25.04.2019 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Das zeigt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Damit wird zwar die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, das wesentliche Ziel der „Rente mit 67“, erreicht. Der Preis dafür sind nach Analyse der DIW-Forscher jedoch höhere Ungleichheit und größere Armutsrisiken im Alter. Denn der weiterhin erhebliche Unterschied zwischen gesetzlicher Regelaltersgrenze und tatsächlichem Renteneintritt zeigt, dass viele Menschen vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden müssen. Das Risiko, nicht durchzuhalten, ist für Beschäftigte mit mittlerem oder niedrigerem Bildungsabschluss spürbar höher als für Arbeitnehmer mit höherer Bildung. „Gerade für Menschen, die ohnehin auf dem Arbeitsmarkt schlecht dastehen, wird es schwierig sein, sich an die neuen Altersgrenzen anzupassen. Die spätere Rente trifft also die Schwächsten am härtesten“, fasst DIW-Rentenexperte Dr. Johannes Geyer ein zentrales Ergebnis der Untersuchung zusammen.
Hinzu kommt: Wer nicht bis zur Regelaltersgrenze durchhält, etwa aus gesundheitlichen Gründen oder weil er nach einer Entlassung keinen Job findet, könnte künftig bei den finanziellen Möglichkeiten im Ruhestand noch weiter zurückfallen als heute schon: Bei mindestens zweijähriger Erwerbslosigkeit vor Renteneintritt dürften die Einkommenseinbußen gegenüber Menschen, die direkt aus Erwerbstätigkeit in Rente gehen, von aktuell zehn auf 16 bis 17 Prozent im verfügbaren Einkommen steigen. Wer vorher aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden muss, hat also deutlich weniger Geld zur Verfügung – und muss möglicherweise über andere Sozialtransfers unterstützt werden. „Den entlastenden fiskalischen Wirkungen“ der Rente mit 67 „stehen große sozialpolitische Risiken gegenüber“, schreiben die Wissenschaftler.
In den vergangenen Jahren ist die Quote der älteren Beschäftigten zwar deutlich gestiegen. Das liegt aber ganz überwiegend daran, dass Beschäftigte länger im Job bleiben. Wer dagegen im vorgerückten Alter seinen Arbeitsplatz verliert, hat nach wie vor schlechte Chancen auf einen neuen. Ob die Menschen zukünftig tatsächlich so lange arbeiten können wie vorgesehen, hängt also entscheidend davon ab, wie sich der Arbeitsmarkt für Ältere entwickelt.
Die Forscher haben zwei Szenarien bis zum Jahr 2032 simuliert – bis dahin wird die Anhebung der Altersgrenze für die gesetzliche Rente von 65 auf 67 Jahre abgeschlossen sein. Im ersten Szenario gehen sie davon aus, dass die Beschäftigungsquoten der Älteren auf dem heutigen Niveau verharren. In dem Fall erfolgen weiterhin rund 40 Prozent aller Rentenzugänge nicht aus einer Beschäftigung, 24 Prozent sind sogar mindestens zwei Jahre erwerbslos vor dem Übergang in die Rente.
Im zweiten Szenario rechnen die Wissenschaftler mit einer steigenden Beschäftigungsquote älterer Menschen, indem sie die ausgesprochen gute Arbeitsmarktentwicklung der vergangenen Jahre fortschreiben. Dann sinkt der Anteil derjenigen, die nicht aus einer Beschäftigung in die Altersrente wechseln, auf gut 20 Prozent. In beiden Fällen steigt das tatsächliche Renteneintrittsalter, das aktuell im Schnitt bei gut 64 Jahren liegt, bis zum Beginn der 2030er-Jahre an: im ersten Szenario auf 65,5 Jahre, im zweiten auf 65,8 Jahre. Allerdings zeigen sich dabei deutliche Unterschiede: Für höher gebildete Personen verschiebt sich der Renteneintritt mit 1,6 bis zwei Jahren deutlich stärker als für Personen mit geringer oder mittlerer Bildung mit einem bis 1,4 Jahren.
„Trotz des günstigen Arbeitsmarktumfeldes ist die kontinuierliche Erwerbstätigkeit bis zum Renteneintritt längst nicht die Regel“, so die Forscher. Nur bei einer sehr günstigen weiteren Arbeitsmarktentwicklung würden deutlich weniger Menschen aus Erwerbslosigkeit in die Rente wechseln. Für jene, die es nicht bis zur Altersgrenze schaffen, sei der frühe Erwerbsaustritt in jedem Fall mit größeren Einkommenseinbußen verbunden. Schließlich haben sie nicht nur kürzer in die Rentenversicherung eingezahlt, sondern müssen auch substanzielle, dauerhafte Abschläge auf die gezahlte Rente hinnehmen. Beispiel: Wer heutzutage aus mindestens zweijähriger Erwerbslosigkeit in die Rente wechselt, verfügt laut DIW im Schnitt über ein zehn Prozent geringeres Haushaltseinkommen als diejenigen, die bis zum Renteneintritt erwerbstätig sind. Im Jahr 2032 würde die Lücke im ersten Szenario auf 16 Prozent und im zweiten Szenario auf 17 Prozent wachsen. Besonders betroffen seien Menschen mit typischen „Risikofaktoren“ wie beispielsweise geringere Bildung oder körperlich anstrengende Tätigkeiten. Am besten könnten sich Menschen mit guter Bildung und stabilen Beschäftigungsverhältnissen anpassen.
Menschen, die im höheren Erwerbsalter arbeitslos werden, und solche, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können, hätten „ein überdurchschnittlich hohes Risiko eines prekären Übergangs in den Ruhestand“, schreiben die Forscher. Zumal künftig nicht nur die Altersgrenze angehoben, sondern gleichzeitig auch das Niveau der gesetzlichen Renten sinken werde. Dadurch steige das Armutsrisiko im Alter zusätzlich. „Neben der Frage, wie man den Arbeitsmarkt für Ältere so gestaltet, dass es für viele Menschen möglich ist, ihre Erwerbstätigkeit lange auszuüben, steht die Frage der Absicherung bei langfristigen Erwerbsunterbrechungen“, so das Fazit der DIW-Wissenschaftler. „Wenn es das Ziel ist, den Lebensstandard von allen älteren Menschen abzusichern, sind weitere Maßnahmen notwendig, um die finanziellen Belastungen von Älteren zu begrenzen, die frühzeitig oder aus Arbeitslosigkeit in Rente gehen müssen.“
Hermann Buslei, Patricia Gallego-Granados, Johannes Geyer, Peter Haan: Rente mit 67: der Arbeitsmarkt für Ältere wird entscheidend sein (pdf), DIW-Wochenbericht 16/17, April 2019.
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