16.04.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bundesgerichtshof.
Die Beklagten sind Mieter einer preisgebundenen Wohnung der Klägerin. In dem Gebäude befinden sich 103 Wohnungen sowie eine Gewerbeeinheit (Pizzeria). In der Schlusswirtschaftlichkeitsberechnung vom 12. Februar 2004 ist für die 103 Wohnungen eine Gesamtwohnfläche von 7.074,83 m2 und für die Gewerbeeinheit eine Nutzfläche von 154,23 m2 angegeben.
Die von den Beklagten monatlich geschuldete Miete setzt sich aus einer Nettokaltmiete und Betriebskostenvorauszahlungen zusammen. Nach § 2 Abs. 6 des Mietvertrages vom 4. Juli 1997 werden auf die Mieter stichwortartig beschriebene Betriebskosten im Sinne von Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsordnung umgelegt.
Betriebskosten von Wohn- und Gewerberaum Die häufigsten Abrechnungsfehler und was Sie dagegen tun können |
|
"Empfehlenswert, sachbezogen und aktuell!" Herr Werner Freitag, Städtische Gebäude Esslingen |
|
Hier geht´s zum Seminar » |
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung restlicher Miete in Höhe von 20,12 € und auf Feststellung der ab Juni 2009 geschuldeten Mieten in Anspruch. Außerdem macht sie Nachforderungen in Höhe von insgesamt 1.054,34 € aus den Abrechnungen über die kalten Betriebskosten für die Kalenderjahre 2005 bis 2007 - jeweils nebst Zinsen - geltend. Die von den Geschäftsführern der Klägerin unterzeichneten Abrechnungen vom 15. September 2006, vom 12. September 2007 und vom 12. September 2008 weisen Nachforderungen in Höhe von 659,84 €, 697,36 € und 507,04 € aus. In Anbetracht von Mietüberzahlungen der Beklagten verlangt die Klägerin noch Restzahlungen in Höhe von 532 € (für 2005), von 409,72 € (für 2006) und von 217,84 € (für 2007), zusammen also 1.159,56 €. Von der Nachforderung für das Jahr 2007 bringt sie zusätzlich einen Betrag von 105,22 € in Abzug (101,87 € für die Position Gebäudeversicherung, 1,29 € Teilabzug für die Position Gartenpflege so-wie Korrektur der Position Umlagenausfallwagnis um 2,06 €). Ihre Nachforderung aus den Betriebskostenabrechnungen für die Kalenderjahre 2005 bis 2007 beläuft sich damit auf insgesamt 1.054,34 €.
Die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 weisen jeweils unter anderem den erläuternden Zusatz auf:
"Betriebskosten, die nicht für Wohnraum entstanden sind, wurden vorweg abgezogen. Konnte nicht festgestellt werden, ob die Betriebskosten auf Wohnraum oder gewerblich genutzte Flächen entfielen, wurden die gewerblich genutzten Flächen in der Abrechnung entsprechend des Anteils ihrer Nutzfläche an der Wohn- und Nutzfläche der Verwaltungseinheit berücksichtigt."
Die Klägerin könne den aus den Betriebskostenabrechnungen für die Kalenderjahre 2005 bis 2007 geltend gemachten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.054,34 € von den Beklagten nicht gemäß § 535 Abs. 2 BGB, § 20 NMV in Verbindung mit § 2 des Mietvertrags vom 4. Juli 1997 verlangen. Die Abrechnungsfrist des § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV werde nur durch den Zugang einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt, die den Anforderungen des § 259 BGB genüge, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalte. Weiter sei erforderlich, dass dem Mieter auch dann die Gesamtkosten einer berechneten Kostenart mitgeteilt würden, wenn einzelne Kostenanteile nicht umlagefähig seien. Denn für den Mieter müsse ersichtlich sein, ob und in welcher Höhe nicht umlagefähige Kosten vorab abgesetzt würden. Dies gelte auch beim preisgebundenen Wohnraum, zumal § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV für solche Kosten, die nicht für Wohnraum entstanden seien, zwingend einen Vorwegabzug vorsehe.
Diesen Anforderungen würden die Betriebskostenabrechnungen der Klägerin nur teilweise gerecht. Hinsichtlich der Positionen Grundsteuer, Müllabfuhr, Recycling Biomüll und Recycling Papier sei der erforderliche Vorwegabzug vorgenommen und hinreichend ausgewiesen worden.
(..)
Die Betriebskostenabrechnungen seien jedoch zumindest hinsichtlich der Positionen Niederschlagswasser, Straßenreinigung, Schnee- und Eisbeseitigung, Hausreinigung, allgemeine und zusätzliche Gartenpflege, Spielplätze, Strom und Beleuchtung zu beanstanden, da insoweit ein Vorwegabzug nicht ausgewiesen worden sei. Ein solcher Abzug sei nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV stets, also selbst dann vorzunehmen, wenn die unterschiedliche Nutzung auf die Höhe der Betriebskosten keinen oder einen nur unwesentlichen Einfluss habe. Der gebotene Vorwegabzug bestehe bei einer gleichen Belastung in einem prozentualen Abzug von den Gesamtkosten, der dem Verhältnis der Gewerbefläche zur gesamten Wohn- und Nutzfläche des Objektes entspreche. Da dies bei den genannten Positionen vorliegend nicht geschehen sei, seien die Abrechnungen wegen formeller Mängel unwirksam.
Im Hinblick auf die beschriebenen gesetzlichen Vorgaben sei ein unterbliebener Vorwegabzug - anders als beim preisfreien Wohnraum - nicht erst für die materielle Richtigkeit einer Abrechnung von Bedeutung, sondern gehöre schon zu deren - im Vergleich zum preisfreien Wohnraum strengeren - formellen Anforderungen. Da die zu beanstandenden Kostenpositionen in ihrer Gesamtsumme jeweils höher seien als die hinsichtlich der Kalenderjahre 2005 bis 2007 geltend gemachten Nachforderungsbeträge, könne die Klägerin für die genannten Abrechnungsperioden keine Nachzahlungen beanspruchen.
(…)
Auch bei der Betriebskostenabrechnung für eine preisgebundene Wohnung in einem gemischt genutzten Gebäudekomplex gehört die Vornahme eines Vorwegabzugs für die gewerbliche Nutzung nicht zu den an eine Abrechnung zu stellenden Mindestanforderungen, sondern betrifft (nur) deren materielle Richtigkeit. Die Abrechnung ist daher nicht aus formellen Gründen unwirksam, wenn der Vermieter den gesetzlich vorgeschriebenen Vorwegabzug unterlässt.
Wird ein Vorwegabzug vorgenommen, genügt die Abrechnung auch bei preisgebundenem Wohnraum den an sie zu stellenden formellen Anforderungen nicht, wenn nur die um einen Vorwegabzug bereinigten Gesamtkosten ausgewiesen werden; es fehlt dann an der erforderlichen Angabe der Gesamtkosten.
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2011 - VIII ZR 118/