnungen vor, in denen der Gegenstand der Leistung ordnungsgemäß bezeichnet war. Das FG wies die Klage mit Urteil vom 10.6.2015 7 K 7377/11 (EFG 2015, 1650) ab.
Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15). Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage. Entgegen dem FG-Urteil kann die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug im Streitfall bereits für die Jahre 2005 bis 2007 ausüben. Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, wirkt die Berichtigung auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a des Gesetzes enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
Im Streitjahr 2007 beruht das Rechnungserfordernis unionsrechtlich unverändert auf Art. 178 Buchst. a und Art. 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie --MwStSystRL--). Nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, für den Vorsteuerabzug nach Art. 168 Buchst. a MwstSystRL in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 MwStSystRL (für 2005 und 2006: Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG) ausgestellte Rechnung besitzen. In Art. 226 MwStSystRL ist geregelt, welche Angaben eine solche Rechnung unbeschadet der in der MwStSystRL festgelegten Sonderbestimmungen mindestens enthalten muss. Nach Art. 219 MwStSystRL als unionsrechtlicher Grundlage des § 31 Abs. 5 UStDV sind einer Rechnung jedes Dokument und jede Mitteilung gleichgestellt, das oder die die ursprüngliche Rechnung ändert und spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist.
Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Der EuGH hat mit Urteil Senatex GmbH vom 15.9.2016 C-518/14 entschieden, dass Art. 167, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde. Der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist danach formelle, aber nicht materielle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Gleiches gilt für § 31 Abs. 5 UStDV. Eine Berichtigung nach dieser Vorschrift wirkt daher auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. An seiner früheren Rechtsprechung, wonach die Vorsteuer aus einer berichtigten Rechnung erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung abgezogen werden konnte, hält der Senat infolge der EuGH-Rechtsprechung nicht mehr fest.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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