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Neues Jahr, mehr Gehalt? Der kritische Blick auf die Gehaltsabrechnung

06.01.2020  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Es ist wohl ein Klassiker unter den guten Vorsätzen für das Neue Jahr: Mit dem Chef oder der Chefin endlich einmal über das eigene Gehalt sprechen. Wer nicht nach einem Tarifvertrag bezahlt wird, ist dabei oft auf sich allein gestellt. Doch ab wann lohnt sich der kritische Blick auf die Gehaltsabrechnung?

Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Gehalts-verhandlung ist eine realistische Einschätzung der angestrebten Gehalts-erhöhung. Insbesondere für Beschäftigte im ersten Drittel ihrer Karriere und für Hochqualifizierte sind hier unter Verweis auf die gestiegene Berufserfahrung durchaus beachtliche Steigerungen möglich. Für alte Hasen und Beschäftigte in einfacheren Tätigkeiten hilft hingegen eher ein Vergleich mit den Gehältern, die bei der Konkurrenz gezahlt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung von 195.000 Datensätzen des Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissen-schaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird.

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„Am Anfang des Berufslebens wächst der eigene Erfahrungsschatz besonders schnell und viele übernehmen im Betrieb neue Verantwortlichkeiten“, sagt Dr. Malte Lübker, Experte für Tarif- und Einkommensanalysen am WSI. „Das macht einen für den Arbeitgeber wertvoller – und mit etwas Verhandlungsgeschick lässt sich das in barer Münze auszahlen.“ So verdienen Beschäftigte mit fünf Jahren Berufserfahrung im Mittel 13 Prozent mehr als Neueinsteiger, mit zehn Jahren liegt der Vorsprung bereits bei 22 Prozent. Als Faustregel gilt dabei: Je höher die eigene Qualifikation, desto größer fallen die Gehaltszuwächse mit gestiegener Erfahrung aus (siehe auch die Grafik in der pdf-Version dieser Pressemitteilung; Link unten). Nach 20 Jahren im Beruf verdienen Hochqualifizierte im Durchschnitt etwa 46 Prozent mehr als Anfänger im gleichen Beruf; bei den Helfer- und Anlerntätigkeiten beträgt das Plus hingegen nur 19 Prozent.

Gerade für Beschäftigte in einfacheren Tätigkeiten ist deshalb der Verweis auf die Gehälter bei anderen Arbeitgebern häufig das beste Argument. Was genau machbar ist, hängt dabei neben dem Beruf und der eigenen Berufserfahrung von einer Reihe weiterer Faktoren ab. So zahlen größere Betriebe meistens besser, und das Gehaltsniveau unterscheidet sich auch regional zum Teil erheblich. Das WSI-Portal Lohnspiegel.de bietet deshalb für über 500 Berufe einen Lohn- und Gehaltscheck an, der diese Faktoren berücksichtigt und so individualisierte Vergleichsberechnungen ermöglicht. Das Angebot ist kostenlos und ohne Registrierung oder Angabe einer Email-Adresse nutzbar. Eine gute Orientierung bieten auch die Tarifvergütungen, die vom WSI-Tarifarchiv für zahlreiche Berufe und Branchen zusammengestellt werden. Eine weitere Informationsquelle ist der Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit.

„Der kritische Blick auf die eigene Gehaltsabrechnung ist besonders wichtig, wenn der Arbeitgeber keinen Tarifvertrag anwendet“, sagt Gehaltsexperte Lübker. Nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiteten im Jahr 2018 nur noch 54 Prozent der Beschäftigten in einem tarifgebundenen Betrieb, verglichen mit 68 Prozent im Jahr 2000. Tarifverträge sehen neben den von den Gewerkschaften ausgehandelten Lohnerhöhungen häufig auch Erfahrungsstufen vor, mit denen das Gehalt bei längerer Betriebszugehörigkeit in regelmäßigen Abständen automatisch ansteigt. „Wenn der Tarifvertrag fehlt, hat man es da leider häufig deutlich schwerer“, so Lübker. Das ist einer von mehreren Gründen, warum Arbeitnehmer in Unternehmen ohne Tarifvertrag im Schnitt gut zehn Prozent weniger verdienen als vergleichbare Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben der gleichen Branche und ähnlicher Größe.

Wichtig für das Gehaltsgespräch: Einmal ausgehandelt, bleibt die Steigerung in der Regel bestehen und ist zugleich Ausgangsbasis für die nächste Gehaltsverhandlung. Außerdem gilt: Die Löhne wachsen allgemein in Deutschland. Nach Berechnungen des WSI-Tarifarchivs stiegen die Tariflöhne im Jahr 2019 um 3 Prozent, nach einem ähnlichen Wachstum im Vorjahr.

Nur mit einer Gehaltsforderung gewappnet sollte sich freilich niemand in eine Gehaltsverhandlung begeben. Überzeugend wird der eigene Auftritt, wenn man weitere Argumente parat hat: Was ist der eigene Beitrag zum Erfolg des Unternehmens? Wo hat man sich als guter Teamplayer erwiesen, welche Aufgaben sind in der letzten Zeit dazugekommen? „Langfristig bleibt es jedoch der beste Ansatz, sich mit anderen zusammenzutun, um den Arbeitgeber dazu zu bewegen, Tariflöhne zu zahlen“, sagt WSI-Experte Lübker.

Informationen zur Methode

Die Daten des Portals Lohnspiegel.de beruhen auf einer kontinuierlichen Online-Umfrage unter Erwerbstätigen in Deutschland. Für die Analyse wurden 194.792 Datensätze berücksichtigt, die seit Anfang 2017 erhoben wurden. Die Umfrage ist nicht-repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die tatsächlich gezahlten Entgelte. Die Berechnungen zu den Gehaltsunterschieden nach Berufserfahrung beziehen sich auf die Bruttoverdienste ohne Sonderzahlungen und auf Arbeitnehmer im gleichen Beruf und mit ähnlichen Eigenschaften. Der Lohnspiegel ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.

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