10.10.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Oberlandesgericht Hamm.
Der private Grundstückseigentümer lässt den Weg sperren, um die Wegefläche anderweitig zu nutzen. Darf er das oder muss er die weitere Nutzung des Weges durch die Allgemeinheit dulden?
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Die Frage kann nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung zu beantworten sein. Nach diesem Grundsatz ist ein über ein Privatgrundstück verlaufender Weg wie ein - vom privaten Eigentümer nicht zu sperrender - öffentlicher Weg zu behandeln, wenn der Weg seit vielen Jahren, "Menschengedenken", nach allgemeiner Meinung zu Recht als öffentlicher Weg genutzt worden ist und der - nicht wegebau- oder unterhaltspflichtige - Eigentümer diesen Zustand stillschweigend geduldet hat.
Dass Gerichte über Wege nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung zu urteilen haben können, zeigt der nachstehende Fall.
In dem vom 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm zu entscheidenden Fall stritten benachbarte Grundstückseigentümer aus Münster darüber, ob ein über die Grundstücke der beklagten Eigentümer verlaufender Weg, der früher eine Verbindung von der (jetzigen) "Gievenbecker Reihe" zur (jetzigen) "Potstiege" darstellte, von den Klägern wie ein öffentlicher Weg genutzt werden darf. Auch ohne diesen Weg ist das Grundstück der Kläger, von ihnen im Jahre 2011 erworben, an das öffentliche Straßen- und Wegenetz angeschlossen. Die Lage des umstrittenen Weges war in den 1970er Jahren verändert worden, als eine frühere durch eine anders verlaufende Wegstrecke ersetzt wurde.
Derzeit versperren auf dem Grundstück der Beklagten aufgestellte Zäune den Zugang zu dem Ersatzweg, der heute auch deswegen keine durchgehende Verbindung mehr darstellt, weil eine hinter dem Grundstück der Beklagten liegende Brücke, die den Weg über einen Bach führte, bereits vor Jahren abgerissen wurde.
In dem Prozess meinten die Kläger, sie dürften - in Anwendung des Grundsatzes der unvordenklichen Verjährung - den über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Ersatzweg als öffentlichen Weg nutzen und verwiesen darauf, dass es an der fraglichen Stelle seit je her einen öffentlichen Weg gegeben habe. Der Weg sei mit einer früheren Hofanlage entstanden und als Verbindungsweg schon auf einem königlich-preußischen Stadtplan der Provinzhauptstadt Münster von 1839 eingetragen gewesen.
Seit Menschengedenken sei der Weg von jedermann als öffentlicher Weg genutzt worden, seine Entstehung und die ursprünglichen rechtlichen Verhältnisse lägen im Dunkeln. Nach Änderung des Wegeverlaufs müsse nunmehr der Ersatzweg als öffentlicher Weg zu nutzen sein.
Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben. Nach der Entscheidung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19.06.2017 (Az. 5 U 20/16 OLG Hamm), die das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 17.12.2015 (Az. 4 O 457/14 LG Münster) bestätigt, sind die Beklagten nicht verpflichtet, die Nutzung des infrage stehenden Ersatzweges durch die Kläger zu dulden.
Die Kläger hätten nicht hinreichend vortragen können, so der Senat, dass der Teil der Grundstücke der Beklagten, auf dem sich der Ersatzweg befinde bzw. der behauptete historische Weg befunden habe und der nicht als öffentliche Straße gewidmet gewesen sei, nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung als öffentlicher Weg zu gelten habe.
Nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung könne die Öffentlichkeit eines alten Weges dann angenommen werden, wenn der Weg seit Menschengedenken unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- oder unterhaltungspflichtigen Privateigentümers und nach allgemeinen Überzeugung zu Recht als öffentlicher Weg genutzt worden sei. Die Anwendung des Grundsatzes setze nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung voraus, dass der beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren bestanden habe und als rechtens angesehen worden sei. Zudem dürfe es weitere 40 Jahre vorher keine Erinnerung an einen anderen Zustand seit Menschengedenken gegeben haben.
An den Nachweis der unvordenklichen Verjährung seien mit Rücksicht auf die Rechte des privaten Eigentümers, über dessen Grund ein öffentlicher Weg verlaufe, strenge Anforderungen zu stellen. So könne eine unvordenkliche Verjährung bei einem im Privateigentum stehenden alten Weg nicht schon allein deswegen angenommen werden, weil der Weg seit langer Zeit auch für den allgemeinen Verkehr genutzt werde. Es sei gerade in ländlichen Räumen durchaus üblich gewesen und auch noch üblich, die Benutzung im Privateigentum stehender Wege auch durch fremde Personen zu dulden, ohne dass aus einem solchen Verhalten des Grundeigentümers der Schluss gezogen werden könne, er wolle sich seiner privaten Verfügungsmacht über den Weg begeben.
Ausgehend hiervon sei der Ersatzweg im Streitfall nicht nach den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung als öffentlicher Weg anzusehen. Er erfülle die genannten Voraussetzungen nicht, weil er erst nach 1968 entstanden und in seinem Verlauf nicht mit dem früheren Weg identisch sei.
Dass der beschriebene ursprüngliche Wegeverlauf nach den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung ein öffentlicher Weg gewesen sei, sei ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Allein die Wiedergabe des Weges in alten Plänen oder Zeichnungen stelle kein Indiz für seine Öffentlichkeit dar. Gegen seine Öffentlichkeit spreche vorliegend vielmehr, dass der ursprüngliche Weg mitten über die frühere, im Privatbesitz befindliche Hofanlage geführt haben solle. Dafür, dass frühere Eigentümer insoweit einen ihrer privaten Verfügungsbefugnis entzogenen, öffentlichen Weg hätten dulden wollen, seien keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19.06.2017 (Az. 5 U 20/16 OLG Hamm), nicht rechtskräftig, BGH V ZR 208/17.
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