06.11.2018 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In der lohnsteuerlichen Praxis wird das Dienstwagenprivileg gerne in Anspruch genommen. Häufig versuchen sich Arbeitnehmer der Lohnversteuerung zu entziehen, in dem sie darlegen, sie hätten den ihnen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellten Firmenwagen überhaupt nicht privat genutzt. Insbesondere bei besonders hochwertigen Fahrzeugen und bei Oldtimern wird zunehmend häufig vorgetragen, diese Fahrzeuge dürften überhaupt nicht privat genutzt werden, weil der Arbeitgeber ein Nutzungsverbot ausgesprochen hat.
Mit Urteil vom 06.02.18 - 6 K 172/17 hat sich das Finanzgericht Hamburg zum Nutzungsverbot eines Gesellschafters geäußert, der zu 96% an einer aus einem Rechtsanwalt und einer Rechtsanwältin bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts GmbH (GbR) beteiligt ist. Im hier streitigen Sachverhalt war im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass eine Privatnutzung des Firmenwagens ausgeschlossen sei.
Das Finanzgericht Hamburg stellte klar, dass die bei einem Gesellschafter auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienst-Pkw privat genutzt, auch dann möglich ist, wenn formal ein Nutzungsverbot vereinbart worden ist. Bei einem Gesellschafter, der zu 96% am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist, sind an den Nachweis fehlender Privatnutzung strenge Anforderungen zu stellen.
Voraussetzung für einen von der pauschalen 1-%-Regelung abweichenden Ansatz des geldwerten Vorteils ist nach eindeutiger Gesetzeslage (vgl. § 6 Absatz 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG) die Vorlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs.
Im hier streitigen Sachverhalt gab der Firmenwagennutzer an, er hätte für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte öffentliche Verkehrsmittel und für private Fahrten den PKW seiner Ehefrau benutzt.
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werden dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das Gericht aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat. Der Beweis des ersten Anscheins kann vom Steuerpflichtigen durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass vom Steuerpflichtigen ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Steuerpflichtige lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, die auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienst-Pkw privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal ein Nutzungsverbot vereinbart worden ist. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ist wegen seiner herausragenden Position und dem damit verbundenen jederzeitigen Zugriff auf den betrieblichen Pkw nach den Regeln des Anscheinsbeweises von einer privaten Nutzung der Pkw auszugehen. Die sog. 1-%-Regelung ist grundsätzlich nur dann nicht anwendbar, wenn nachgewiesen wird, dass eine Privatnutzung des Pkw ausscheidet. An den Nachweis fehlender Privatnutzung sind strenge Anforderungen zu stellen. Anderenfalls hätte es der Gesellschafter in der Hand, ob er den Eigenverbrauch versteuert.
Das Finanzgericht Hamburg ist im hier streitigen Sachverhalt davon überzeugt, dass das private Nutzungsverbot nur aus steuerrechtlichen Gründen vereinbart worden ist und eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat. Der Stpfl. konnte nicht schlüssig darlegen, dass er den ihm zur Verfügung gestellten Firmenwagen tatsächlich nicht privat genutzt habe. Die Behauptung, er hätte für Privatfahrten das Fahrzeug seiner Ehefrau benutzt, konnte widerlegt werden, weil der Umfang der Gesamtfahrleistung dieses Fahrzeugs allein schon durch die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte der Ehefrau erreicht war. Das Gericht geht deshalb nicht davon aus, dass es sich bei dieser Vereinbarung um eine ernstgemeinte Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern handelt. Es ist kein außersteuerrechtlicher Grund für dieses angebliche Verbot ersichtlich. Die Vereinbarung eines solchen Nutzungsverbotes ist auch nicht üblich. Gerade bei Gesellschaftern oder Geschäftsführern ist es "normal", dass diesen ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird. Die Vereinbarung eines privaten Nutzungsverbots ist hingegen nicht üblich. Es ist auch wirtschaftlich nicht sinnvoll, auf solche Weise ein Kfz betrieblich vorzuhalten und ggf. privat ein weiteres zu finanzieren, wenn die betrieblichen Kosten vom Nutzenden fast in voller Höhe selbst getragen werden müssen. Darüber hinaus stellte das Finanzgericht klar, dass das private Nutzungsverbot aufgrund der herausragenden Stellung des Gesellschafters nicht hätte durchgesetzt werden können bzw. ein Verstoß gegen dieses Verbot keine Sanktionen nach sich gezogen hätte.
Der hier streitige Sachverhalt betrifft zwar die Rechtsbeziehungen zwischen einem in einer GbR tätigen Rechtsanwaltsgesellschaft und einem selbständigen, nicht als Arbeitnehmer tätigen Rechtsanwalt. Die Problematik ist aber auch auf Arbeitnehmer-Sachverhalte übertragbar. Hier ist jedoch zu differenzieren, ob das Nutzungsverbot des Arbeitgebers gegenüber einem weisungsgebundenen abhängigen Arbeitnehmer mit entsprechenden tatsächlichen Sanktionsmöglichkeiten oder gegenüber einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ohne tatsächliche Sanktionsmöglichkeiten verhängt wird.
Fortsetzung folgt!
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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